Bis ins >8. Jahrhundert -H»
Kirche, auf dem sogenannten Curnieracker, einem Stück seid, auf welchem die Ritterfpiele (j. B.
ein besonders prächtiges von Graf Eberhard im Bart 1484) gehalten wurden. Jhr nördliches
Ende schützte später „das Bollwerk", eine Befestigung, deren Beschreibung uns nicht überliefert
ist. Jn beiden Vorstädten wohnten längere Zeit fast nur Leute geringen Standes (1563 „arme
Uropfen“), aber schon 1615 fand man in der Ciebfrauenvorftadt „die lustigsten Straßen, die
schönsten Muser und die reichsten Leute", so daß sie später die „reiche“ Vorstadt hieß.
Eine neue Zeit begann für Stuttgart in der zweiten Miste des 15. Jahrhunderts nach
einem Städtekrieg — unter Graf Ulrich dem Vielgeliebten (141g—80), der eine weitgehende
Bautätigkeit entfaltete. Das Gepräge, das sie trägt, ist das der Gotik in ihrer Spätblüte.
1436 wurde der Grundstein zum Deubau des Langhauses der Stiftskirche gelegt. Hn Stelle
jener romanischen Basilika tritt eine spätgotische Hallenkirche mit etwas höherem, doch fenster
losem Mittelschiff und Kapellenreihen längs der Seitenschiffe, welche durch Einziehen der Strebe
pfeiler gewonnen wurden. So erscheint das Innere fünfschiffig und macht durch den reichen
Wechsel von Stützen und Räumen, die schönen Detjgewölbe und die fülle der hier vereinigten
Denkmäler einen bedeutenden Eindruck, obwohl die Maße (für die erste Kirche der Landes
hauptstadt) nur bescheidene zu nennen find. Kräftig steigt der im Innern auf mächtigen Pfeilern
ruhende GUestturm empor, vom vierten Viereckgeschoß an mittels Schrägen ins Achteck über
gehend; über zwei Achteckgeschoßen mit drei Maßwerkgalerien bildet ein niedriges Zeltdach den
Abschluß. Meister Eberlin von Stuttgart, 1451 und 1456—67 erwähnt, leitete den Bau, den
Albrecht Georg (Hberlin Jörg), der im Land vielbeschäftigte Kircbenbaumeister, fortsetzte. Das
Langhaus wurde 1495 mit Einsetzung der großen (üeftfenfter vollendet, der Weftturm 1531, der
unten romanische Südturm 1488 in der Höhe mit spätgotischen Maßwerkfenftern versehen und
mit Spitzdach samt Laterne abgeschlossen. Das herrliche Apofteltor an der Südseite der Kirche
von 1494—95 trägt dreimal den Wappenschild Albrecht Georgs. Dem kunftfreundlichen Grafen
Ulrich verdankt Stuttgart auch seine beiden andern älteren Kirchen, gleichfalls Schöpfungen
Albrecht Georgs. In den Jahren 1470 und 1471 ersteht an Stelle der St. Leonhardskapelle
in der Eßlinger Vorstadt die St. Leonhardskirche, ein dreischiffiger netzgewölbter Hallen
bau von feinen Verhältnissen, von Osten her gesehen besonders wirkungsvoll durch den südlich
stehenden stattlichen Curm mit feinem schlanken, achtseitigen Zeltdach. Vor der äußeren Chor
wand erhebt sich der sogenannte „Oelberg“ (richtiger Golgatha), Maria, Johannes und Mag
dalena zu süßen des Gekreuzigten, eine Gruppe von ergreifendem Ausdruck, 1501 vom Meister
Hans aus Heilbronn mit vollendeter Kunst gemeißelt (in unsern Cagen von A. Donndorf er
neuert, während das ursprüngliche Werk in die Hospitalkirche versetzt wurde). In der Curnier-
oder oberen Vorstadt beginnt Ulrich 1471 an Stelle der Liebfrauenkapelle eine Kirche zu
Unserer lieben frau und St. Ulrich, die jetzige Spitalkirche, einen schlichten Bau mit
drei gleich hohen Schiffen, der 1493 vollendet wird. Ihre ursprünglich flachen Decken wurden
1821—22 durch hölzerne Kreuzgewölbe ersetzt. Von großer Schönheit ist der Kirchenftand,
welchen der fürstliche Bauherr in Gestalt einer gewölbten Halle im nördlichen Seitenschiff für
sich errichtete. 1473 verband Graf Ulrich mit der Kirche ein Dominikanerkloster, dessen
Mönche er aus Dürnberg berief. Der größtenteils erhaltene, doch seit ,839 seiner Gewölbe be
raubte Kreuzgang an der Dordseite der Kirche (der einzige in Stuttgart) enthält neben anderen
Denkmälern die Grabplatte des berühmten Humanisten Johannes Reuchlin von 1501 mit der
von ihm verfaßten dreisprachigen Inschrift (vgl. S. 10). Den jetzigen Curm erhielt die Spital
kirche erst 1730—38, da das Dominikaner- (als Bettelorden-) Kloster nur zu einem Dachreiter
berechtigt gewesen war.
207
4- ^gsaatgtm ■ -