Jur Hygicne der Arbeit. —— Einige Bemerkungen über das deutsche Fachichulwefen.
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Uebergehend zu der Frage, mit welchen Wafien und Werk—
zeugen dieser Feind unserer Arbeitsfahigkeit bekämpft werden
fann, so können zunächst jene Hilfsmittel als gelegentliche dürftige
Nothbehelfe gelten, welche die Erscheinnngen der Ermüdung zu—
rückdrängen, hhne doch den gefunkenen Kraftvorrath zu erhöhen.
Dahin gehören vor allem die Willensanstrengungen und die Ge—
müthsbewegungen; sie dürfen aber nur eine seltene Ausnahme—
maaßregel bilden, wenn sie nicht zu tiefgreifenden Schädigungen
führen sollen. Ganz ähnlich verhält es sich mit jenen Arzueien
ind Genußmitteln, denen mit mehr oder weniger Recht ein gün—
stiger Einfluß auf die Arbeitsfähigkeit nachgerühmt wird. Hieher
dehört zuerst der Alkohol, welcher so häufig zur Erhöhung der
Arbeüskraft genossen wird. Im Gebiet der geistigen Arbeit
wenigstens ist das cin überaus folgenschwerer Irrthum; schon
durch verhältnißmäßig kleine Mengen geistiger Getränke wird
alle eigentliche Denkarbeit sofort und nachhaltig erschwert. Ein
wenig anders ist es bei der Muskelarbeit, wo zwar die Kraft—
leistung auch zweifellos herabgesetzt wird, wo man aber unter
dem Einfluß des Alkohols im Stande ist, längere Zeit hinter
einander fortzuarbeiten; aber auch hier bleibt ein späterer, Rück—
schlag nicht aus. Taß der Mißbrauch des Alkohols in der
Arbeitskraft unseres Volkes ungeheuren Schaden anrichtet, ist
Jenugsam bekannt.“) Sehr viel harmloser sind Kaffee und Thee,
welcher einerseits die geistige Arbeit erleichtern, andererseits auch
die Kraftleistung der Muskeln steigern. „Ob dabei wirklich eine
bessere Ausnützung der versügbaren Kräfte oder eine Verschleuderung
derselben stattfindet, die sich späterhin rächt, ist zur Zeit noch nu—
bekannt. Man thuüt indessen gut, allen solchen künstlichen Ein—
grifien in unsere Arbeitskraft mit einigem Mißtrauen zu be—
gegnen“, insbesondere gilt das aun für den Tabak.
Das natürlichste und wirksamste Kampfmittel gegen die Er—
müdung ist die Ruhe. Den Muskel, den wir soeben bis zur
völligen Leistungeunfähigkeit angestrengt, sehen wir nach einer
Pause von 5—10 Minuten die Arbeit mit voller Kraft wieder
aufnehmen. Auch bei geistiger Thätigkeit wird durch das Ein—
schieben von Ruhepausen die Leistungsfähigkeit gesteigert. Hin—
sichtlich der Länge der Pausen wurde ermittelt, daß bei der regel—
mäßigen Hebung eines Gewichts von 6 8 10 Seknnden Ruhe
zwischen den einzelnen Hebungen ausreichen, um auf absehbare
Jeit den Eintritt von Ermüdungszeichen zu verhüten. Ein voll—⸗
kommener Ausgleich der Ermüdung ist nur durch den Schlaf zu
erreichen.
Der Ersatz der verbrauchten Kraftvorräthe in Gehirn und
Muskel geschieht zunächst aus den im Blute verfügbaren Be—
ständen, dann durch die Nahrungszufnahme. Einen großen Ein—
fluß auf die Ermüdbarkeit bewirkt die Uebung. „Nicht mit Un—
recht sprechen wir davon, daß eine häufig wiederholte Thätig—
keit uns schließlich in Fleisch und Blut übergeht; die Verrichtung
übht einen formenden Einfluß auf das Gewebe.“ „Je einge—
uͤbter ein Vorgang ist, desto leichter geht er von Statten und
desto geringfügiger sind die durch ihn hervorgernfenen Ermü—
dungserscheinungen.“
Aus den vorstehenden Untersuchungen ergeben sich folgende
praktische Rathschläge für die Gestaltung unserer Arbeit. Freilich
läßt sich sogleich die erste Frage, diejenige nach der richtigen
Länge der Arbeitszeit, von der Wissenschaft nicht beantworten.
