Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

Abteilung IV. 
metrischer Zeichnung, daneben kleinere Mädchen 
figuren. 
Das Innere der Cella war durch eine zwei 
geschossige Säulenstellung in drei Schiffe geteilt. 
Über den Seitenschiffen befand sich eine Galerie 
aus Holz, nicht aus Stein; hölzerne Treppen führten 
hinauf. Die obere Säulenreihe trug einen ein 
fachen Architrav aus Holz und dieser die Decke; 
ein Oberlicht war, wie gesagt, nicht vorhanden. 
Beide Beleuchtungsvorschläge in Tafel 7 sind un 
richtig. Die Hallen des Umgangs waren auch nur 
mit Holz gedeckt. Erst die Marmorbauten des 
nahen Athen führten wenige Jahrzehnte später den 
Luxus steinerner Kassetten ein. 
Tafel 9. Die lange Seite eines dorischen Tem 
pels zeigt die gleichmäßige Reihung der Säulen. 
In dieser durch keinen Vorsprung, keinen Mittel 
punkt unterbrochenen gleichmäßig rhythmisch ge 
gliederten Reihe, deren Enden durch die geringe 
Anziehung der Ecksäulen eine willkommene Ver 
stärkung erhalten, ohne daß die Form verändert 
wird, liegt eine Notwendigkeit für den Beschauer, 
sich wieder der in sich geschlossenen und durch 
den Giebel betonten Schmalseite zuzuwenden. So 
herrscht im Säulenbau zwar Gleichheit auf allen 
Seiten, die Giebel aber bilden eine Steigerung, ohne 
diese Gleichheit zu zerstören. Bei den Bauten von 
der Mitte des 5. Jahrhunderts an ist auch die Über 
einstimmung der Verhältnisse von Säule zu Intervall 
und Triglyphe zu Metope erreicht, die an älteren 
Bauten völlig fehlt. Ferner sind durch leichte Über 
höhung der Horizontalen im Stylobat und Gebälk 
durch ganz geringe Neigung der Säulen und der 
Architrave, sowie durch Verdickung der Ecksäulen 
kaum merkbare, optisch aber wirksame Mittel an 
gewandt worden, das geometrisch Herbe zu ver 
feinern, ohne es aufzulösen. 
Die zweite Zeichnung gibt ein Schema der 
Lagerung der Architrave mit der Klammerverbin 
dung, der Anordnung der Kassetten, Friessteine, 
Geisa und Ziegelreihen (vgl. 4, 10 — 12). 
Tafel 10 u. 11. Tempel der Nemesis zu 
Rhamnus (Material Marmor). Sehr kleiner Peri- 
pteros, daher nur einschiffige Cella. Wie am sog. The 
seion, in Sunion und vielleicht schon in Phigaleia 
wird das Gebälk über die Pronaosfront hinausver 
längert und mit dem der Peristasis verbunden. Es 
befindet sich hier dann meist ein Fries mit figür 
licher Darstellung, der in der tiefen Vorhalle leichter 
sichtbar ist als in dem engen Umgang des Par 
thenon (vgl. Tafel 16a). Der Architrav der Vorhalle 
hat noch die Tropfenleiste, obschon keine Tri- 
glyphen mehr darüber folgten. Die Steinbalken 
der Kassettendecke waren streng axial mit die 
sen Tropfenleisten angeordnet. Einzelheiten dieser 
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Egle, Baustil-u. Bauformenlehre. Text von Fi echt er. 
Deckenbildung gibt Tafel 11, Fig. 4. Auch im Um 
gang waren es Steindecken. Breite, kurze Stein 
balken nehmen zwischen sich jeweils ein Feld von 
8 kleinen Kassetten. Es ist indes fraglich, ob der 
Dachstuhl, so wie er auf Tafel 11, Fig. 1 gezeichnet 
ist, bis über das Pteron herunterging. Ein hori 
zontaler Holzbalken war über der Steindecke jeden 
falls nicht nötig. Außerdem wissen wir seither 
genauer, daß das antike Ziegeldach nicht auf Latten 
ruhte, sondern auf einer festen Lehmbettung lag, 
die auf einer vollen Bohlenschalung ausgebreitet 
wurde. Die Ziegel hatten auf der Rückseite keine 
Nase wie unsere heutigen Ziegel. 
Tafel 12. Dachdeckung griechischer 
Tempel. Die Ziegelbahnen bestehen aus großen, 
mit Fälzen aufeinander gepaßten Platten, deren 
Ränder seitlich leicht aufgebogen sind. Die Fugen 
werden durch Deckziegel (Kalypter) von dachför 
migem Querschnitt überdeckt. Auf den Firstdeck 
ziegeln sind Firstbekrönungen üblich in Form von 
Palmetten. Ähnliche Ornamente sitzen auch am 
unteren Abschluß der Deckziegelreihen, als Ante- 
fixe (Fig. 4—6). Viele Dächer haben in der älteren 
Zeit auf der Traufseite keine Sima, während später 
allgemein auch bei den attisch-dorischen Tempeln 
die Sima üblich wird. Die einzelnen Simasteine ent 
sprechen dann gewöhnlich zwei Ziegelbreiten (vgl. 
Fig. 3u.7), so daß je eine Ziegelfuge stumpf dagegen 
anstößt und deren Deckschicht dann kürzer wird; 
davor ist dann ein Auslauf mit einem Wasserspeier. 
Tafel 13. Maßverhältnisse griechisch 
dorischer Säulenordnung. In die Fig. 1—3 
sind Bezeichnungen eingeschrieben, welche in der 
darunter stehenden Tabelle benutzt werden, um 
mittels Vergleich mit dem unteren oder oberen 
Säulendurchmesser und mit der Gebälkhöhe den 
Wechsel der Maßverhältnisse zu veranschaulichen. 
Zusammenfassend ist aus der Tabelle zu ent 
nehmen: mit dem zeitlichen Fortschritt vom 6. bis 
4. Jahrhundert v. Chr. wächst allmählich die Säulen 
höhe, vermindert sich aber das Gebälk und die 
Kapitellausladung. Das Verhältnis der Säulen 
abstände und Friesteilung läßt sich durch den Ver 
gleich mit dem unteren Säulendurchmesser nicht 
klar herausgreifen, und doch wird gerade dieses als 
ein außerordentlich Wichtiges empfunden werden. 
Tafel 14. Normales dorisches Gebälk. 
(Zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts.) Kennzeichen: 
Architrav und Fries gleich hoch, Triglyphen gerad 
linig begrenzt, an den Mutuli breite, niedrige 
Tropfen, niederes, ausladendes Kymation und Sima 
auf der Langseite. 
Kapitell und A n t e n b ek rön u n g vom 
Tempel zu Rhamnus: Säulenkapitell normale 
kanonische Form mit drei Riemchen und Halsfuge, 
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