Full text: Das Gesetz der kleinen Zahlen

Vorrede. 
Die vorliegende Abhandlung stellt den ersten Versuch dar, sta 
tistischen Reihen, welche aus kleinen absoluten Zahlen bestehen, vom 
Standpunkte der Wahrscheinlichkeitsrechnung aus näher zu treten. 
Fafst man z. B. irgend einen der kleinsten deutschen Bundesstaaten 
ins Auge, so pflegen darin in jedem Jahr selten über 10 weibliche 
Selbstmorde vorzukommen. In manchem Kalenderjahr gelangt über 
haupt kein einziger solcher Fall zur Verzeichnung. Die detaillirten 
statistischen Nachweise unserer Zeit bieten recht viele Beispiele von 
statistischen Reihen der gesagten Art. Solche Reihen sind aber von 
der wissenschaftlichen Statistik bisher kaum eines Blickes gewürdigt 
worden, und zwar aus dem Grunde, weil bei so kleinen Zahlen die 
Wirkung der zufälligen Ursachen zu stark hervortrete. Hier kommt 
es in der That nicht selten vor, dafs von zwei unmittelbar aufeinander 
folgenden Zahlen die eine um ein vielfaches die andere übertrifft, ja, 
dafs das Verhältnis der einen dieser Zahlen zu der anderen (wenn 
letztere gleich Null ist) durch den Zahlenwert unendlich ausgedrückt 
wird. Da nun aber jede Folgerung aus Zahlen, welche eine statistische 
sein will, sich stets auf die Voraussetzung gründe, dafs sich die Wir 
kungen der zufälligen Ursachen ausgleichen, so seien, meint man, jene 
kleinen Zahlen an sich offenbar wertlos. 
Soweit es sich um die Ergründung desjenigen Theiles der Er 
scheinungen handelt, welcher von den Wirkungen der zufälligen Ur 
sachen gewissermafsen als unabhängig gedacht ist, erscheint die 
Geringschätzung der kleinen Zahlen als vollkommen begründet. Nicht 
aber, wenn es darum zu thun ist, gerade die Gesetze des Zufalls an 
den statistischen Daten zu untersuchen, d. h. die Frage zu prüfen, ob 
die Vorstellungen und Lehren der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die 
Statistik anwendbar seien. Denn es ist ein methodologischer Grund 
satz jeder Erfahrungswissenschaft, die Bedingungen der Erfahrung stets 
so zu gestalten, dafs die Wirkungen des Faktors, welcher zu erfassen 
und zu erforschen ist, möglichst zur Geltung gelangen. 
Dieser Gedanke hat den Verfasser bei der Untersuchung geleitet, 
deren mathematische Grundlegung den Gegenstand des ersten Kapitels 
bildet. Im zweiten Kapitel ist an der Hand der entwickelten Formeln 
versucht worden, über einige Daten der Selbstmord- und der Unfall-
	        
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