Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 58, Bd. 17, 1898)

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Kunststeine als Ersatz für Jiegel. — Gewinnbetheiligung. 
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leweilig erforderlichen Festigkeit herzustellen, die gleichzeitig einen 
die Wärnteübertragung durch Leitung entsprechend verhindernden 
Luftgehalt aufweisen und ausreichende Durchlässigkeit für Flüssig— 
keiten und Gase besitzen, um ein rasches Austrocknen erwarten 
zu dürfen. Aber die richtige Vereinigung dieser drei für Hoch— 
bauten zumeist erforderlichen Eigenschaften dürfen wir nicht von 
jeder Handelswaare erwarten. Sollen Steine dieser Art bei 
hohem Luftgehalt noch eine große Festigkeit aufweisen, dann ist 
es nothwendig, besonders geeignete und vielfach auch kostspielige 
Bindemittel für sie in Anwendung zu bringen, während es ander— 
seits erforderlich ist, ihren Preis niedrig zu halten, um ihnen 
im Wettbewerbe mit dem Backsteine zum Siege zu verhelfen. 
Diese Schwierigkeit tritt ganz besonders dort auf, wo Sand als 
Rohstoff für die Steingewinnung dient, da dann unbebingt Traß— 
mörtel, Portlandeement-Kalkgemenge oder diesen ähnliche Binde— 
mittel in Anwendung kommen müssen, um hohen Luftgehalt mit 
ausreichender Festigkeit vereinigen zu können. Deun unter An— 
wendung von Gipsmörtel fällt die Durchlässigkeit, von Kalkmörtel 
die Festigkeit zu gering und zu ungleichmäßig aus. Dagegen 
gehen manche Schlackenarten mit dem Aetzkalk derart innige Ver— 
bindungen ein, daß ausreichende Festigkeit auch ohne kostspielige 
Zuschläge erzielt werden kann. Doch ift es zur Erreichung dieses 
Zweckes erforderlich, daß sich in dem Gemenge feinste Schlacken— 
theilchen in ausreichender Menge und richtiger Vertheilung be— 
finden, da der Kalk nur auf diese Weise genügend aufschließend 
zu wirken vermag. 
Auch unter der Annahme, daß diese Grundbedingungen zur 
Erzielung brauchbarer Kunststeine erfüllt werden und die Er— 
zeugung derselben in sachkundigen Händen ruht, sodaß den je— 
weiligen Zwecken entsprechende, verschiedenartige Anforderungen 
an Festigkeit, Luftgehalt und Durchlässigkeit erfüllt zu werden 
nermögen, können derartige Steine nicht ohne Nachtheil zu allen 
Theilen eines Bauwerkes Verwendung sinden, selbst wenn es sich 
um Wohngebände der einfachsten Art handelt. 
Zunächst ist die Wasserführung all der gedachten Gemenge 
eine weit ungünstigere, als die des Ziegels. Die sowohl vom 
Geh. Medizinalrath Prof. Dr. Renk, wie vom Verfasser in Ge— 
meinschaft mit Prof. Dr. K. B. Lehmann“*) ansgeführten Unter— 
uchungen an Neubauten, wie an älteren Bauwerken haben er— 
kennen lassen, daß jede Art Mörtel das Wasser weit länger 
rückhält und tiefer in das Mauerwerk hineinführt, als der 
Ziegel. Stets zeigten die Ziegel einen weit höheren Grad der 
Trockenheit, als die sie umgebenden Mörtelbänder. Man wird 
daher Kunststeine der gedachten Art für Außenwände der zum 
dauernden Aufenthalt für Menschen oder Thiere dienenden Ge— 
bäude nur dann verwenden dürfen, wenn sie sowohl gegen das 
Eindringen von Niederschlägen, wie gegen das Aufsteigen von 
Erdfeuchtigkeit eine ausreichende Sicherung erhalten. Ein der 
Austrocknung günstiges Gefüge allein bietet für die Bewohnbar— 
keit nicht die erforderliche Gewähr, weil es die rasche Wasserzu— 
führung von den Außenflächen nach den Junenflächen der Wände 
begünstigt. Dagegen ist es für das vor Niederschlägen und Erd— 
feuchtigkeit vollständig geschützte Mauerwerk der Neubauten von 
großem Werth, und es pflegt ein die Wärmeleitung verringenden 
hoher Lustgehalt mit ihm pverbunden zu sein. 
