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Abteilung IV.
dem Opisthodom. Die Seitenhallen sind schmal.
Wegen der Sechssäulenfront nennt man einen
solchen Typ: Hexastylos.
Fig. 6. Pseudoperipteros. Statt der rings
um offenen Säulenhalle, dem ewig schönen und
erhabenen Ausdruck des griechischen Tempels,
umgibt hier eine geschlossene Wand mit Halbsäulen
den Bau. Das ist also kein wahrer Periptores mehr,
er wiederholt nur die Reihung der Säulen; daher
nennt man ihn einen falschen oder Pseudoperi
pteros. Auch sonst ist seine Orundrißgestalt wegen
der übermäßigen Größenverhältnisse anormal.
Fig. 7 u. 8. Pseudodipteros und Dipteros
(zugleich Hypäthros). Rückt die umgebende Ring
halle so weit von der Cella ab, daß eine zweite
Reihe von Säulen noch eingestellt werden könnte,
so entsteht entweder bei fehlender zweiter Reihe
der Pseudodipteros, d. h. der scheinbare doppelte
Säulenring, oder, wenn die Reihe vorhanden ist,
der wirkliche Dipteros. Beide Male muß die Schmal
seite aber mindestens 8 Säulen zählen, oft sind es
sogar 10, sonst würde die Cella zu schmal. Dipteros
und Pseudodipteros sind also Tempelformen fürgrö
ßere Anlagen. Beide kommen hauptsächlich in Klein
asien vor. ln Athen war der olympische Zeustempel
ein Bau mit achtsäuliger Front, Oktastylos (der
Grundriß Fig. 8 ist also nicht richtig); dagegen war
das Didymaion bei Milet ein Dipteros-Dekastylos.
Was das Hypäthron anlangt, so ist nur kurz zu
sagen, daß nach den neuesten Forschungen die hypä-
thrale Beleuchtung der Cella (also mit offenem Dach)
eine unmögliche und unbeweisbare Annahme war,
der allzulange Glauben geschenkt wurde. Der grie
chische Tempel hatte stets eine dunkle Cella ohne
Dachoberlicht. Im sonnenreichen Süden erhellte das
durch die sehr groß angelegten Türen einströmende
Reflexlicht den Raum der Cella genügend.
Tafel 3. Dorischer Tempel C in Seli-
nunt. Altertümliche Grundrißform. Außer der
doppelten Säulenreihe an der Ostfront ist auch
die schmale Gestalt der Cella mit Pronaos A
ohne Säulen und mit dem Adyton C ungewöhn
lich. Doch sind das Eigentümlichkeiten, die an
mehreren westgriechischen Bauten Vorkommen.
Das Pteron ringsum ist weiträumig wie ein zu
großer Mantel für den schmalen Leib. Bei genauer
Betrachtung fällt es auf, daß die Säulen an den
Fronten viel weiter gestellt sind als an den Langseiten.
An der Ostfront ist die Stufenzahl verdoppelt.
Dorischer Tempel zu Bassae bei Phi-
galeia. Normale Grundrißform im 5. Jahrhundert
soweit es sich um die Pteristasis handelt. Die
Cella selbst ist äußerlich normal zweistirnig, im
Innern jedoch ungewöhnlich: Raum b wird durch
eine Stützenstellung gegliedert; der Raum bb da
hinter mit eigenem Seitenausgang ist die Kapelle
für das Kultbild. Es ist ungewiß, ob das von
vortretenden Wandsäulen getragene Gebälk mit
reichem Fries eine Balkendecke aufnahm, oder
ob der Raum als offener Hof zu denken ist.
Korinthischer Tempel zu Labranda in
K1 e i n a s i e n. Das Grundrißrechteck wird in helle
nistischer Zeit immer kürzer und breiter: in Selinunt
war es fast 1:3, in Bassae 1 :2 '/s, in Labranda
ist es nicht einmal mehr 1:2. Die Anordnung
gleicher Säulenabstände ringsherum, völliger axialer
Bindung der Cellawände mit den Säulen der Ring
halle ist für ionische und korinthische Tempel
schon im 4. Jahrhundert charakteristisch. Der
Pronaos ist tief, der Opisthodom nur seicht.
Tafel 4. Griechische Tempel und Tempel
bezirke.
Parthenon in Athen. 8x17 Säulen in
gleichmäßig ringsumlaufender Halle; Grundrecht
eck 4:9. Die amphiprostyle Cella enthält einen
100 Fuß langen Hauptraum — Hekatompedon —
der durch eine innere zweistöckige Stützenstellung
geteilt wird in einen Mittelsaal mit umlaufenden
Seitenschiffen. Hier stand das Goldelfenbeinbild der
Athena, das Phidias im Jahr 438 vollendete. Vom
Opisthodom aus zugänglich dagegen war der eigent
liche Parthenon, d. h. Jungfrauengemach. Vier ioni
sche Säulen trugen seine Decke. Die Vorhallen waren
wegen der Aufstellung von Weihgeschenken und
sonstiger Verwendung zu Amtsgeschäften durch
hohe Gitter zwischen den Säulen geschlossen.
Ionischer Dipteros bei Milet. Der bereits
genannte Dipteros-Dekastylos des Apollon in Di-
dymae war einer der größten antiken Tempel; er
teilte aber mit anderen ähnlich großen Schöpfungen
das Los, unvollendet zu bleiben, während der kleinere
Parthenon in Athen bis auf die letzten Einzelheiten
durchgeführt und fertig geworden ist. Das zu große
Wollen ging über die Kraft der Bauleute hinaus. Der
doppelte Säulenkranz umgab einen weiten, offenen
Hofraum, der tief lag. Zu ihm führte aus einem Vor
saal eine mächtige Freitreppe hinunter; ein kleiner
Tempel erhob sich in seiner Mitte, das alte Kultbild
umschließend. Vom Pronaos A, einem förmlichen
Säulensaal, gelangte man mittels tunnelartiger abstei
gender Gänge zu beiden Seiten des Vorsaales direkt in
den hofartigen Raum, denn die große Schwelle der
Tür des Vorsaales lag so hoch, daß man vom Pronaos
aus zwar in den Vorsaal hineinsehen, aber nicht hin
eingehen konnte. Der Grundriß auf unserer Tafel ist
durch die neuen deutschen Forschungen überholt.
Akropolis in Athen. Der kleine Plan
gibt die Lage der wichtigsten Gebäude auf dem
berühmtesten aller Burgberge. Die Einzelheiten
sind heute nach den Ausgrabungen genauer