Seit dieser Vortrag gehalten wurde, haben sich die ostasiatischen
Dinge mit unheimlicher Schnelligkeit entwickelt und Kämpfe ge
zeitigt, die einen weltpolitischen Konflikt eröffnet haben. Aus einer
Spionageaffäre an der mandschurisch-mongolischen Grenze und aus
der Tötung eines japanischen Offiziers, aber auch aus vielen Ein
zelzusammenstößen und stets sich verschärfenden Konflikten hat
sich mit dem 18. September 1931 ein japanischer Feldzug in der
Mandschurei entwickelt, der so gut militärisch und taktisch vorbe
reitet war, daß er die chinesischen Truppen wie mit einem Sturm
wind hinwegfegte und die ganze Mandschurei alsbald in den Besitz
der Japaner brachte. Die Antwort der weder geldlich noch militä
risch gerüsteten Chinesen bestand in der Entfachung eines Klein-
und Bandenkriegs in der Mandschurei, der den Japanern viel zu
schaffen machte und sie noch manche Blutopfer kostete. Die Ant
wort bestand aber auch in einem erneuten Aufflackern des anti
japanischen Boykotts in allen Teilen Chinas, was auf Japan um so
empfindlicher wirkte, als sich bei der verschärften Weltwirtschafts
krise des Jahres 1931 für die japanischen Waren andere Absatz
quellen nicht erschließen ließen. Der Widerstand gegen die Politik
der starken Faust war auch, in Japan im Wachsen, als Weltwirt
schaftskrise und antijapanischer Boykott die Arbeitslosigkeit stei
gen und die Arbeiter- und Bauernunzufriedenheit bedenklich wach
sen ließen. Als äußere Ablenkung und zur Brechung des Boykotts
griff Japan im Januar 1932 zu dem verzweifelten Mittel eines Ab
lenkungsfeldzugs nach Schanghai, wo es zwar in mörderischem An
griff mit allerneuesten Kriegswaffen das chinesische Wohn- und
Geschäftsviertel Tschapei um den Nanking-Bahnhof herum zerstö
ren und Milliardenwerte vernichten konnte, dann aber doch auf
den so starken militärischen Widerstand der besten chinesischen
Kerntruppen stieß, daß es das „Schanghaier Abenteuer“ recht bald
liquidierte und froh sein konnte, dank der Vermittlung der Mächte
sich zurückziehen zu können. Militärische Sieger sind die Japaner
auf jeden Fall in Schanghai nicht gewesen, an militärischem Pre
stige haben sie den Chinesen gegenüber und der Welt gegenüber
in Schanghai nicht gewonnen. Aber das Ablenkungsmanöver hatte
in der Tat den Erfolg, daß die Augen der Welt von der inzwischen
vollendeten „militärischen Durchdringung“ der Mandschurei abge
lenkt wurden.
China erhob sofort Protest gegen dieses Vorgehen beim Völker
bund, dessen Mitglieder ja die beiden streitenden Parteien sind.
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