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wie die Entwicklung der Technik. Aber 1899 betrug z. B. das Anlagekapital der Preussischen Staats-
bahnen 7500 Millionen Mark, welche 18300 Millionen Jahreseinnahme brachten und davon 360 Millionen
für allgemeine Staatszwecke übrig liessen. Deutsche industrielle Etablissements waren bahnbrechend auf
dem Weltmarkt vorgegangen und zu einer Ausdehnung gelangt, vermóge deren sie Arbeiter mit Familien
bis zur Einwohnerzahl deutscher Kleinstaaten ernührten.
In Wechselwirkung damit hatten die Technischen Hochschulen ihre Organisation mühsam, aber
getragen vom Geiste des Jahrhunderts vollendet und sich, wie Kaiser Wilhelm im Lichthofe der Tech-
nischen Hochschule zu Berlin erklärte, den Universitäten ebenbürtig an die Seite gestellt. An eine Ver-
bindung beider war nun kaum mehr zu denken und sie wäre auch wohl nicht mehr wünschenswert. Die
Kulturgeschichte wird es daher als eine der Ruhmesthaten des Kaisers verkünden, dass er aus seiner
Erkenntnis sofort den richtigen Schluss zog und trotz aller Gegnerschaften —- Privilegien pflegen nicht
freiwillig zum Mitgenuss überlassen zu werden — den Technischen Hochschulen Preussens das Pro-
motionsrecht verlieh. Mit dankerfülltem Herzen durften wir erfahren, dass Seine Majestät der König,
dessen Ahnen Einer schon in der hohen Karlsschule eine wirkliche Universitas litterarum anstrebte, dem
Beispiele seines hohen Bundesgenossen ohne Zögern gefolgt ist. So hat das eiserne Jahrhundert, das
Jahrhundert des Dampfes und der Elektrizität, auch für die Technik, welche ihm das Gepräge verlieh,
einen würdigen Abschluss erlangt.
Man hat gefragt, warum wir so grosses Gewicht auf das Promotionsrecht legten, und selbst
aus den Kreisen der Technik sind Einwände erhoben worden. Nun, für uns Professoren haben wir es
nicht gesucht, wir werden lediglich Arbeit damit haben, da auf jede Honorierung verzichtet wird. Der
erste Grund war die nötige Unabhängigkeit der Hochschule in Betreff derjenigen Studierenden, welche,
wie die Chemiker, schon früher promoviert hatten. Sodann mussten wir im Interesse der von uns ver-
tretenen Wissenschaften und der Heranziehung einer möglichst leistungsfähigen akademischen Jugend
eine solche Krönung des Gebäudes anstreben, wie sie nun einmal in den Augen Vieler als der notwendige
oder allein brauchbare Ausdruck für den Charakter einer vollwertigen Hochschule galt. Nachdem dies
erreicht ist, kommt es auf die häufige Verwendung des neuen Rechts. weit weniger an. Man braucht
nicht zu fürchten, dass nun bald überall technische Doktoren herumlaufen werden, dafür haben die Grund-
züge für die Verleihung der neuen Würde gesorgt; wir können nur wünschen, dass dieselben bald Schule
machen mögen. Mindestens ebenso wichtig wie der Doktoringenieur ist der nun geschützte Titel eines
Diplom-Ingenieurs. Aber alle Titel sind nur Dekoration, die Hauptsache ist, was geleistet wird. Nie-
mals dürfen wir vergessen, dass nur die Förderung der Erkenntnis und der Kultur die Hochschule cha-
rakterisiert, und dass ihr Nützlichkeitsstandpunkt durch die Auffassung von Kant und Krupp markiert
sein muss: „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein“.
Die deutschen Technischen Hochschulen, sämtlich Kinder unseres Jahrhunderts, blicken auf eine
arbeitsreiche Vergangenheit zurück. Selbst erst in der Entwicklung begriffen, unter wechselvollen An-
forderungen und mancherlei Kämpfen, hatten sie einem beispiellosen Aufschwung der Naturwissenschaft
und Technik, der Industrie und des Verkehrs gerecht zu werden, mit den politischen und sozialen Ver-
hältnissen Schritt zu halten und sich zugleich diejenige Stellung zu erringen, welche der Bedeutung
ihrer Wissenschaften im heutigen Kulturleben der Völker entspricht. Das ist im Grossen und Ganzen
gelungen. Unsere akademische Jugend übernimmt vom meunzehnten Jahrhundert ein einiges müch-
tiges Vaterland mit gesicherten Stätten fruchtbarer Thätigkeit auf allen Gebieten. An ihr ist es, das
Erworbene zu wahren und zu mehren, den hohen Erwartungen, welche auf sie gesetzt werden müssen,
durch Selbstzucht und unablüssige Arbeit gerecht zu werden. Wir zweifeln nicht, dass sie diese Pflichten
mit Freude übernehmen und sich eines grossen Volks und einer grossen Zeit würdig erweisen wird!
Die Rede schloss mit einem Salamander auf die deutsche akademische Jugend.
Im Laufe des Kommerses wurden seitens der Studentenschaft Huldigungstelegramme an
Seine Majestät den Kaiser und Seine Majestät den König abgesandt, worauf in den nächsten Tagen
folgende telegraphische Antworten eingingen:
; Potsdam, 2. Mrz.
An das Prüsidium des Festkommerses.
Se. Maj. lassen der zum festlichen Kommerse vereinigten Studentenschaft der Technischen Hoch-
schule für die zum Ausdruck gelangte treue Gesinnung herzlich danken.
Auf allerhóchsten Befehl
Bieber, Major.