Full text: Neubauten und Concurrenzen in Österreich und Ungarn : Organ für d. Hochbaufach u. seine Interessenten, I. Band (1895)

  
  
  
  
  
  
    
Neubauten und 
Seite 94. 
Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn. 
bii 
Wettbewerbe und Regierung in Oesterreich. 
us allen Theilen Deutschlands, in allen Organen. 
in denen die Interessen der Architektenschaft 
zum Ausdrucke gelangen, hört man über die 
Durchführung der ausgeschriebenen Wettbewerbe 
die Bedingungen der Ausschreibungen‘ selbst 
Gewiss mit Recht. Dieselben Klagen, aber 
sind leider bei uns in Oesterreich 
und wenn sie weniger laut vernehmbar sind, 
geringere Intensitit unseres öffentlichen 
tor den Architekten, schuld. 
Wäre aber der österreichischen Architektenschaft 
dadurch wesentlich geholfen, dass die derzeit. zur Aus- 
schreibung gelangenden Concurrenzen unter vernünftigeren 
Bedingungen und mit hôheren Preisen stattfinden würden? 
Wäre es von. grosser Bedeutung, wenn Ge- 
meinde 4 für den Neubau eines Sparcassegebäudes, eines 
   
über 
und 
bittere Klagen. 
in noch erhöhterem Masse, 
berechtigt, 
so ist daran die 
Lebens, speciell unter 
die 
Spitales, einer Schule o. dgl. drei Preise von zusammen 
1200 fl.. statt wie bisher von 800 fl. ausschreiben würde? 
uns nicht. Wir halten die jetzt zumeist 
übliche Art der Ausschreibung auf Grund von unfach- 
männischen und unvernünftigen Programmen mit ganz 
ungehörigen zeichnerischen Anforderungen an den Be- 
werber, mit lächerlich geringen Preisen und odiosen Be- 
dingungen, welche den Sieger um jeden weiteren Vortheil 
als die Erlangung des Preises bringen und alle Preis- 
bewerber dem Ausschreibenden auf Gnade und Ungnade 
ausliefern, wir halten diese Art der Ausschreibung manches- 
mal für schlau, öfter für unvernünftig und jedesmal für 
unstatthaft. 
Aber was der ósterreichischen Architektenschaft vor 
Allem Noth thut, das sind bedeutende Wettbewerbe für 
grosse, monumentale Bauten, Wettbewerbe, die in un- 
serem Vaterlande zu den grössten Seltenheiten gehören, 
ja seit Jahren überhaupt nicht vorgekommen sind. 
Man missverstehe 
Bei der grossartigen Entfaltung des wirthschaftlichen 
Lebens in Deutschland und der beispiellosen Blüthe seiner 
zahlreichen grossen Städte sind es diese in erster Linie, 
deren Bedürfnisse fortwährend Gelegenheit zur Ausschrei- 
bung bedeutender Wettbewerbe geben. In Oesterreich 
fehlt diese Gelegenheit fast ganz, und sind es, wie schon 
erwähnt, beinahe ausschliesslich kleinere Utilitätsbauten, 
Schulen, Spitäler, Schlachthäuser u. dgl., selten eine Kirche, 
eine Sparcasse etc., die zur Ausschreibung gelangen und 
auch nur von Seiten kleinerer Gemeinden, während die 
grösseren Städte ihre baulichen Bedürfnisse, die sich auch 
beinahe nur auf Nützlichkeitsbauten beschränken, fast aus- 
schliesslich nur durch ihre Bauämter besorgen lassen. 
Nur die Regierung ist es in Oesterreich, welche der 
Misere der Wettbewerbe gründlicher abhelfen kónnte, ist 
der Staat doch hierzulande bei weitem der grösste Bau- 
herr. Der Staat ist es, der seit einer Reihe von Jahren 
die bedeutendsten Hochbauten für öffentliche Zwecke in 
Oesterreich theils selbst ausführt, theils durch Fondsver- 
waltungen etc., die ganz unter seiner Leitung stehen, aus- 
führen lässt... Wir meinen Kirchen, Schulbauten, sowohl 
für Hochschulen, als auch für Mittel-, Gewerbe- und Fach- 
schulen. Gebäude der Post- und 
schul Telegraphenverwaltung, 
fiir Zwecke 
der Justiz, Spitäler, Asyle, Kasernen etc. etc. 
Diese Staatsbauten werden fast ausnahmslos nur 
den Staatstechnikern, und zwar auf dem ganz gew óhn- 
lichen actenmissigen Wege behandelt. Soweit es sich um 
reine Nützlichkeitsbauten kleineren Umfanges handelt, mag 
dieser Weg ja der richtige sein. Ganz anders verhält es 
sich bei Monumentalbauten. Wenn die Staats- oder öffent- 
ne Gondsvervattuns pei Solchen grossen Bauten auf 
s gena grammes nur wenigstens eme 
Ideenconcurrenz ausschreiben würde! DieBaukosten würden 
sich bei reichlicher Bemessung der Preise vielleicht um 
zwei bis drei Procent erhöhen, die Staatsverwaltung käme 
aber, wenn sie schon durchaus durch ihre eigenen Organe 
