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*S- Vorn 'Jahr 1816 bis zur Gegenwart
zugebracht zu baden, unä Mein wie Beckarwein bade ich nie getrunken. Lebe wobt, freund-
Uches Stuttgart mit äen Neben Cinwobnern, erfreut euch eurer berrNchen Batur unä schönen
Meins — lebe glücklich, königlicher Mann, äem äas Mobl unä die Bildung seines Volkes so
am Kerzen liegt!"
Oie übliche Mirtsbausgeselligkeit durch literarische und künstlerische Genüsse zu veredeln,
batten im Bnfang des Jabrbunderts die gebildeten Breise sich in der Museumsgesellschaft zu-
samrnengetan (Seite 46). Zu dem eigenen Haus an der Banzleistraße, das sie seit 1816 besaß,
wurde ,836 die schöngelegene Silberburg mit großem Garten im Süden der Stadt, trüber Land
baus des Fürsten Laris, dann Mirtschaft eines Herrn Silber, erworben (für 20000 Gulden!).
6ine äbnliche Vereinigung, die sogenannte Bürgergesellschaft, gründete 182z die mittlere Bürger-
klasse und erwarb 1834 den Galtbof zum Bönig von Mürttemberg an der Langenstraße, von
dem sie einen Ceil für ihre Zwecke einrichtete. Engere, ausschließendere Verbindungen von
Bünstlern und Männern der Mistenschaft und Literatur, auch Adeligen, traten unter dem Pro
tektorat des Bronprinzen in der durch Oingeistedt und Hackländer ,843 gegründeten „Glocke",
welcher in ibrem Beginn auch Geibel und Liszt angebörten, später im „Olymp" und „Merst"
sowie im „Bergwerk" zusammen. Mas uns Menzel von der einstigen Geselligkeit im Museum,
Hackländer von der in der Glocke erzäblen, könnte uns Großstädter des ,9. Jabrkunderts ver
muten lasten, daß die Sage von der guten alten Zeit, im Sinn einer barmlos, geistvoll
vergnüglichen Zeit, nicht ganz unbegründet sei, wie wir denn die politischen und sozialen
Errungenschaften der letzten vier Jakrzeknte gewiß mit einer Einbuße an Bebagen und — Mitz
bezablt baben.
II. Die Teil vom kegierungsanlrill König Karls bis beule.
Oer große Friedrich ist seinen Berlinern schließlich zu alt geworden — sollte es dem
Mürttemberger Milbelm bester ergeben? Oie Belidenz und das Land saben „in den letzten Jabren
des bochbetagten fürsten den Gang der Geschäfte verlangsamt, manche dringende fragen ins
Stocken geraten, manche wünschenswerte Beform vertagt". So kam es, daß beim Begierungs-
antritt seines Sobnes Barl (geboren Stuttgart, 6. März 1823, f ebendaselbst, 6. Oktober 1891),
neben der allgemeinen Lrauer um den Oabingeschiedenen doch „ein frischer Luftzug der Hoffnung
und des Vertrauens durch das Land webte". Ourch manche Gemüter auch etwas von ernster
Sorge und banger Erwartung. Oenn das Oringendste und Schwierigste, die große deutsche
frage, deren Lösung im dänischen Brieg soeben eingeleitet, aber auch recht verwickelt wurde,
mußte endlich gelöst werden, und ist dann in den nächsten Jabren durch zwei ungleich blutigere
Briege gelöst worden. Oem württembergischen Bönig war sein Bnteil an der Entwicklung der
Oinge in diesen Jakren nicht leicht gemacht. Oer alte schwäbische freikeits- und Sondergeist
war längst mit Bbneigung und Vorurteil gegen den „Borden" durchtränkt, den doch die wenigsten
kannten; jetzt wurde ermächtig angefacht in einer rübrigen Presse, voran dem seit 1863 von dem
ebemaligen flüchtling Barl Mayer mit Geist und Mitz geleiteten Beobachter, sowie durch ein
Vereinswesen, dem die im März 1864 gegründete Stuttgarter Volkspartei fükrerin war. Oazu
kam, daß dem Bönig in der Eochter des Zars Bikolaus, Olga (geboren n. September ,822,
-j- friedrichsbafen, 30. Oktober 1892), eine Bönigin zur Seite stand, die, obwobl des Preußen-
Königs. nachmaligen Baisers Milbelm Bichte, mit dem Gedanken an irgend welchen Verzicht auf