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«V Die <3rafenzeit --$*■
300 fürsten, Grasen und Herren und waren 130 geschmückte frauen und Jungfrauen zugegen;
bei dem fflabl waren 41 Gische mit den Turniergenossen, 5 Gische mit Trompetern und andern
Spielleuten, im frauenjimmer 19 Gische. Jn der Stube, darin 6raf Gberbard zu Gisch saß, war
ein Kredenztisch zugerichtet, daraus stunden 192 verdeckte Geschirr, flaschen, Köpf, Kannen, auch
3 köstliche Jagerborn, 4 silberne Leuchter und ander Silber; oben in der Stube, da die Gräfin
saß, war ein Kredenztisch, daraus stunden 117 flaschen, Köpf, Lecher und Schalen, obn alles
ander Silbergeschirr. Darnach tanzte man am Hbend mit freuden und in 6bren, damit der
Hbend auch vertrieben war, des Morgens am freitag schied jedermann ab.
Kirche. Die Ginpfarrung nach Hltenburg-Cannstatt, dessen Pfarrer übrigens ohne Zweifel
in Stuttgart feine Vikare sitzen hatte (er ist im Konstanter Bistumsbuch von 1275 mit 190 Pfund
Pfennige für sich und 86 Pfund für die Vikare eingeschätzt), dauerte, wie bereits erwähnt, bis
Zur Errichtung des Cborberrnstifts. fortan batte der Propst mit eigenen Priestern die Pfar
reien Stuttgart, Hltenburg, Berg und Mangen zu versehen, in Stuttgart auch die St. Leonhards
kirche zuerst mit einem, später zwei bis drei, feit 1475 fünf Priestern, wozu noch einer und der
andere in den Klosterböfen kam. Und nun das Merkwürdige: während es allerorten, wie „mit
dem Hnsehen des Papsttums, so mit einer Ejauptform des mittelalterlich kirchlichen Lebens, dem
Mönchtum, abwärts ging“, die württembergifcben Grafen immer sehr karg in Errichtung von
Klöstern gewesen waren, glaubte Graf Ulrich in seine Hauptstadt Dominikaner aus Dürnberg
berufen zu müssen. Zwar wird ein Prior und Lesemeister des 1473 eröffneten Klosters als
Prediger und wegen seines streng sittlichen (Handels gerühmt, und ist er von Gras Eberhard
bei der Reformation von Klöstern im Lande zu Rat gezogen worden. Hber es konnte nicht
ausbleiben, daß, wie überall, wo sich die Bettelorden festsetzten, so auch hier Zwietracht unter
die Geistlichkeit kam. Die Stiftsherren und die Dominikaner führten jahrelang einen Kanzel
krieg miteinander, wohl mehr zur Ergötzung als zur Erbauung der Gemeinde. Jn dieser hatte
sich zu den geistlichen Bruderschaften einiger Zünfte, wie das im 15. Jahrhundert vielfach aus
kam, nach einem großen Sterben 1429 eine Marien- oder Salve Regina-Bruderschaft an der
Stiftskirche gebildet, welche, einem Zuge der Zeit nach mehr predigt statt bloß Zeremonien
folgend, 1459 auch einen Prediger einsetzte, freilich für kurze Zeit, denn 1500 ließ das Stift die
Stelle eingehen und noch 1527 die Landstände vergeblich um ihre Wiederherstellung bitten. —
Ein wohltätiges kirchliches Institut waren, jedenfalls am Husgang des Mittelalters, die so
genannten Beginnen, Schwestern vom dritten Orden des heil, franziskus, die sieh in Stuttgart nach
einem Vertrag mit der Stadtverwaltung außer dem Unterricht auch der Krankenpflege widmeten.
Schule. Seit wann neben der Lateinschule hier auch eine deutsche war, entzieht sich dem
Dachweis. Die frühest genannten „Schulmeister“ pfaff Burkhard Spies, der 1387 starb, Meister
(Magister) Mangold von Cleebronn, Schulmeister und Chorherr am Stift, auch offener Hos-
fchreiber von kaiserlicher Gewalt 1400, später M. Hans (Uägner 1480, Hlbert Brendlin, provisor
scholarum 1483, Leonhard Mäder von Cannstatt, der 7 freien Künste Meister, Schulmeister und
offener Dotarius 1484, Hans Vetter, der erste Lehrer des Prinzen Ulrich 1495 ff. — diese alle
find ohne jeden Zweifel Lateinlehrer, dagegen D. Beutelspach, der alt Schulmeister 1425, der
Gatte einer „6ls die Schulmeisterin“ 1441, der Bürgermeister D. D. zuvor Schulmeister 1442,
wahrscheinlich deutsche Lehrer gewesen. Vom Erfolg des lateinischen Unterrichts zeugt immer
hin der frühe Besuch fremder Hochschulen durch junge Stuttgarter: Heidelberg bis 1500: 48,
freiburg im Breisgau ebenso: 29 Jünglinge, dazu etliche in Prag, Erfurt, und von 1477—1500
48 in dem heimischen Tübingen, das wohl nur deswegen die Universität erhielt, weil Stutt
gart noch nicht Eberhard im Bart zum Herrn hatte.