In Hinsicht auf den Schutz gegen Wärmeübertragung durck 
Leitung ist bei gleich hohem Luftgehalte der Ziegel dem aus 
Sand und auch dem aus Schlacken hergestellten Steine über— 
legen, weil der gebrannte Thon als folcher ein schlechterer 
Wärmeleiter ist, als die Rohstoffe, aus denen jene Kunststeine 
sich zusammensetzen. Zur Erzielung gleicher Wirkung ist daher 
der Luftgehalt der Kunststeine höher zu wählen, als der der 
Ziegel. 
Völlig unbrauchbar sind die Kunststeine der gedachten Art 
zur Herstellung der Innenwäude von Lüftungs- und Rauchrohren 
Zu diesem, Zwecke brauchen wir glattwandige Körper mit dichter, 
wenn nicht undurchlässiger Oberfläche, die außerdem mechanischer 
Angriffen und den Einwirkungen hoher Wärmegrade ausreichen— 
den, Widerstand zu bieten vermögen. Die rauhen Flächen der 
Schlackensteine setzen dem Auftrieb der Luft einen zu bedeutenden 
Widerstand entgegen, geben Veranlassung zum Festsetzen von 
Rußz und Staub und, erschweren die Säuberung von ihnen. In 
Rauchrohreu wird durch rauhe Flächen ferner die Gefahr des 
Fettrußansetzens erhöht, welches wesentliche Querschnittverengun— 
gen in verhältnißmäßig kurzer Frist hervorzurufen vermag, und 
die Widerstandsfähigkeit der Kunststeine gegen mechautsche Ein— 
griffe. wie namentlich gegen die Einwirkung hoher Wärmegrade 
ist eine weitaus zu niedrige, um sie in Rauchrohren zur Ver— 
wendung bringen zu können. 
Aus den augeführten Gründen dürften die gedachten dRunst-— 
steine nur für einzelne Theile der Bauwerke oder unter ganz 
bestimmten Vorsichtsmaaßnahmen als Ersatz für Ziegel zur Ver— 
wendung gelangen, und es bedarf steis einer sehr sorgfältigen 
Erzeuguugsweise dieser Steine, wenn Zweckentsprechendes durch 
sie geleistet werden soll. 
Wo an Thon kein Mangel ist und es nur darauf ankommt, 
billige Steine zu erhalten, z. B. zum Bau von Arbeitert äusern 
in laͤndlichen Gebieten, kleinen Städten oder Vororten. wird es 
sich in vielen Fällen empfehlen, an Stelle derartiger Kunststeine 
Feldbrandziegel zu verwenden, die bei richtiger Mischung von 
Thon oder Lehm mit Mutterboden einen zur Hintermanerung, 
— 
bei der Erzengung in großem Maaßstabe sehr billig gewonnen 
werden können. 
Wo dagegen Mangel an geeigneten Rohstoffen zur Ziegel— 
herstellung vorhanden oder zu erwarten ist, oder es sich darum 
jandelt, die in Gewerbebetrieben und andernorts abfallenden 
Schlacken in nusbringender Weise zu verwerthen, ist die Kunst— 
tteinerzeugung am Platze. Hier aber gilt es durch Auwendung 
geeigneter Bindemittel und richtiger Mischungsverhältnisse Steine 
herzuͤstellen, welche den jeweilig an sie zu stellenden Auforde— 
ungen vollkommen gerecht zu werden vermögen, ständig in 
Jleicher Güte auf den Markt gebracht und nur für solche 
Zwecke empfohlen werden, für welche sie nicht nur brauchbar, 
sondern den Ziegelhn annähernd gleichwerthig sind. Handelt man 
diesen Bedingungen zuwider und sucht durch Anpreisungen allein 
Absatzgebiete zu erobern, dann werden Rückschläge sicher nicht 
ansbleiben, die der Sache mehr schaden, als die Anpreisungen 
ihr genützt haben. H. Chr. Nußbaum. 
