Diese Einführung war auch höheren Orts genehmigt, als ein böser Zwischenfall eintrat.
Von anderer Seite war, ohne Zweifel in der Meinung, der Bahnsicherheit zu dienen, vielleicht auch
in Sorge für die etwas schwierige Hinleitung der Donaubahnzüge zu den Hauptperrons in Vorschlag
gekommen, die Brenzbahn mit der Donaubahn zusammen zu legen und erstere zu diesem Zwecke
nach Norden so weit abzurücken, dass sie in einem Tunnel durch den Kienlesfelsen unter der
Stuttgarter Bahn hinweg mit den Geleisen der Donaubahn vereinigt werden und zugleich mit den
auf den vereinigten Geleisen gehenden Zügen zum Perron gelangen konnte.
Lebhafter Widerspruch des Oberingenieurs der Brenzbahn gegen diesen Vorschlag, dessen
Schattenseiten zu schildern er nicht unterliess, blieb ohne Erfolg, weil demselben von dem General
direktor v. Dillenius beigetreten wurde! Seiner damaligen Befugnis Rechnung tragend, wurde der
neue Vorschlag mit Hilfe der Betriebsbehörde zum Bau geleitet, und demgemäss die Einführung
der Brenzbahn von den Veitsbrunnenäckern hinweg, nördlich ab aus der Ebene in einen Tunnel
unterm Kienlesberg gerückt. Der Tunnel wurde zwar später in einen entsprechend tiefen Ein
schnitt mit einer Eisenbrücke verwandelt; im übrigen aber kam der neue Vorschlag zur Durch
führung. Mit der Ausführung dieses Projekts verbanden sich viele Umständlichkeiten, insbesondere
deshalb, weil hiermit auch die Rangier- und Güterverkehrsgeleise von der Ost- auf die Westseite des
Bahnhofs gerückt wurden; der letztere ohnedies zu kurz, hatte jetzt infolge der unterirdischen Ein
führung der Brenzbahn einen Teil der ihm zugedacht gewesenen Länge, die Fläche der Veits
brunnenäcker, zu entbehren; und so kam es, dass fortgesetzte Versuche über die Anlage der
Dienstgeleise und über Ausdehnung des Bahnhofes teils als unzweckmässig unmittelbar erkannt,
teils von der Königl. bayrischen Eisenbahn- und von der Ulmer Stadtverwaltung beanstandet,
immer wieder aufgegeben und aufs neue bearbeitet werden mussten.
Jener Zeitverlust aber hatte die Folge, dass noch vor der Vollendung der letztgenehmigten
Einleitung der Brenzbahn eine sogenannte provisorische Einführung, genau nach dem ersten, be
seitigten Plane substituiert, in Betrieb gestellt und ein Jahr im Betriebe erhalten wurde, wobei sich
ergab, dass das Fahren der Brenzbahnzüge in den Bahnhof Ulm ohne alle Beeinträchtigung der Bahn
sicherheit ebensowohl neben als unter der Stuttgarter Bahn , und dass so einfach als zweckmässig
der Betriebsdienst auf dem Bahnhof Ulm nach dem ersten Projekt bewerkstelligt werden konnte.
Es war der Generaldirektor v. Dillenius, der in kurzer Zeit die Ueberzeugung gewonnen
hatte, dass nicht die unterirdische, sondern die Einführung über die Veitsbrunnenäcker die richtige
Lösung der Aufgabe, und dass dieselbe neuerdings anzustreben sei. Demgemäss war von ihm bei
dem Königl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten die Erwerbung der Veitsbrunnenäcker
beantragt, welche denn auch angeordnet und durch den Oberbürgermeister v. Heim in Ulm auf Rech
nung der Eisenbahnverwaltung vollzogen wurde.
Wenn nicht sein Austritt im Jahre 1880 ihn daran verhindert, hätte seine neuere An
schauung und seine hochherzige patriotische Gesinnung den Generaldirektor veranlasst, zu dem
älteren ihm nicht eben liebsamen Projekt des Brenzbahneinlaufs zurückzukehren.
So aber wurden die erworbenen Veitsbrunnenäcker für das Provisorium benützt, und infolge
Eingreifens des Ministers v. Mittnacht eine vollständige und definitive Verwendung der Veits
brunnenäcker herbeigeführt. Eine mit dem Tunnelprojekt verbundene Schwierigkeit gab hierzu
Veranlassung: Von der Generaldirektion war wiederum ein Plan bearbeitet, nach welchem zu
allem übrigen auch der örtliche Güterverkehr der Stadt von der Ost- auf die Westseite des
Bahnhofs Ulm verlegt werden sollte! Die für die Stadt Ulm hiermit verbundenen Unliebsamkeiten
führten zu einem Protest derselben bei dem Ministerium der Verkehrsanstalten und es war derselbe
mit einem Gutachten des Geh. Oberregierungsrats Schübler bei der Reichs-Eisenbahnbehörde in
Strassburg begründet und unterstützt! Dieser Protest konnte nicht unbeachtet bleiben, und es hatte
jetzt diese Angelegenheit eine recht bedenkliche Seite erhalten. Allseitige Befriedigung erregte es
daher, als bekannt wurde, dass dieselbe nunmehr von dem Minister selbst in die Hand genommen
und geregelt werden wolle. So kam es denn auch.