„Die Umstände, welche die Ermüdungswirkungen einer Arbeit
bestimmen, sind so verwickelte, daß sich allgemein giltige Grenzen
für die zulässige Arbeitsdauer schwerlich jemals werden abstecken
lassen.“ Was sodann die Arbeitspausen betrifft, so ist man
auch noch nicht über die alltägliche Erfahrung hinausgekonmien,
daß Arbeitspausen erst nach längerer Thätigkeit vortheilhaft sind
und daß sie bei schwerer Arbeit häufiger und läuger sein müssen
als bei leichter: aber guch hier spielt die Individualität eine
große Rolle, sowie die Frage nach dem Werthe der Arbeit und
bei letzterem Punkte auch die Art des Schlafes. wodurch die
rinen ihr Arbeitsmaxrimum am Morgen, die Andern am Abend
saben. Im Allgemeinen erscheint aber die Leistungsfähigkeit
der Morgenarbeiter größer und gleichmäßiger und ist darum die
Erziehung zur Morgenarbeit zu begünstigen, was vor allem
durch die Sorge für rasches Erreichen der größten Schlaftiefe
nach dem Niederlegen geschieht. „Freilich kennen wir die Mittel
noch nicht, die uns diesem Ziele naher bringen, aber wir wissen
doch, daß die vornehmlichste Bedingung für das Eintreten des
Schlafes vollkommene Seelenruhe ist.“
Auch die zweckmäßige Vertheilung der Mahlzeiten ist wichtig.
Da die Nahrung die Ermüdbarkeit herabsetzt, werden sehr er—
müdbare Personen gut hun, in kürzeren Pausen kleinere Mengen
Nahrung zu sich zu nehmen. Iweckmäßig ist die englische Sitte,
am Mogen bald vor der Arbeit einen kräftigeren Imbiß zu
nehmen; Versuche haben gezeigt, daß dadurch die Leistungsfähig—
teit nicht nur bei körperlicher, sondern auch bei geistiger Arbeit
nachhaltig gesteigert wird. Die Verlegung der Hauptmahlzeit
n die Mitte des Tages hält der Verfasser ebenfalls auf Grund
von Versuchen für vortheilhafter, als ihre Verschiebung an das
Ende der Arbeit.
Von der größten Bedeutung ist die Art der Erholung.
Wer seine Arbeitskraft zu ernsten Zwecken ausnutzen will, darf
sie nicht in den Pausen vergeuden. „Nur dann wird die Arbeit
zum Vergnügen, wenn das Vergnügen nicht zur Arbeit wird“.
