Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 58, Bd. 17, 1898)

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Die Kalksandzirgel und der Kalksand-Pisebau. . Die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. 
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„diese zahlende Kalksandsteinfabrikanten können sich billige andere 
„derartige Fabrikanten setzen und Fabriken errichlen, oͤhne daß 
‚sie ihnen Jemand verwehren kann und ohne daß sie irgend 
„Jemand einen Pfennig bezahlen. Sie können genan so arbeiten, 
„wie der Nachbar, wenn auch Olschewskys Trocknerei patentiri 
„‚würde, sie können, wie sie wollen, den Kalk mit Sanud löschen 
„oder auch vorher für sich „bestens ablöschen“, kein Mensch wird 
„sie weder in dem einen, noch in dem andern Fall daran hindern 
‚können! 
Was bleibt nun noch von dem Nimbnus, mit welchem sich 
Olschewsky umgiebt, bestehen? Das Dampfberfahren ist mit 
entnommen, die Einrichtungen von mir, das Patent Pfeiffer ge— 
kauft, die Trocknerei ift alt und unnöthig. Es bleibt nur noch 
eine beispiellose und recht einträgliche Reklame!“ Die Ol— 
schewskyschen Ersindungen siud thatsächlich eine Erfindung! 
Als bekannt darf vorausgesetzt werden, daß in Berlin von 
gewisser Seite keine Bedenken getragen werden, jede bedeutende 
Neuerung anzugreifen, sofern sich der Anmelder nicht zu einer 
Verständigung herbeiläßt, in welchem Falle natürlich seine Er— 
findung in den Himmel gehoben wird. In der Regel ist eine 
Erfindung desto werthvoller, je heftiger sie angegriffen wird. Der 
Leser wird sich hiernach sein Urlheil wohl selbst bilben können. 
Am Schlusse möchte ich noch kurz auf die Errichtung von 
dalksandsteinfabriken zu sprechen kommen. 
Wie ich schon sehr oft Gelegenheit hatte, wahrzunehmen, 
werden viele Leute durch die Angabe, eine Kalksandsteinfabrik für 
Dampfbetrieb ließe sich in großemn Mäaßstab für etwa 40 000 Pif. 
—DD — Anlage, 
selbst für geringe Produktion, für 20 000 Steine pro Tag dürfte 
indessen unter 80 000 Mk. gemachten Erfahrungen zufolge nicht 
errichtet werden können. Jeder, der gesonnen ift, Kalksfaud- oder 
Kalksilikatsteine zu fabriciren, möge sich deshalb vorsehen und sich 
Garantieen geben lassen. Es ist doch leicht erklärlich, daß bei 
eder neuen Fabrikation erst Erfahrungen gesammelt und Ver— 
hesserungen gemacht werden müsfen, ehe don einer allgemeinen 
Finführung die Rede sein kaun. Die ersterrichteten Fabriken 
bleiben und sind immer die Versuchsobjekte und können natürlich 
niemals so günstig fabriciren, wie die nachfolgenden Fabriken. 
Wenn schon bei der kleinsten Nenerung die geschilderten Vorgänge 
zu-Tage treten, so ist es kaum zu verwundern, daß bei dieser 
weltbewegenden Erfindung die erste Anlagen nicht auf der Höhe 
stehen konnten, auf der die neueren Anlagen stehen. Durch lang— 
jährige Erfahrungen, durch große Opfer sind die sogenannten 
Kinderkrankheiten überwunden worden, sodaß die heutige Kalk— 
silikatsteinfabrikation, wenn richtig in die Wege geleitet, einen 
Gewinn verspricht, wie keine zweite Fabrikation duf' dem Gebiete 
des Bauwesens. Es darf indessen auch nicht verschwiegen werden, 
daß bei unzweckmäßiger und nicht fachtundiger Fabrikationsan— 
ebenso leicht die größten Kabitalien nutzlos geopfert werden 
önnen. 
Also wie, gesagt, nur Derjenige, der die Kinderkrankheit mit— 
gemacht hat, ist im Stande, allen Ansprüchen vollauf gerecht 
zu werden. 