ds Baupläne verfassen lassen will, in den Besitz einer 
Interlage von solcher technischer und vor Allem künst- 
von 
En ee 
wie sie die staatlichen Baubureaux 
Aufgaben mit 
Auf diese 
lerischer Vollendung, | 
bei der dort üblichen Behandlung solcher 
den tüchtigsten Kräften nicht schaffen kónnen. 4 
Art aber wäre vielen Architekten, insbesondere der 
jüngeren, nachstrebenden Generation; Gelegenheit ge- 
geben, sich zu ihrem und der Allgemeinheit Nutzen her- 
vorzuthun. 
Das ganze 
sich durch das massgebende Beispiel des 
bezüglich der Art der Dürchführung der 
auf eine hóhere Stufe bringen. 
Die Beträge, welche der 
Hochbauten ausgibt, zählen 
selbst nach Millionen Gulden. Man denke nur an den 
Acht-Millionencredit, welcher zur freien Verfügung der 
Regierung zum Zwecke der Errichtung von Hochschul- 
bauten steht. Aber auch diese Ausgaben werden voraus- 
sichtlich nichts zur Hebung der Baukunst in Oesterreich 
beitragen. Kein Wettbewerb wird für Bauten aus- 
geschrieben werden, ebensowenig wie für den Neubau 
der Universität in Graz, das Delegationsgebäude in Buda- 
österreichische Wettbewerbswesen liesse 
Staates auch 
Wettbe werbe 
Staat alljährlich für solche 
nach Hunderttausenden, ja 
liese 
pest oder den Bau der Hochschule für Bodencultur in 
Wien. Ein an dem betreffenden Platze sitzender Staats- 
techniker, vielleicht nicht einmal ein Architekt, sondern 
ein Bauingenieur, erhält den Auftrag, nach einem, von einer 
Commission, in welcher juristisch gebildete Concepts- 
beamte verschiedener Behórden das grosse Wort führen, 
nach Anhórung des betreffenden Professorencollegiums 
aufgestellten Programme ein Gebäude zu projectiren. Das 
Project sammt Kostenvoranschlag wandert von einem 
Bureau ins. andere, von einem Ministerium ins andere. 
Jedes Amt streicht und reducirt, wobei es stets Hofrathe 
und niemals Fachleute, Architekten sind, denen die Ent- 
scheidung, das letzte Wort zufällt. 
der 
auf 
Am Schlusse der letzten Reichsrathssession hat 
Referent. für Hochschulen, Hofrath Beer, im Hinblicke 
einige ganz charakteristische Beispiele 
bureaukratische Verfahren mit seinen endlosen 
schleppungen in überaus scharfen Worten 
wobei er allerdings nicht auch erwähnte, 
letzte Rest von künstlerischem 
projecten staatlicher Behórden auf diesem 
abhanden kommen muss. Auf diesem Wege hat sich die 
le. k. Ministerial-Architektur in Oesterreich herausgebildet, 
welche mit ihrem mehr als nüchternen, jedes Schwunges, 
jedes wahren Styles entbehrenden Aeusseren den Eindruck 
macht. wie wenn alle diese nur Kasernen oder 
Spitäler wären. Die Anwendung edlen Materiales, reicher 
plastischer oder malerischer S hmuck ist als unókonomisch 
orundsätzlich ausgeschlossen, einige Embleme deuten den 
Zweck des Gebäudes r in seiner Architektur keinen 
Ausdruck findet. 
Es könnte darauf hin 
dieses 
Ver- 
cegeisselt, 
wie selbst der 
| Hochbau- 
aen 
Passionswege 
besonders 
( ;epráge 
Gebäude 
an, de 
cewiesen werden, dass es auch in 
Preussen nicht üblich sei. Wettbewerbe für gróssere Staats- 
bauten auszuschreiben Aber abgesehen davon, dass wir in 
Oesterreich uns ja nicht cerade die weniger empfehlens- 
werthen Einrichtungen unseres Nachbarstaates zum Muster 
nehmen sollten, liegen in. Preussen die Verhältnisse doch 
Zahl und Einfluss der dort im Staats- 
und ausgebildeten 
auch ganz anders. 
dienste angestellten wirklichen Archi- 
tekten ist viel grösser Als hierzulande, wo sie geradezu 
minimal ist, auch wird in Preussen nicht bis zu dem hier 
üblichen Grade ] 
an dem künstlerischen Schmucke gros ere! 
  
Staatsbauten in deh Städten gespart. Schon vielfa 
Verwendung von , s harfeebrannten Facadezieg: In und 
Terracotta-Ornamenten cibt den Gebäuden ein schmu« | 
und reicheres Aussehen, als es die armselig verputzten 
Facaden unserer modernen Staatseebaude zeigen 
So lange der grósste Bauherr in Qesterr ch, dei 
Staat. und in seinem Gefolge die Lànder, ihre Monu 
mentalbauten nur durch ihre Aemter projectiren la 
und so lange Wettbewerbe in OesterT ich fast nur durch 
kleinere Gemeinden und Corporationen ausges( hrieben
	        
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