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Tötn 16. bis ins ,y. Jabrbunctert
Stellung nach Kräften ausnützten. Jm Jahre 1565 beschwerte sich der Magistrat über den ehe
maligen Vogt Stephan 6rüninger, daß er von Urteilen des Stadtgerichts das Stadtsiegel ab
gerissen und einem Bürger, der ihm darüber Vorhalt gemacht, geantwortet habe: Jbr Stutt
garter seid alle Darren. Einem Stadtwächter gegenüber habe er geäußert: Jch bin Herr und
Herzog, die von Stuttgart lind nur ein Dreck und haben nicht einmal Macht einen Kuh- oder
Schweinehirten anzustellen. Ja er ging sogar soweit, städtische Urkunden von lieh aus mit feinem
Siegel zu versehen, während das Stadtliegel darauf gehört hätte; in summa, heißt es, er hielt
den Magistrat ärger denn Schneidersknechte. Das find zweifellos Überschreitungen der Hmts-
befugnis des Vogts und find auf die Beschwerde des Magistrats von der Regierung auch gerügt
worden, „da der Magistrat doch nicht dem Döbel gleich ?u achten sei". Ein solches Beispiel
Zeigt aber, wie sehr die Stadtvertretung, wenn wir das Kollegium so heißen wollen, von der
Person des jeweiligen Vogtes, des herzoglichen Beamten, abhängig und wie wenig die städtische
Verwaltung Selbstverwaltung war, zumal wenn wir noch bedenken, welch bedeutenden Einfluß
der Vogt im Damen des Herzogs auf die Zusammensetzung des Kollegiums selbst und die Wahl
der daraus hervorgehenden Gemeindebeamten hatte. Hußer dem Vorsitz im Magistrat hatte
der Vogt noch weitere städtische Funktionen: er war Vorstand der städtischen Polizei, hatte die
Oberaufsicht über die öffentlichen Gebäude, über die Straßen, die Wasserversorgung u. s. w. Die
Wohltätigheits- und Bildungsanftalten waren ihm unterstellt, das städtische Rechnungswesen
stand unter seiner Kontrolle; die Rechner der Stadt, die Bürgermeister, hatten ihm ihre Jahres
rechnung vorzulegen.
Das Verhältnis des Vogtes zu der Stadt blieb das gleiche während unseres ganzen Zeit
raums; nur wurde von der Stadtvogtei die Hmtsvogtei abgetrennt. Da der Vogt zugleich
Justi)- und Verwaltungsbeamter für Stadt und Hmt war, so wurde die anfallende Geschäfts
last groß; die herzogliche Regierung suchte auf verschiedene Weise der Überlastung des einen
Vogtes abzuhelfen; mehreremal, schon im 16. Jahrhundert, tat sie es durch Ernennung eines
Obervogts für Stadt und Hmt, dem ein „fleißiger, geschickter Geselle" als Untervogt an die
Seite gegeben werden sollte. Doch hatte diese wiederholt versuchte Ordnung nie lange Bestand.
Dagegen wurde im Verlauf des 17. Jahrhundert für das Hmt ein besonderer Vogt mit dem
Sit} in Dellingen ernannt. Der Hauptgrund für diese ürennung, neben der angeführten 6e-
fchäftsüberbürdung, scheint die Tatsache gewesen }u sein, daß die Rechnungsabhör in den Hmts-
gemeinden sehr unregelmäßig vorgenommen wurde, so daß in den finanjen des Hmts große
Unordnung herrschte. „Der schwerste Knott (Knoten) war das Rechnungsgeschäft," sagt ein
Bericht der Zeit. Gegen diese Trennung wandten sich mit Eifer die Vertreter der Stadt Stutt
gart: Vogt, Bürgermeister, Gericht und Rat, mit zahlreichen Eingaben an die herzogliche Regie
rung; ja in einer Bittschrift von 1675 schlossen sich auch gesamte Schultheißen im Damen des
Hmts den Bitten um Wiedervereinigung der Vogteien an. Die Gründe der Stadt, welche ihr
die Herstellung des dreihundertjährigen Herkommens wünschenswert erscheinen ließen, find ein
leuchtend. Wenn das Hmt einen besonderen Vogt besaß, der seinen Sit} nicht in Stuttgart
hatte, so wurde der Stadt ein gut Teil des früheren Verkehrs entzogen. Ein Teil der Gerichts
sachen wurde vom Hmtsvogt in Dellingen erledigt, und so kamen die Hmtsinfassen oberhalb
der Weinsteig bei diesen Hnlässen nicht mehr nach Stuttgart, wo sie früher ihr Recht geholt
und zugleich Gelegenheit gehabt hatten, ihre Einkäufe }u machen, denn die Gerichtstage, Dienstag
und Samstag, waren zugleich Markttage. Jetzt kauften viele Hmtseinwohner ihren Bedarf lieber
in Eßlingen. Weiter erwuchs der Stadt ein Dachteil dadurch, daß der Hmtsvogt stillschweigend
gestattete, daß bei Dellingen sich ein Salzhandel entwickelte, der dem Monopol des Saljhandels