Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 58, Bd. 17, 1898)

Handwerker und Genossenschaften. — Ein Mittelpreisvorschlag bei Submissionen. 
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sowohl bei den Baugenossenschaften, die Miethswohnungen 
herstellen, wie bei denen, die Häuser zu Eigenthumserwerb 
für die Mitglieder erbauen. Das Jahrbuch enthält eine 
Statistik der Mitglieder nach Berufsarten bei 24 Baugenossen— 
schaften mit 78606 Mitgliedern, darunter befinden sich 658 
Handwerker. 
In diesem Jahre hat sich eine größere Anzahl von Bau— 
zenossenschaften an der Statistik betheiligt, 31 von 192 be— 
stehenden Baugenossenschaften, die sich vom 1. Juni 1897 bis 
30. April 1898 um 27 vermehrt haben. Als ein Zeichen 
der Ausbreitung der Baugenossenfchaften ist die neuerdings 
hervortretende Agitation der Haus- und Grundbesitzer-Vereine 
gegen die Baugenossenschaften zu betrachten; diese Agitation 
beginnt in der gleichen Weise, wie die Agitation der Klein— 
händler gegen die Konsumvereine aufing. Es zeigt nicht 
gerade von großem sozialen Verständniß jener Vereine, wenn 
— 
und gegen die Hypothekgewährung der Alters- und Inva— 
liditätseVersicherungs-Anstalten an solche Genossenschaften. 
Nachstehende Tabelle bietet ein Bild der Thätigkeit von 
—31 Baugenossenschaften: 
Ein Mittelpreisvorschlag bei Zuübmissionen. 
Der „Westdeutschen Bauzeitung“ entnehmen wir nachstehenden 
wichtigen Beitrag: 
Der Mannheimer Stadtrath H. Barber hat einen Vor— 
schlag dem Stadtrath unterbreitet, der uns von höherem 
Juteresse für weitere Kreise erscheint: „Bei Arbeiten oder Liefe— 
rungen von 500 —56000 Mik. — so lautet der Barbersche Antrag 
— die durch öffentliches Ausschreiben zur Vergebung gelangen, 
hat der Zuschlag an denjenigen Bewerber zu erfolgen, dessen 
Angebot dem Miittelpreise sämmtlicher eingelaufenen Angebote, 
nach unten gerechnet, am nächsten kommt. Angebote, die 30 péEt. 
unter dem Voranschlage bleiben, sollen, wie das in 8 14 der 
jetzt geltenden Submissionsbedingungen bestimmt ist, in der Regel 
nicht berücksichtigt werden. Angebote, deren Höhe vermuthen 
läßt, daß sie lediglich eingereicht sind, um den Mittelpreis künstlich 
zu steigern, sollen ebenfalls zurückgewiesen werden.“ 
Das Exempel für diesen Mittelpreisvorschlag ist: Auf einc 
zu vergebende Arbeit werden folgende Angebote eingereicht: 
A mit Mark 1000 
3 800 
700 
60909 
550 
, 400 
Diese 6 Angebote ergeben die Summe voun 4050 Mk. Diese 
Zahl (4050) ist durch die Zahl der Submittenten (6) zu theilen, 
was den Betrag von 675 als Mittelpreis ergiebt. Nach dem 
alten Verfahren erhält der Mindestfordernde mit 400 Mk. den 
Zuschlag, nach dem Barberschen Antrage würde ihn Herr D 
mit 600 Mk. erhalten. 
Herr Barber giebt seinem Antrag solgende Begründung auf 
den Weg: „Leben und leben lassen“ ist ein sehr schöner Grund— 
satz, den sowohl derjenige berücksichtigen soll, der Submissionen zu 
bergeben hat, als auch der, der auf solche bietet. Er zeigt uns, 
daß, wie jedes Ding, so auch das Submissionswesens seine zwei 
Seiten hat. Wir Handwerker, die wir eine Verbesserung des 
Submissionswesens anstreben, stellen ja in uns selber zwei 
Interessen dar: wir sind nicht nur Handwerker sondern auch 
Bürger und Steuerzahler. Also müssen wir die beiden Interessen 
zu wahren suchen, sodaß nicht das eine durch das andere ge— 
schädigt wird. Zwei Fragen sind es, die wir uns vorzulegen 
haben, wenn wir Verbesserungsvorschläge bezüglich des Sub— 
missionswesens machen wollen. 
Zunächst fragen wir als Bürger und Steuerzahler: Haben 
wir Veranlassung oder gar die Verpflichtung, wenn uns eine 
Arbeit oder Liefernng zu einem niedrigen Preis augeboten ist, 
den niedrigen Preis zurückzuweisen und freiwillig einen höheren 
zu zahlen? 
