80 Christian Doppler.
[3] Herr Dr. Ballot führt nämlich S. 336 seiner Abhandlung
als eine ihm noch unerklärliche Anomalie an, dass nach‘ über-
einstimmender Aussage der Musiker der kommende Ton weniger
erhöht, als der gehende erniedrigt gehört worden sei, im Ver-
gleich nämlich mit dem objectiven. Allein gerade ein solcher
Sachverhalt folgt mit Nothwendigkeit aus meiner Theorie, indem
die von mir aufgestellte Formel es bis zur Evidenz darthut,
dass bei gleicher Geschwindigkeit der gehende Ton mehr er-
niedrigt, wie früher der kommende Ton erhöht gehört werden
müsse. — Das Verhältniss der Töne zu einander in Bezug
auf ihre Höhe ist nämlich kein arithmetisches, sondern ein
geometrisches, und drei Töne, die Z. B. in der Sekunde
64 Schwingungen machen, und von denen der erste in Folge
einer Bewegung des Beobachters 34 Schwingungen einhbüsst,
der letzte dagegen eben so viele für die subjective Wahr-
nehmung gewinnt, während der mittlere sich gleich bleibt, ver-
halten sich rücksichtlich ihrer Höhe wie die Zahlen 30:64:98,
oder sehr nahe wie 1:2:3, mithin fast wie der Grundton zur
Oetave, und wie diese zum Tone G. Während demnach ein
Beobachter den gehenden Ton um eine ganze Octave erniedrigt
hört, vernimmt er bei ganz gleicher Geschwindigkeit den
kommenden nur als dessen nächst höhere Quinte. — Allgemein
aber verhalten. sich gehender Ton, stehender und kommender
Ton, bei einer Bewegung des Beobachters wie: (v— a):v:(v-+a);
bei einer Bewegung der Quelle aber wie: © (d — a); (0* — a’)
:v (v + a); — wie sich dies unmittelbar aus den Formeln selber
ergiebt. Eben diese Formeln zeigen auch, dass Zwar der
Unterschied des Unterschiedes um So unmerklicher wird, je
grösser die Schwingungszahlen werden, dass er aber doch stets
vorhanden sei, und unter günstigen Umständen sogar noch
wahrnehmbar werden müsse. Wie aber Tonunterschiede und
deren weiterer Unterschied zu ermitteln sind, hat schon Chladni
in seiner Akustik. (S, 9, Anmerk.) genügend dargethan. — Wenn
daher diese Wahrnehmung gleichwohl nicht ausnahmslos ge-
macht worden war, so muss [4] der wahre Grund hiervon in
der ungleichen Geschwindigkeit der kommenden und gehenden
Locomotive oder sonst anderswo gesucht werden. — Und so
ist denn das, was im ersten Augenblicke als eine die Theorie
benachtheiligende Anomalie erschien, bei genauerer Erwägung
zu einer neuen schönen Bestätigung derselben geworden. 2!)