Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

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Abteilung IV. 
dem Opisthodom. Die Seitenhallen sind schmal. 
Wegen der Sechssäulenfront nennt man einen 
solchen Typ: Hexastylos. 
Fig. 6. Pseudoperipteros. Statt der rings 
um offenen Säulenhalle, dem ewig schönen und 
erhabenen Ausdruck des griechischen Tempels, 
umgibt hier eine geschlossene Wand mit Halbsäulen 
den Bau. Das ist also kein wahrer Periptores mehr, 
er wiederholt nur die Reihung der Säulen; daher 
nennt man ihn einen falschen oder Pseudoperi 
pteros. Auch sonst ist seine Orundrißgestalt wegen 
der übermäßigen Größenverhältnisse anormal. 
Fig. 7 u. 8. Pseudodipteros und Dipteros 
(zugleich Hypäthros). Rückt die umgebende Ring 
halle so weit von der Cella ab, daß eine zweite 
Reihe von Säulen noch eingestellt werden könnte, 
so entsteht entweder bei fehlender zweiter Reihe 
der Pseudodipteros, d. h. der scheinbare doppelte 
Säulenring, oder, wenn die Reihe vorhanden ist, 
der wirkliche Dipteros. Beide Male muß die Schmal 
seite aber mindestens 8 Säulen zählen, oft sind es 
sogar 10, sonst würde die Cella zu schmal. Dipteros 
und Pseudodipteros sind also Tempelformen fürgrö 
ßere Anlagen. Beide kommen hauptsächlich in Klein 
asien vor. ln Athen war der olympische Zeustempel 
ein Bau mit achtsäuliger Front, Oktastylos (der 
Grundriß Fig. 8 ist also nicht richtig); dagegen war 
das Didymaion bei Milet ein Dipteros-Dekastylos. 
Was das Hypäthron anlangt, so ist nur kurz zu 
sagen, daß nach den neuesten Forschungen die hypä- 
thrale Beleuchtung der Cella (also mit offenem Dach) 
eine unmögliche und unbeweisbare Annahme war, 
der allzulange Glauben geschenkt wurde. Der grie 
chische Tempel hatte stets eine dunkle Cella ohne 
Dachoberlicht. Im sonnenreichen Süden erhellte das 
durch die sehr groß angelegten Türen einströmende 
Reflexlicht den Raum der Cella genügend. 
Tafel 3. Dorischer Tempel C in Seli- 
nunt. Altertümliche Grundrißform. Außer der 
doppelten Säulenreihe an der Ostfront ist auch 
die schmale Gestalt der Cella mit Pronaos A 
ohne Säulen und mit dem Adyton C ungewöhn 
lich. Doch sind das Eigentümlichkeiten, die an 
mehreren westgriechischen Bauten Vorkommen. 
Das Pteron ringsum ist weiträumig wie ein zu 
großer Mantel für den schmalen Leib. Bei genauer 
Betrachtung fällt es auf, daß die Säulen an den 
Fronten viel weiter gestellt sind als an den Langseiten. 
An der Ostfront ist die Stufenzahl verdoppelt. 
Dorischer Tempel zu Bassae bei Phi- 
galeia. Normale Grundrißform im 5. Jahrhundert 
soweit es sich um die Pteristasis handelt. Die 
Cella selbst ist äußerlich normal zweistirnig, im 
Innern jedoch ungewöhnlich: Raum b wird durch 
eine Stützenstellung gegliedert; der Raum bb da 
hinter mit eigenem Seitenausgang ist die Kapelle 
für das Kultbild. Es ist ungewiß, ob das von 
vortretenden Wandsäulen getragene Gebälk mit 
reichem Fries eine Balkendecke aufnahm, oder 
ob der Raum als offener Hof zu denken ist. 
Korinthischer Tempel zu Labranda in 
K1 e i n a s i e n. Das Grundrißrechteck wird in helle 
nistischer Zeit immer kürzer und breiter: in Selinunt 
war es fast 1:3, in Bassae 1 :2 '/s, in Labranda 
ist es nicht einmal mehr 1:2. Die Anordnung 
gleicher Säulenabstände ringsherum, völliger axialer 
Bindung der Cellawände mit den Säulen der Ring 
halle ist für ionische und korinthische Tempel 
schon im 4. Jahrhundert charakteristisch. Der 
Pronaos ist tief, der Opisthodom nur seicht. 
Tafel 4. Griechische Tempel und Tempel 
bezirke. 
Parthenon in Athen. 8x17 Säulen in 
gleichmäßig ringsumlaufender Halle; Grundrecht 
eck 4:9. Die amphiprostyle Cella enthält einen 
100 Fuß langen Hauptraum — Hekatompedon — 
der durch eine innere zweistöckige Stützenstellung 
geteilt wird in einen Mittelsaal mit umlaufenden 
Seitenschiffen. Hier stand das Goldelfenbeinbild der 
Athena, das Phidias im Jahr 438 vollendete. Vom 
Opisthodom aus zugänglich dagegen war der eigent 
liche Parthenon, d. h. Jungfrauengemach. Vier ioni 
sche Säulen trugen seine Decke. Die Vorhallen waren 
wegen der Aufstellung von Weihgeschenken und 
sonstiger Verwendung zu Amtsgeschäften durch 
hohe Gitter zwischen den Säulen geschlossen. 
Ionischer Dipteros bei Milet. Der bereits 
genannte Dipteros-Dekastylos des Apollon in Di- 
dymae war einer der größten antiken Tempel; er 
teilte aber mit anderen ähnlich großen Schöpfungen 
das Los, unvollendet zu bleiben, während der kleinere 
Parthenon in Athen bis auf die letzten Einzelheiten 
durchgeführt und fertig geworden ist. Das zu große 
Wollen ging über die Kraft der Bauleute hinaus. Der 
doppelte Säulenkranz umgab einen weiten, offenen 
Hofraum, der tief lag. Zu ihm führte aus einem Vor 
saal eine mächtige Freitreppe hinunter; ein kleiner 
Tempel erhob sich in seiner Mitte, das alte Kultbild 
umschließend. Vom Pronaos A, einem förmlichen 
Säulensaal, gelangte man mittels tunnelartiger abstei 
gender Gänge zu beiden Seiten des Vorsaales direkt in 
den hofartigen Raum, denn die große Schwelle der 
Tür des Vorsaales lag so hoch, daß man vom Pronaos 
aus zwar in den Vorsaal hineinsehen, aber nicht hin 
eingehen konnte. Der Grundriß auf unserer Tafel ist 
durch die neuen deutschen Forschungen überholt. 
Akropolis in Athen. Der kleine Plan 
gibt die Lage der wichtigsten Gebäude auf dem 
berühmtesten aller Burgberge. Die Einzelheiten 
sind heute nach den Ausgrabungen genauer
	        

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