Als Handwerker müssen wir uns die Frage vorlegen: Ist 
es möglich, daß bei einer sachverständigen, redlichen und, was 
den Nutzen anbetrifft, angemessenen Kalkulation die Preisberechnung 
einer Arbeit so ungeheuere Abweichuugen zeigen kann, wie man 
dies so oft bei Submissionen beobachtet? 
Die Frage, die ich mir als Bürger und Steuerzahler vor— 
lege, beantworte ich mir dahin, daß ich sage: Ja, wir, resp. 
unsere Vertretungen haben die Verpflichtung, niedrige Angebote 
zurückzuweisen, wenn wir an dem geforderten Preise erkennen, 
daß derjenige, der ihn gestellt hat, das Opfer eines fatalen 
Rechenfehlers geworden ist, oder wenn wir uns den Preis nicht 
anders erklären können, als damit, daß der Bewerber eine Unreellität 
beabsichtigt, sei es seinen Lieferauten gegenüber, oder der arbeit— 
vergebenden Behörde. Beides wäre aber unmoralisch, sowohl 
den Irrthum einer Person auszunützen, wie auch derselben die 
Gelegenheit zur Unreellität zu geben. 
Nun mag es aber auch dann und wann vorkommen, daß in 
einem speziellen Fall ein Handwerker günstiger zu arbeiten ver— 
mag, als die andern, in Folge von besonderen, ausnahmsweisen 
Vechältnissen. Allein solche Ausnahmeverhältnisse werden nicht 
allzuoft au uns herantreten und uns auf keinen Fall veranlassen 
dürfen, erprobte Grundsätze der Moral über Bord zu werfen. 
Da man überdies auf Ausnahmen keine Regel bauen kann, so 
oerden sie uns auch nicht dazu bewegen dürfen, eine bei normalen 
Verhältnissen heilsame Regel ihretwegen umzustoßen oder gar 
nicht aufzustellen. 
Die Frage, die wir als Handwerker stellen, ob es möglich 
sei, daß bei einer sachverständigen, redlichen und angemessenen 
Kalkulation dennoch große Preisunterschiede zu Tage treten 
»zunen. müssen wir mit Nein beantworten, denn die Faktoren 
Anzahl Anzahl der 
d *9* 
. hergestellten 
glieder Häuser 
Anzahl Her— 
der stellungs— 
Miethsssasie 
woh⸗ 
nungen“ Meke. 
Geschäfts-! Re— 
guthaben serven 
Fremde 
Gelder 
Mk. 
Mk. 
Mek. 
433 57 5 333 1873 713 1 455 998 235 610 7 707 367 
häuser 
Bereits bei früheren Gelegenheiten haben wir darauf 
hingewiesen, daß auch bei den Konsumvereinen ein erheblicher 
Prozentsatz der Mitglieder auf die Handwerker entfällt. Die 
aeueste Statistik ergiebt dies wiederum. 
Das Jahrbuch enthält die Geschäftsberichte von 489 
Konsumvereinen, von denen 456 eine besondere Mitglieder— 
Statistik geben, nach der unter 319 609 Miigliedern sich 
37 5328 selbstständige Handwerker befinden. Sollte diese ver— 
hältnißmäßig starke Betheiligung der Handwerker an den 
Konsumvereinen nicht besagen, daß die Behauptung, die Kon— 
sumvereine vernichteten das Handwerk, der thatsächen Be— 
gründung entbehrt? Den Geschäftsberichten der Konsumver— 
eine entnehmen wir: 
gahl der 
Mitalieder 
Lerkaufserlös 
im eigenen 
Lager 
Rein⸗ 
gewinn 
Geschäfts⸗ 
guthaben 
Reserven 
Fremde 
Gelder 
Mk. 
403872 82 636 988 9443192 8 066 6033248476 8229 215 
Mk. 
Mk. 
Zum Schluß lassen wir noch eine Zusammenstellung der 
Zahlen von 16069 in Deutschland bestehenden Genossen— 
scheften und Genossenschaflsarten folgen: 
Kredit-Genossenschaften.. 10269 
Rohstoff Genossenschaften: 
gewerbliche 73 
landwirthschaftliche 1167 
Werk-Genossenschaften: 
gewerbliche 30 
landwirthschaftliche 455 
Magazin-Genossenschaften: 
gewerbliche 70 
landwirthschaftliche 82 .. 158 
Produkliv-Genossenschaften: 
gewerbliche 179 
landwirthschaftliche 1932..2111 
Verschiedene Arten von Geuossenschaften 233 
Konsumvereine. 1396 
Baugenossenschaften 192 
16069 
Dr. Hans Crüger. 
—W
	        

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