Gewinnbetheiligung.*) 
Mit dieser nicht unanfechtbaren Wortbildung bezeichnet man 
bekanntlich die Betheiligung der Arbeiter, als Mitarbeiter, am 
Reingewinn des Geschästsbetriebs, in welchem sie thätig sind — 
in einem Gewiun, welcher, solange jene Betheiligung unterbleibt, 
dem Geschäftsinhaber allein zufällt. Eine sehr hohe Meinnng 
bon der Sache hat der Berliner Jalonsiefabrikant Heinrich Freese, 
dessen vor zwei Jahren erschienenes Schriftchen „Fabrikanteu— 
sorgen“ viel beachtet wurde. In diesem Schriftchen sagt Freese 
u. A.: „die Gewinnbetheiligung bedente eine Verbesserung des 
Lohnsystems, der eine große Zukunft beschieden ist“, ja sie stelle 
die höchste Stufe der Lohnung“ dar und sei „das wirksamste 
Htittel zur Versöhnung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter und 
eines der wirksamsten zur Hebung der Lage der arbeitenden 
Klassen.“ 
Wie wenig dieses Loblied den Thatsachen entspricht, beweisen 
folgende interessante Feststellungen. Wir entnehmen sie der 
iberaus gründlichen Studie des bayrischen Juristen Rudolf Ein— 
hauser, veröffentlicht in der Schäffleschen Zeitschrift für die ge— 
fammte Staatswissenschaft, (Jahrg. 1898, Heft J,11), wo sie 
nicht weniger als 1592 Seiten füllt. Der auffallende Umfang 
erklärt sich danaus, daß Einhauser eine große Anzahl „Gewinn— 
hetheiligungen“ (in Industrie, Landwirthschaft und Handel) in 
allen ihren Einzelheiten vorführt. — Er handelt von der „Ge— 
winnbetheiligung als Lohnsystem“, untersucht ihren „Einfluß auf 
die Arbeitsleistung und Stabilität der gewöhnlichen Angestellten“ 
(d. h. der „Arbeiler“, nicht auch der „Beamten“), betrachtet also 
die Sache vom Standpunkt des Unternehmers (Arbeitgebers), 
beantwoitet die Frage: ob sie für diesen „rentabel“ sei. Und 
da gelangt er allerdings zu dem Schluß, daß „die Gewinnbe— 
heiligung als Lohnsystem minderwerthig und unter normalen 
Verhältnissen für den Unternehmer in der Regel unrentabel sei 
Ntentabel in der Regel nur in jenen seltenen Fällen, in denen 
nach der Natur des Geschäftsbetriebs die Arbeit der maaßgebende 
Faktor für den Ausfall des finanziellen Betriebsergebnisses ist 
Hier ist sie das vorzüglichste Lohusysten, das in Anwendung 
kommen kann.“ Daher die Thatsache, daß sie in der See— 
fischerei, wo sie von Alters her eingeführt ist, mit größerem Er— 
folge wirkt. In den anderen Erwerbszweigen aber bleibt es in 
der That bei „selteucn Fällen“: unter den 55, die Einhauser 
untersucht, sind es vier. In sechs entgegeugesetzten Fällen blieb 
überhaupt jede Wirkung auf Verbesserung der Arbeitsleistung 
aus. In mittleren Verhältnissen aber, d. h wo die Bedeutung 
der Arheit für die Betriebsergebnisse weder ausnahmsweise groß 
*2) K. B. Lehmann und Chr. Nußbaum, Studien über Kalkmöstel 
und Maucrfeuchtigkeit, Archiv für Hygiene, 9. Band, S. 139 u. 228. 
*.BRVeral. Nr. 30 :31 dieses d
	        

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