Full text: China

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Das Land 
Seine Länge bis zum Meere wird auf etwa 1600, sein Stromgebiet 
auf gegen 400000 qkm berechnet. 
Die Uferlandschaften des Sikiang selbst und seiner an Strom 
schnellen reichen Genossen übertreffen noch die Romantik und 
Bizarrerie, die wir aus verschiedenen Gegenden Südchinas bereits 
kennen. Enge Canonschluchten mit jähen, düsteren Steilwänden wech 
seln mit offeneren Strecken, wo üppige südliche Vegetation reizvoll 
die Hänge bekleidet. In seltsamen Buckeln, Zacken und Spitzen 
stehen zerklüftete Gipfelreihen gegen den Himmel. Wie im Norden 
der Löß, so schaffen hier die Rotsandsteine, die Kalke, Marmore und 
Granite Gestaltungen von einer Sonderbarkeit, wie sie auf der Erde 
selten ist. 
Etwas südlich vom Wendekreis erreicht der Fluß die Spitze des 
etwa 8000 qkm großen Deltas, das er und seine Genossen in der 
hier in das Gebirgsland eindringenden Meeresbucht geschaffen haben. 
Das Gewirr der Wasserfäden im Delta ist so labyrinthisch, daß ihre 
Zuteilung zu dem Sikiang, Pekiang oder Tungkiang sehr schwierig 
ist. Unstreitig ist der Westfluß aber der mächtigste der drei. Seine 
Hauptmündung liegt am Westrande des Deltas, bei der Insel Macao. 
Hier haben die Portugiesen, die 1517 als erste Europäer China auf 
dem Seewege erreichten, ihre vornehmste Handelsniederlassung an 
gelegt, und sie besitzen sie noch heute. Alte Ruinen zeugen noch von 
ihrem ehemaligen Glanz. Heute ist die Mündung arg verschlammt 
und ganz Macao ist nur noch ein seltsamer Trümmerrest des ehe 
maligen stolzen Kolonialreichs der Portugiesen in Asien. 
Kanton liegt an einem der Deltaarme in der Nordostecke des Deltas, 
am Fuß der „weißen Wolkenberge“, auf denen die unermeßlichen 
Gräberfelder der alten Millionenstadt sich ausbreiten. Der Deltaarm, 
der den Weltverkehr nach Kanton hinaufführt, heißt weiter abwärts 
der Perlfluß. An ihm liegen die alten chinesischenSperrforts, die unter 
dem Namen Humönn, d. i. „Tigerrachen“, Bocca Tigris, historisch 
berühmt sind (vgl. S. 173, 182). 
Das fortwachsende Deltaland läßt an seiner Ostseite noch eine 
tief eingreifende Meersbucht, die Kanton-Bucht, offen, vor deren Ein 
gang die jäh aufsteigende Granitinsel Hongkong beherrschend liegt, 
die samt der gegenüberliegenden Spitze des ebenfalls granitischen 
Festlandes vollkommen den Briten gehört, während Kanton inter 
nationaler Vertragshafen ist. Letzterer vermittelt den Verkehr des 
südchinesischen Stromsystems mit dem Binnenlande, während Hong 
kong außerdem noch Durchgangsstation der großen Seeweltstraße 
längs der ostasiatischen Küste ist.
	        
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