Verfasser entdeckte zu seinem nicht geringen Staunen durch
Messen, daß ein zweistündiger Spaziergang die geistige Leistungs—
fähigkeit in demselben Maaße herabsetzte, wie einstündiges Ad—
diren. Deshalb sollen weitere Wanderungen, anstrengendere
ünstlerische Genüsse nur an den Schiuß der Arbeit verlegt
werden und sollen keine Ermüdungswirkungen erzeugen, welche
die Nacht überdauern. Die Beurtheilung der Erholungsbe—
chäftigung darf aber nicht allein ihre Ermüdungswirkung berück—
ichtigen; ebenso wichtig ist auch die Bedeutung, die sie für die
Aufftischung der Arbeitsfreudigkeit hat. Die Arbeitsfrendigkeit
kaun zwar bis zu einem gewissen Grade durch Pflichttreue er—
etzt werden. Allein für die höheren und schwierigeren Arbeiten
pielt die Freudigkeit, mit der wir bei dem Werke sind, doch un—
‚weifelhaft eine wesentliche Rolle und diese Arbeitsstimmung
bleibt anf die Dauer nur erhalten, wenn wir Abwechslung in
insere Thätigkeit bringen. So ist für die dauernde Erhaltung
der geistigen und körperlichen Frische die Nebenbeschäftigung, die
Zerstrenung, das Vergnügen keine entbehrliche Zugabe, sondern
unerläßliche Bedingungen, wenn wir vollentwickelte Menschen
und nicht Arbeitsmaschinen heranziehen wollen. —
Zum Schlusse spricht der Verfasser noch von der Erziehung
zur Arbeit. „Nur durch die Uebung wachsen die Kräfte; alle
geistigen und körperlichen Gaben verkümmern, wenn wir sie nicht
entwickeln und pflegen. Jeder Stillstand in unserer Arbeit, der
nicht durch die Rücksicht auf die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit
geboten ist, bedeutet einen unersetzlichen Verlust, da wir nur die—
fenigen Kräfte wirklich besitzen, welche wir uns in stetem Ringen
»on Neuem erwerben. Schon das Spiel des Kindes soll dessen
räfte üben, seine Widerstandsfähigkeit steigern, seinen Willen
eutnickeln. Auch von der Schule werden wir fordern, daß sie
die Jugend vor allem zur Arbeit tüchtig macht. Nicht die Kennt—
nisse sind der werthvollste Gewinn, den der Schüler ins Leben
nuit sich nimmt, sondern die gefestigte und erprobte Arbeitskraft.
Diejenige Schule wird den nachhaltigsten und segenreichsten Ein—
fluß auf ihre Zöglinge ausüben, die am rücksichtslosesten Er—
weckung und Uebung aller schlummernden Kräfte über die An—
häufung gelehrten Wissens stellt.“
Einige Bemerkungen über das deutsche
Fachschulwesen.
5) Es mag bei diesem Anlaß auch wieder einmal daran erinnert
werden, daß nach einer von Dr. Bode anzestellten Rechnung das deutsche
Volk jährlich vertrinkt zund: 65141 Millionen / Branntwein, 5287 Miilli—
onen / Bier und 322 Millionen Wein. Das macht auf den Kopf der
Bevolkerung (wohlgemerkt: die mäßigen Weiber und Kinder miteinge—
ichlossen! jährlich 13.24 Branntwein, 105.35 Bier und 6344 Wein.
Bezahlt werden jür diese Getränke in Deutschland jährlich etwa21 Milli—
arden Mk. Zu dieser baaren Ausgabe muß noch der zahleumäßig unfar—
bare Betrag für durch Truntsucht versäumte Arbeit, weiter für Heilkosten
und hundertjaches anderes wirthschaftliches Ungemach, welches durch gei—
stige Getränke veranlaßt ist, hinzugerechnet werden. Es ist daher leicht
zu verstehen, wenn der Kanzler der Universität Tübingen, G. Rümelin,
einst schrieb, daß es in hervorragender Weise auf die Liebe des deutschen
Volkes zum Trunk und Wirthshausleben zurückzuführen sei, wenn sein
Wohlitand und Erwerb hinter dem mancher Rachbarvölker zurücfftehe
Vor einiger Zeit tagte in Kassel eine Versammlung des
Vorstandsrathes des Vereins dentscher Ingenieure, welche sich nach
„Uhlands Ind. Rundschau“ unter anderem auch mit der Frage
iner gedeihlichen Weiterentwickelung des deutschen Fachschulwese us
yeschäftigte. Bei der Bedeutung, die dieser Gegenstand auch für
veitere Kreise hat — beruht doch die erfreuliche Ueberlegeuheit,
velche unsere Industrie zum Nutzen des ganzen deutschen Vater—
audes im Weltwelitbewerb zeigt, zum großen Theile auf der
hesseren fachlichen Vorbildung der deutschen Techniker — dürfte
ein kurzer Ueberblick über den augenblicklichen Stand dieser Au—
Jelegenheit nicht überflüssig sein.
Als Deutschland in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts
sich zu einem Industriestaate entwickelte, machte sich das Beduͤrf—
niß geltend, neben den technischen Hochschulen noch andere Bil—