Es dürfte deshalb die Leser interessiren, zu erfahren, daß 
meine fämmtlichen Patentrechte an die „Klebersche Kommandit— 
gesellschaft „Marx Schirp u. Co., Mainz, Bingerftraße 45* über— 
tragen sind, und daß ich derselben immer mit meinen Erfahrungen 
zur Seite stehen werde. Besagte Firma bezweckt die Ertichtung 
von Fabriken, Ausarbeitung von Projekten, Verkauf von Licenzen 
u. s. w. und ist gern beteit, mit allen nur wünschenswerthen 
Details den Interessenten an Hand zu gehen. 
Für Ausarbeitung von Projekten hat der Interessent nicht 
mehr zu zahlen, wie er jedem anderen Ingenieur auch zahlen 
müßte. Licenzgebühr wird nur bei Bestäligung des Vatentes auf 
die Dauer derfelben erhoben. 
Von den vielen Projekten, welche in Arbeit sind, will ich 
nur eins hervorheben. Es ist dies eine für größere Städte be— 
stimmte Anlage für 60 Millionen Jahresproduüktion. 
Der Arbeitslohn stellt sich hierbei auf 2,00 Mek. p. mille Steine 
An Sand sind erforderlich, ein Sand— 
feld zu Grunde gelegt, 2 c 
à 30 pf. —677 
An Kalk, wenn selbst gebraunt, 5 Etr. 
0,80 Mt. .. . .. 1,75 
An Dampf für Betrieb und Er— 
härtung — 1,00 
d. 5, 1 2 4 4 ⸗ 
Rechne ich hierzu reichlich 3.58 Mk. Amortisation pro 
nille zur Ahrundung, su dürften selhst hei einem Verkqufspreis 
don 12 Mk. pro mille, gleich dem durchschnittlichen Herstellungs— 
breis gewöhnlicher Thonziegel, immer uoch 1860 Mit, Gewinn 
verbleiben. 
Diese Aufstellung klingt fabelhaft, thatsächlich liegen aber 
die Verhältnisse bei einer derartigen große Anlage ungeheuer 
jünstig. Es muß zugegeben werden, daß man erst einntal mit 
30 Miillionen Steinen beginnen muß und dann erst nach und 
nach die volle Produklion auf den Markt bringt, was den ge— 
machten Erfahrungen zusolge nicht schwer halten dürfte. 
Des Oefteren bin ich gefragt worden, warum ich nicht mit 
in Kesseln abgelöschtem Kalk arbeite. Ich habe meine dagegen 
prechenden Gründe auseinandergelegt, verfehle aber hier nicht 
zu erwähnen, daß die besagte Kommanditgesellschaft auf Wunsch 
hereit ist, ihre Anlagen auch so einzurichten, daß Kalk für sich 
nn einem Kessel „bestens vorher abgelöscht“ und denn erst mit 
Sand zu Steinen und allen beliebigen anderen Gegenstäuden ge 
ormt wird 
Die Versichernug gegen Arbeitslosigkeit. 
II. (Schluß.) 
Einen ganz ähnlichen Gesesentwurf hat vor Kurzem der 
Stadtrath der Stadt Zürich fertiggestellt. Der Gesetzentwurf um— 
'aßt nur fünf Paragraphen, welche den Gemeinden das Riecht 
zur obligatorischen Arbeitslosenversicherung gewähren, die Grund— 
züge für eine besondere Verordnuug über die Gestaltung der 
Versicherung im Einzelnen enthalten und den Gemeinden den An— 
pruch auf einen angemessenen Staatsbeitrag an die Arbeitslosen— 
ersicherung einräumen. Die Verordnuug umfaßt 339 Arrikel. 
