Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 58, Bd. 17, 1898)

Reichsversicherungsgeseß. — Der bürgerliche Barock-Baustyl. — Entscheidung. 
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tücken um Sicherung eingetragener Forderungen handelt. Das 
vird aber fast immer der Fall sein, so lange die Versicherungs— 
anstalten ihre Kapitalien zur Beleihung von Baustellen und Her— 
jabe von Baugeldern verwenden dürfen. Soll die erwähnte Be— 
timmung des Entwurfes daher den ohne Zweifel gewollten Zweck 
erfüllen, so muß, will man, was das Einfachste wäre, den Ver— 
sicherungsgesellschaften nicht kurz und bündig die Beleihung von 
Baustellen und die Hergabe von Baugeldern untersagen, zum 
Mindesten jede Befreiung von der behördlichen Zustimmung beim 
Frwerb von Grundstücken unter allen Umständen beseitigt werden. 
Dies wäre um so gerechtfertigter, weil es gar nicht Aufgabe der 
Versicherungsgesellschaften sein kann und darf, mit den ihnen 
anvertrauten Geldern indirekt Bauspekulationsgeschäfte zu be— 
reiben. Die hierin liegende Gefahr wird nur theilweise, nämlich 
hinsichtlich der Prämienreserve der Gesellschaften durch die Ent— 
vurfsbestimmung beseitigt, daß jene nur nach den für die An— 
ijage von Muündelgeldern geltenden Bestimmungen festgelegt 
werden darf. 
Zustimmen kann man dagegen dem 8 10 des Entwurfes, 
nach welchem dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des Ver— 
rages ein Exemplar der allgemeinen Versicherungsbedingungen 
jegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt werden muß. Es 
wäre nur hinzuzufügen, daß zwischen der Aushändigung der Be— 
dingungen und dem Abschluß eine Frist von etwa 356 Tagen 
liegen muß, um die in dieser Bestimmung liegende Absicht auch 
zu verwirklichen und dem Versicherungsnehmer Gelegenheit zu 
geben, die Verpflichtungen, welche er durch den Vertrag übernimmt, 
in Muße zu überlegen und in Freundes- und Bekanntenkreisen 
ich über die gegenwärtig außerordentlich komplizirten Be— 
»ingungen und Berechnungstabellen Rath zu holen. Die Her— 
zjabe seiner Unterschtift als Empfangsbescheinigung der Ver— 
icherungsbedingungen wird ihn veranlassen, genau von deren 
Inhalt Kenntniß zu nehmen. 
Ein bedenklicher Weg mancher Versicherungsagenten, Pro— 
zisionen zu verdienen, ist die in Zeitungsanzeigen oder auf andere 
Weise angebotene Bereitwilligkeit zur Hergabe von Darlehen, 
venn der Darlehenssucher sich bei der von dem betreffenden 
Agenten vertretenen Gesellschaft, natürlich möglichst hoch versichern 
äßt. Gegen diese Ausbeutung der wirthschafilichen Nothlage 
eines Dritten läßt der Entwurf leider jdde Maaßnahmen verm'issen, 
und da wäre zu empfehlen, alle Versicherungsabschlüsse, denen 
Darlehnsgeschäfte zu Grunde liegen, von vornherein als null 
und nichtig zu erklaͤren. Eine strafgesetzliche Verfolgung findet 
gegenwärtig nur bei gleichzeitigem Vergehen gegen das Wucher— 
gesetz statt. 
Der vorliegende Entwurf wird sonach, wenn er gleich im 
Hanzen als Fortschriti der Reichsregierung auf dem Wege ge— 
sunder Wirthschaftspolitik zu begrüßen ist, in manchen Theilen 
uoch erheblicher Abänderungen bedürfen. 
(Grundeigenthum, Zeitschrift für Hausbesitzer.) 
Stadthauamt unternommen und hat sich, um „modern“ zu sein, 
den bürgerlich barocken Baustyl geschaffen. Es wurde schon zu 
ziel des Guten in den verschiedenen Blättern für und wider den— 
elben geschrieben, sodaß es unnütz wäre, mehr Worte noch zu 
zerlieren. Doch was genirt die Herren „Auchkünstler“ das Ge— 
chreibe der Zeitungen und die Kritik der Leute. Die Herren 
Künstler“ sind sich ihrer Werke wohl bewußt und wissen ebenso, 
aß sich eine Gemeinde frommer Nachbeter finden; denn kein 
Ding ist zu dumm, es findet doch sein Publikum. 
Endlich aber wäre es für die maaßgebenden Behörden denn 
»och am Platze, mit kräftiger Hand den Augiasstall der „Auch— 
ünstler“ zu säubern, wenn sie verhindern wollen, daß die „Kunst— 
tadt“ München nicht ganz dem Fluch der Lächerlichkeit anheimfällt. 
