Abteilung VIII.
zeigt dann den Schnitt am Gewölbekämpfer. Die
Last der Hochwand ist stark aus dem Mittel ver
schoben, wird aber durch die abgespaltete Wand
und Pfeilermasse unter dem Strebebogenansatz
und überhaupt durch die ganze Anordnung der
Gewölbe und ihrer Widerlager im Gleichgewicht
gehalten. Es ist eine kühne Bauart, wo nicht der
einzelne Teil eines Pfeilers oder einer Mauer für
sich, sondern nur im ganzen Zusammenhang fest
steht. Eine solche Bauart verlangt eine ganz be
sonders vortrefflich ausgebildete Steinmetzkunst.
Alles beruht auf dieser; der Maurer hat hier nichts
mehr zu tun. Und tatsächlich ist auch mit den
Aufgaben die Steinbehandlung zu einer Vollendung
entwickelt worden wie nie zuvor in Deutschland.
Tafel 17. Dom zu Köln, Grundrisse der
nördlichen Chorjoche. Man sieht hier über
sichtlich die Anordnung der Strebepfeilermassen in
verschiedenen Schnittebenen. Das Übergewicht
der Hochwand und des über dem mittleren Seiten
schiffpfeiler stehenden Strebepfeilers (vgl. Fig. 1,
Tafel 14 u. 15) wird nur ausgeglichen durch die
nach unten wachsende Masse des äußeren Strebe
pfeilers.
Tafel 18 u. 19. Dom zu Köln, Strebe
pfeiler und Strebebogen. Der Teilschnitt
zeigt noch eindringlicher die Hinausverlegung der
stützenden Teile, wodurch dem Beschauer im In
nern jeder Gedanke an die stoffliche Bedingtheit
entzogen wird. Er zeigt auch die Kühnheit der
Bauart, die Schwierigkeiten der Wasserabführung
bei der gewählten Dachform und den^Reichtum in
der Bildung der Fensterprofile und der Strebebogen.
Ihr Maßwerkaufsatz wird förmlich zum Gitterträger.
Tafel 20. Dom zu Köln, oberer Schluß
der Mittelschiffenster. In der Gotik ist die
konstruktive Form völlig zur Schmuckform ent
wickelt worden. Das Maßwerk belebt die riesige
von außen sonst tot wirkende Fensterfläche, es
wächst darüber hinaus in die spitzen Giebel der
Wimperge, die wohl ursprünglich als Dachmotiv auf
zufassen sind, das an vortretenden Portalen entstan
den ist und dort auch häufiger vorkommt. Das Maß
werk setzt sich auch fort in einer Brüstung auf dem
Dachrand, die zwischen die hochragenden Fialen
eingespannt ist. Seine Zeichnung ist überaus streng,
fast hart, es hat nichts von jener in Deutschland
im 14. Jahrhundert so beliebten flüssigen Linien
führung, sondern ist gleichweit von dieser spä
teren Art wie von der frühesten, noch rein kon
struktiven Teilung (vgl. Tafel 76) entfernt, noch
streng symmetrisch. Das übrige Ornament tritt
ganz zurück. Für die Wirkung des Ganzen ist es
fast bedeutungslos. Die Gotik hat zu einer .gefühls
mäßigen Erläuterung« eines geschmückten Teiles
keine Möglichkeit, weil nur die starre Notwendigkeit
vorherrscht. Das gotische Ornament ist nur eine
Vervielfachung des starren konstruktiven Gerüstes.
Tafel 21. Doppeljochbildung des Schiffes
von Notre Dame zu Dijon. Vollendet um 1240.
Burgund, das für den Süd westen Deutschlands
in der romanischen Zeit maßgebend war, das durch
seine Entwicklung zum spätromanischen sog. Über
gangsstil der Gotik vorarbeitete, hat etwa bis 1220
seine eigentümliche geschlossene Bauüberlieferung
und Absicht bewahrt. Dann aber kamen die
Einflüsse aus dem Gebiet der Picardie und Ile de
France, dem eigentlichen Heimatland der franzö
sischen Gotik, und veränderten das Bild stark. So
kommt es, daß Notre Dame de Dijon kein bur-
gundisch-romanischer Bau mehr ist, aber auch noch
kein echt französisch gotischer. Als burgundisch
sprechen wir an: die Vorliebe für frühgotische For
men neben einer höchstentwickelten Konstruktions
kunst, die breit gelagerten Verhältnisse und das
Streben nach einem Ausgleich zwischen vertikaler
und horizontaler Gliederung. Hätte die eigentlich
französische Gotik als der stärkere Ausdruck des
Zeitstils nicht gesiegt, Burgund würde wohl nie zu
einer gleich vollkommen entwickelten Gotik durch
gedrungen sein, sondern hätte sich bei seinen
bescheidenen Verhältnissen mehr mit einem for
malen Ausgleich begnügt, statt die Folgen aus den
konstruktiven Möglichkeiten zu ziehen. Fig. 1
zeigt die hochentwickelte kühne Steinmetzkunst
im Aufbau der Hochwand, deren Querschnitt den
des Rundpfeilers übersteigt und in den Pfeiler
achsen sogar mehr als um das Doppelte Über
tritt. Auch die Bildung des erhöhten Strebe
pfeilers zeigt, wie verwegen konstruktiv man
dachte. Man bemerkt, daß bei der Strebenanord
nung die Seitenschiffgewölbe hier wesentlich mit-
wirken müssen; ohne diese würde die Hochwand
trotz des Strebebogens nicht festhalten. Die Schild
wand ist in Schalen zerlegt. Da die äußere die
Fenster enthält, sind diese nicht an die Höhe des
Schildbogens gebunden, sondern völlig selbständig
entwickelt.
Tafel 22 u. 23. Jochbildung des Domes
zu Regensburg. Bauzeit 1275 bis zum Aus
gang des Mittelalters. Chor vor 1313 vollendet.
Bei einem Vergleich mit dem Vorhergehenden er
sehen wir sofort, daß auch hier die Kenntnis der
französischen Gotik dem Baumeister die Mittel
zum Ausdruck gegeben hat. Am Chor ist die
zweigeschossige Anordnung der Fenster beibe
halten, trotzdem kein Umgang oder Kapellenkranz
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