SZie erklärt alle Lohnarbeiter beiderlei Geschlechts, welche in der 
Stadt Zürich wohnen und arbeiten, vom vollendeten 16. Alters— 
ahre an bis zu einem durchschnittlichen Tagesverdienst von 
»Fres. (4 Mk.) versicherungspflichtig; die Bauarbeiter unterliegen 
iber auch dann der Versicherungspflicht, wenn ihr durchschnittlicher 
Tagesverdienst mehr als 5 FIres. ihr Jahreslohn jedoch nicht 
nehr als 2000 Fus. beträgt. Ausgeschlossen von der Versichc— 
ung sind Wanderarbeiter im Baugewerbe, sowie die minder— 
ährigen Arbeiter und Arbeiterinnen mit einem durchschnittlichen 
Tagesverdienst von weniger als 2 Fres. Die Arbetter der Bau— 
gewerbe bilden eine und alle übrigen Arbeiter eine zweite Gruppe. 
Mit der Versicherungsanstalt wird auch ein Arbeitsnachweis ver— 
hunden. Die Verwaltungs-Kommission besteht aus 17 Mitgliedern, 
10 davon wählen die Arbeiter, 6 die Unternehmer und l den 
Vorsitzenden, der Stadtrath. Die Kommissionsmitglieder be— 
ziehen ein Sitzungsgeld von 4 Fres. Den Verwalter wählt auf 
Vorschlag der Kommission der Stadtrath; seine Jahresbesoldung 
»eträgt 35000 bis 5000 Fres. Für die Beiträge ist jede der 
»eiden Gruppen in drei Lohnklassen eingetheilt. Die Versicherten 
der ersten Gruppe zahlen bei einem Taglohn von 3 Fres. 
10 Ets. (8 Pf.), bis 4 Fres. 15 Ets., bis 5 Fres. 20 Ets.; der 
zweien Gruppe (Bauarbeiter) 30, 45 und 60 Ets. wöchentlich. 
Die Unternehmer haben für jeden Versicherten der ersten Gruppe 
10 und der zweiten Gruppe 30 Ets. wöchentlich zu den Wochen— 
heiträgen der Arbeiter zu leisten. Die Stadt trägt die Kosten 
der Verwaltung und leistet außerdem im ersten Jahre einen Bei— 
frag von 70 000 Fres., später je ein Fünftel der Versicherungs— 
ausgaben des Vorjahres, immerhin nicht weniger als 30 000 Ir. 
und nicht mehr als 70 000 Fres. Nach 26wöchentlicher Beitrags— 
seistung wird der Versicherte unterstützungsberechtigt, und zwar 
ür die Dauer von 60 Tagen. Die tägliche Unterstützung beträgt 
in der J. Klasse 1,20 Fres, (90 Pf.), für Arbeitslose, welche An— 
gehörige zu ünterhalten haben, 1,50 Fres., in der II. Klasse 
i,A0 Fres, resp. 1,80 Fres,, in der III. Wlasse 1,300 Fres, resp. 
2,20 Ircs. Nach sechstägiger Arbeitslosigkeit hat jeder Versicherte 
Anspruch auf Unterstützung, wenn ihm nicht eine seinem Berufe 
ind seinen Kräften angemessene Arbeit zu den nach Ort und 
Jahreszeit üblichen Löhnen angewiesen werden kaun. Die Ver— 
icherungsanstalt darf Arbeitslosen nicht Stellen anbieten, die 
zurch Streik der Arbeiter oder durch Aussperrung seitens der 
Unternehmer frei geworden sind. Dagegen werden Streikende 
nicht unterstützt. Ein etwaiger Einnahmeüberschuß der Jahres— 
echnung wird zur Bildung eines Reservefonds verwendet, bis 
er letztere die Höhe von 300000 Fres erreicht hat. Ist diese 
Höhe erreicht, so können entweder die Arbeciterbeiträge redncirt 
»der die hüterstützungsbeiträge erhöht werden. Anderenfalls 
önnen auch die Beiträge erhöht, respektive die luterscützung ver— 
mindert werden. Zuwiderhandlungen gegen die Verorduung 
rönnen mit Polizeibuße bis zu 500 Fres. bestraft werden. 
Nach ver beidegeheuen Begründung kommen 20000 w
	        
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