Abteilung VIII.
bis 3 geben typische Beispiele von Fenstern nach
französischer Art. Das Rundstabprofil ist im
Kämpfer auf Kapitelle gestellt und umzieht das
ganze Maßwerk; nur die innere Teilung der Rose
ist untergeordnet, und zwar entweder noch schei
benartig wie in Laon oder in Chartres (vgl.Tafel 76,
Fig. 3), oder mit eigenem Stabprofil als »junges
Maßwerk« ausgebildet. Die Fig. 4—6 lassen be
reits Abweichungen von der Urform erkennen:
statt der Rose werden Dreipässe oder Vierpässe
eingesetzt. Noch sind die Stabprofile aber kräftig,
sie halten die Mitte zwischen den altertümlich
schweren und den mager gewordenen späteren
Sprossen, wie sie die Fig. 7—9 darstellen. Das
Rundstabprofil ist einem Hohlkehlprofil gewichen
(vgl. Fig. 7, 8 u. 9 b), aber die Mannigfaltigkeit
der Maßwerkzeichnung wächst.
Tafel 79. Dreiteilige Fenstermaßwerke.
Die Dreiteilung bringt neue Möglichkeiten hervor.
Ein glänzendes Linienspiel aus Zirkelschlägen zu
sammengesetzt entwickelt sich hier; die Unterteilung
der kleinen Spitzbogen mit Kleeblattformen wird
beliebt, und so entsteht eine Häufung von einge
schalteten Formen und Figuren, die zu den reichsten
Bildungen führt.
Tafel 80. Vierteilige Fenstermaßwerke.
Wieviel strenger das französische Maßwerk vor
geht, zeigt Fig. 1, wo lediglich eine Wiederholung
des Ursprungmotives stattfindet. In Deutschland
verfährt man meist willkürlicher; die Rose wird
ersetzt durch freiere Formen, die Wiederholung
nicht so logisch durchgeführt (vgl. Fig. 2, 4 u. 6).
Ja man wandelt sogar die Vierteilung in eine
Dreiteilung um, wenn in der Mitte ein doppeltes
und seitlich je ein einfaches Fensterintervall an
geordnet wird (Fig. 3 u. 5). Kennzeichnend ist
auch die Profilierung des Maßwerks, welche in
den Nebenfiguren dargestellt ist. Die französischen
Rundstäbe werden in Deutschland am Anfang des
14. Jahrhunderts allmählich kleiner und fallen zu
gunsten der Hohlkehlprofile bald ganz weg. Auch
das Bedürfnis nach einer Kapitellzone ist nicht
vorhanden. Die Gesamtform wird zu einem eng
maschigen feingegliederten Netz, bei dem der
»horror vacui« für möglichst gleichmäßige Ver
teilung des Ornamentes sorgt. Das Maßwerk
gleicht einem Spitzenvorhang und verliert den
Charakter des konstruktiven Gerippes.
Tafel 81. Fünf- und sechsteilige Fenster.
Die Dreiteilung tritt bereits im 14. Jahrhundert
auf. In Fig. 1 mit einer Durchbildung, die zum
Teil an französische Muster gemahnt. Ungelenk
und starr ist die Teilung am Regensburger Fenster
(Fig. 3). Die fünfteiligen Maßwerke in Fig. 4 u. 5
zeigen flüssige Übergänge und Durchkreuzungen
der ursprünglichen Motive, wodurch neue Formen
entstehen.
Tafel 82. Spätgotische Maßwerke. Das
Ineinanderfließen der Maßwerklinien ist ein Kenn
zeichen der spätgotischen Zeit. Es entstehen Fisch
blasen- und Flammenmaßwerke (Fig. 1, 2, 4 u. 6
und Fig. 3 u.5), wie sie besonders in Süddeutschland
von der schwäbischen Schule bevorzugt werden —
Maßwerke, die ein außerordentlich bewegtes Linien
spiel zeigen und eine glänzende Handhabung der
Form verraten. Die Stäbe haben durchweg Hohl
profil.
Tafel 83. Einzelheiten von Maßwerken.
Die Einzelheiten sind als Anleitung zum Aufzeichnen
der Maßwerkformen wertvoll. Überall sind die
Mittelpunkte der Bögen angegeben, und beim ge
nauen Zusehen erkennt man, daß auch diese
wieder auf geometrischen Grundfiguren liegen;
und dennoch ist so viel lebendiges Linienspiel
und Beweglichkeit zu verspüren. Man wird sich
dem Reiz von Bildungen, wie Fig. 17 zeigt, nicht
entziehen können.
Tafel 84. Radfenster und Galeriemaß
werke. Auch die Radfenster oder Rosen machen
eine Entwicklung bis zum Maßwerk der Spät
gotik durch. Fig. 1 stellt eine Anordnung von
Öffnungen im Sinn einer durchbrochenen Stein
platte dar, die Zeichnung ist groß und klar. Zu
nächst geht die Entwicklung mehr nach einer
Betonung der zentrifugalen Linien; man denkt an
Radspeichen oder Blumen (Fig. 4 u. 5). Erst in
der Spätgotik wird die Komposition freier; statt
ruhender Formen füllen einseitig gerichtete das
Rund und scheinen es zu bewegen (Fig. 6).
Das Maßwerk tritt aber auch an Balustraden
auf, ja es bekommt hier ein großes reiches Feld
und führt zu dem auf Jahrhunderte hinaus be
liebten Steingitter (in Nürnberg bis in das 17. Jahr
hundert üblich). Die Fig. 7—12 machen die Ent
wicklung deutlich: vom einfachen Stabwerk (Fig. 7)
zum regelmäßig gegliederten Maßwerk, weiterhin
zum völlig durchlaufenden Maßwerkgitter, das nur
selten durch vertikale Pfosten unterbrochen wird.
Tafel 85. Frühgotische Kirchentüren in
Frankreich. Die Anlage der gotischen ;Türen
schließt sich zunächst an das romanische Portal
an: schräge Leibung mit rechteckigen Vorsprüngen
und eingestellten Säulen, ein entsprechendes Profil
in der Archivolte, Tympanon mit figürlichem Schmuck
— das alles liegt dem gotischen Portal in Frankreich
vom romanischen her zugrunde. Wir finden von
da wieder eine ähnliche Entwicklung in die
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