IjO China und die Fremden vom Beginn des 19. Jahrh. bis zur Revolution
Wir haben in einem früheren Kapitel die Geschichte des Reichs der
Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verfolgt und sie dort ver
lassen, als China sich gerade auf einem Höhepunkt von Macht und
Ordnung befand. Von da ab beginnt für China wieder eine Periode
inneren Niedergangs, zusammenhängend mit demVerfall der herrschen
den Dynastie, wie wir ihn regelmäßig in der Vergangenheit eintreten
sahen. An sich wäre auch diese für das Land und die Eigenart seiner
Kultur vielleicht nicht folgenreicher gewesen als viele andere ähnliche
Abschnitte seiner voraufgehenden Geschichte. Nur traf dieser Nieder
gang diesmal gerade zusammen mit dem außerordentlichen Aufschwung
an Machtmitteln, den die weiße Rasse seit dem Ende des 18. Jahr
hunderts erlebte, durch die erstaunliche Vermehrung ihrer Zahl, ihrer
technischen Fähigkeiten (Kohle, Dampfkraft, Eisenbau, Elektrizität
usw.), ihrer Verkehrmittel, ihrer Kriegswaffen und ihres Kapitalreich
tums : alles Dinge, die in Wechselwirkung miteinander den Europäern
(und Nordamerikanern, die hierbei immer mit gemeint sind) einen ins
Ungeheure gesteigerten Tätigkeits- und Angriffsgeist verliehen und sie
veranlaßten, übermächtig in die chinesischen Verhältnisse mit einzu
greifen.
Kienlung ist der letzte große Kaiser der Mandschu-Dynastie in
ihrer Hochblüte gewesen. Die übrigen Inhaber des Mandschu-Thrones
bis zum Ende der Dynastie waren die folgenden:
Kiaking 1796—1820 Tungtschih 1861—75
Taukwang 1820—50 Kuanghsü 1875—1908
Hsienfeng 1850—61 Hsüant’ung 1908—12.
Nicht alle von diesen sind schlechte Menschen gewesen; im Gegen
teil, es ist viel Gutmütigkeit und Wille zur Besserung der Zustände un
ter ihnen zu finden. Allein, sie waren durchgängig willensschwach,
mehrfach noch als Kinder auf den wankenden Thron berufen und
alle stark weltfremd, infolge der Abschließung und Vergottung durch
das Zeremoniell, und unfähig, die Zeiten zu begreifen.
1. Der Beginn des Niederganges.
Bereits mit Kienlungs mißtrauischem und gewalttätigem Sohne
Kiaking (1796—1820) setzen die üblichen Anzeichen des wahrschein
lich schon vorher sich anbahnenden Niedergangs: finanzielle Unord
nung, verhängnisvolle Naturereignisse, Hungersnöte, Räubereien und
Aufstände, deutlich ein. Die finanzielle Unordnung entspringt wohl
hauptsächlich der großen Verschwendung und den Unterschleifen des
Hofes, mit seinem Eunuchenwesen und der sinkenden Moral der Be-