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Oeffnungen zwei unsymetrische, sog. Halbüffnungen wohl vortheilhafter gewesen wären. Auf-
fällig ist die bei Hüngebrücken sonst nieht übliche Anwendung einer beschotterten Fahrbahn,
wodurch das eigene Gewicht der Brücke mehr als verdoppelt wird und so zwar die Schwankungen,
der Brücke ermüssigt werden, andererseits aber der Vortheil der grossen Leichtigkeit dieses Systems
verloren geht. Besondere Versteifungsmittel zur Aufhebung der Schwankungen sind nicht vor-
handen; vielmehr bleibt diese Funktion lediglich den Lüngstrügern der Brückenbahn überlassen.
Die Construktionsdetails sind grossentheils gut bearbeitet, theilweise aber auch weniger gelungen, wie
z. B. die gusseisernen Trottoir-Consolen. In die beigegebene Berechnung haben sich einzelne
Fehler eingeschlichen, z. B. bei Bestimmung des Eigengewichts der Quertrüger, des Durchmes-
sers der Kettenbolzen, der Maximalpressung in den Pfeilerfundamenten; auch ist diese Berech-
nung insofern nicht vollstündig, als immer nur die gleichfürmige Belastung auf die ganze Lünge
einer Brückenóffnung, hingegen keine einseitige Belastung in Betracht gezogen ist, daher über
den Grad der Steifigkeit der Brücke und über die Inanspruchnahme der betreffenden Construk-
tionstheile keinerlei Aufschluss sich ergibt. ^ Ueberhaupt schliesst sich die theoretische Betrach-
tung genau an den engen Rahmen des Vortrags über Brückenbau an, während eine weitergehende,
selbstständige Behandlung zu wünschen gewesen wäre. Die Architektur der Brücke ist nicht
sehr gelungen: sowohl die allgemeinen Verhältnisse, als auch die Details lassen Manches zu
wünschen und sind die letzteren gar zu nüchtern gehalten. Die Ausführung der Zeichnungen
ist sauber und correkt, wenn auch ohne Kunstwerth.
Preis oder Belobung konnte dieser Arbeit nicht zuerkannt werden.
Eine zweite Lósung der gestellten Aufgabe ist mit dem Motto eingelaufen:
»Hab den Kaufmann gesehn und den Ritter
»Und den Handwerksmann und den Jesuiter,
»Und kein Rock hat mir unter allen
«Wie mein eigenes Wamms gefallen.»
Diese Lösung gibt ebenfalls den Entwurf einer Kettenbrücke. Dieselbe stimmt mit
jener ersten insofern überein, als auch hier zwei symetrische Oeffnungen und eine Fahrbahn
mit Beschotterung angewendet sind, — beides wurde oben als nicht empfehlenswerth bezeichnet
— unterscheidet sich aber davon vortheilhaft insofern, als hier die für den Verfasser neue Idee
einer versteiften Kette mit drei Charnieren zur Ausführung gebracht ist. Gibt sich schon hie-
dureh ein gewisser Grad von selbststindiger Erfindungsgabe kund, so bezeugt auch die wei-
tere Durchführung der Arbeit eine nicht gewóhnliehe Klarheit, Gründlichkeit und wissenschaft-
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