Früher schon theilten wir unseren Lesern eine Aeußerung des 
Stuttgarter Oberbürgermeisters v. Rümelin mit, die er anlässig 
»er Ausschreibung einer Konkurrenz für einen städtischen Monu— 
nentalbau machte. Er sagte damals, Münchener Architekten 
nöchten der Konkurrenz fern bleiben. Und was man damals in 
der schwäbischen Hauptstadt dachte, dasselbe denkt man anch heute 
n Hamburg. So schreibt der in Hamburg erscheinende nord— 
)eutsche Baugewerksanzeiger in seiner Nr. 46: 
„Der neue Baustyl: Beéefsteak à la Tartar. Bis zu 
velchen Sonderbarkeiten sich der sogenannte bürgerlich-barocke 
Baustyl Münchens auszuwaächsen vermag, zeigt trefflich der Neu— 
»au des Sangtoriums in Harlaching bei München. Vor die 
Fassade des Hauptgebäudes ist ein ganzer Schutthaufen von 
othen Dächelchen gebaut, auf jedes Dächelchen sind wieder etliche 
Thürmelchen und Dächelchen gepflanzt und auf diesen kleinen 
Dächelchen befinden sich noch kleinere Dächelchen. Das Ganze 
ieht, von geringer Entfernung aus betrachtet, einer Riesenportion 
Beefstéak à la Tartar mit Senf, Kapern und Zwiebeln garnirt, 
zerzweifelt ähnlich. Um die Täuschung noch drastischer zu machen, 
rrhebt sich mitten in diesem rothen formlosen Haufen ein hoher 
chlanker Kamin: das chinesische Eßstäbchen im gehackten Rind— 
leisch. — Ueber den Macher dieses wunderlichen Bauwerkes 
vollen wir den Mantel christlicher Liebe breiten.“ 
Nord und Süd sind sich also einig in ihrem Urtheil, nur 
in der „Kunststadt“ München scheint man den Spruch: Discite, 
nmonitin(seid gewarnt!) nicht zu kennen oder kennen zu wollen, 
zis vielleicht das: sero medicina paratur (dem Kränken muß 
Heilung bereitet werden) ganz plötztich in entsetzlicher Klarheit 
vor Augen steht. 
So zeigt es sich eben auch hier, daß große Erbschaften 
leichter verbraucht als erhalten oder gar vermehrt werden können. 
(„Müuchener Bauzeitung.“) 
Enktscheidungen. 
Ein Rechtsstreit über die Beseitigung von Schaden, 
velche einem Hause durch einen auf dem Nachbar— 
Brundstück ausgeführten Bau erwachsen sind, hat sich 
vor kurzem vor dem Amts- und Landgericht zu Halle a. S. ab— 
jespielt. Von dem Amtsgericht war der Kläger mit seinem An— 
pruche auf Schadenersatz abgewiesen worden, weil nicht festge— 
tellt war, daß die Beklagten bei Ausführung der Ausschächtungs— 
arbeiten zu jenem Neubaue die räumlichen Grenzen ihres Grund— 
tückes überschritten oder die landrechtlichen Vorschriften über das 
dachbarrecht verletzt und wider die anerkannten Regeln der Vau— 
unst, bezw. die Vorschriften der Baupolizei, gefehlt hätten. Die 
n dem Nachbarhause entstandenen Schäden (Risse u. s. w.) seien 
haher nur als ein bei Ausübung des Baurechtes der Beklagten 
ntstandener Zufall anzusehen. — Das Landgericht hat in der 
Zerufungs-Instanz dieses Urtheil aufgehoben und die Begründung 
»esselben für unzutreffend erklärt. Der Nachweis, daß durch 
enen Bau ein Schaden an dem Nachbarhause entstanden sei, ge— 
tüge an sich schon, um den Bauherrn ersatzpflichtig zu machen; 
enn die Ausübung des Eigenthumsrechtes unterliege einer Ein— 
yränkung, wenn sie nicht ohne wesentliche Schmälerung eines 
remden Rechtes möglich sei. In einem ganz ähnlichen Falle 
J-MaBl. 1894 S. 21) habe daher das Reichsgericht dem 
vigenthümer eines Hauses, das infolge der Erschütterungen durch 
ie vorbeifahrenden Eisenbahnzüge Risse und Sprünge bekommen 
jabe, Entschädigung durch den Eigenthümer der Esenbahn zu— 
gesprochen 
Der bürgerliche Baroch-Bauftyl. 
In allen Tonarten hört man singen und sagen, daß München 
ine Kunststadt sei, und es wäre thöricht, zu leugnen, daß es 
dieses gewesen. Zu gewaltig war die Einwirkung, welches 
VGayerns kunstfinniger König Ludwig J. auf Munchens Ausge⸗ 
taltung genommen hatte. Mit feinem Verständniß wußte er 
Talente zu entdecken, Künstler an seinen Hof zu fesseln, mit frei⸗ 
Jebiger Hand unterstützte er dieselben in ihrem Schaffen; es ent⸗ 
standen Monumentalbaͤuten, Denkmäler u. deral. München ging 
als Stern erster Größe am Kunsthimmel auf und sein Ruf als 
„Kunststadt“ war begründet. Tausende und aber Tausende 
trömten alljährlich nach München, um mit eigenen Augen das 
GBeschaffene zu sehen und anzustaunen. Aber schon lange, viel 
zu lange ist König Ludwig J. gestorben und in den Maucru seines 
zeliebten Münchens hat fich ein „Auchkünstlerthum“ breit gemacht, 
das zu schweren Bedenken Anlaß giebt. Die „modernen“ Künstler 
haben sich am Karlsplatz ein eigenes Heim geschaffen, das so 
recht als Wahrzeichen der „modernen“ Kunststadt nach außen 
zelten kann. Staatsbauten, die Millionen verschlungen, sind ent— 
standen, und ihr Erbauer muß felbft zugeben, daß das Ganze 
ein Konglomerat von allen möglichen und unmöglichen Styl— 
arten ist; mit Argusaugen wacht man darüber, daß der alte 
Trümmerhaufen, auch Sendlingerthor genannt, ja nicht von seinem 
Platze kommt, ebensowenig wie man zugeben kann, daß die 
zäzliche Mauer an den Propyläen entfernt werde.“ „Und wo 
Alles liebt. kann Karl allein hicht hasfen“ So hat s quch unsg
	        

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