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No. 49. „Im Grünen“. Ein Grundriss mit weniger bebauter Fläche wäre ein
Gewinn für den Entwurf gewesen. Zugfreier Eingang zur Haupttreppe hätte vorgesehen
werden sollen. Im Erdgeschoss ist die Lage des Botenzimmers und der Aborte, im Ober-
geschoss die des Saalvorraumes und der zugehörigen Klosettanlage, sowie die La ge des
Speisezimmers eine verfehlte. Bei der reizvoll durchgebildeten Fassade war zu vermeiden,
das Empfangszimmer gleichwertig mit dem Hauptraum des Gebäudes, dem Kreistags-
Sitzungssaal, erscheinen zu lassen. Eine im Sinne des Programms etwa vorzunehmende
Durcharbeitung dieses Entwurfs müsste in erheblichem Umfange den Aufwand an Dachflächen
beschränken, den der Verfasser zur äusseren Ausstattung des Bauwerkes sich gestattet hat.
No. 56. „Gute Aussicht“. Die Grundrisslösung muss im grossen und ganzen als
eine verhältnismäfsig gute bezeichnet werden. Nur Einzelheiten sind zu beanstanden: Die
unglückliche Lage der Erdgeschoss - Klosetts, die 3eleuchtung : der Haupttreppe und der
mehr ins Gewicht fallende Umstand, dass das Speisezimmer nicht im Turnus der Haupträume
der landrätlichen Wohnung liegt. Die Fassaden zeichnen sich durch Ruhe und angemessene
Einfachheit aus. Dagegen hätte die Dachbildung weniger aufwandreich sein können.
No. 60... „,Malerisch‘‘. Auch diese Grundrissdisposition entspricht im wesentlichen
den gestellten Anforderungen, wenngleich die Lage des Botenzimmers und die der Aborte
als eine verfehlte bezeichnet werden‘ muss. Die Raumentfaltung am Eingange zu den
Geschäftszimmern ist für vorliegende Zwecke eine fast verschwenderische. Dass bei der
Festlegung des Grundrisses nicht bereits auf eine zugfreie Haupttreppe Bedacht genommen
wurde, vermindert ebenfalls den Wert der Lösung. Die Fassaden sind weniger ansprechend
und zeigen in nicht genügender Weise den Charakter eines Verwaltungsgebäudes,
No. 64. „Urbi et orbi“‘. Der interessante Grundriss leidet daran, dass der Aus-
bildung der Strassenfronten ungenügend Rechnung getragen ist. Unpraktische Turmzimmer
hätten mit Rücksicht auf die ergangenen Verwarnungen: nicht gezeichnet werden sollen. Die
Hauptfassade mit ihrem wuchtigen, zu den Geschäftsräumen führenden Portal und mit ihrem
an amerikanische Formen erinnernden Charakter eignet sich wenig für ein deutsches Kreishaus.
No. 135. „Zaurentius‘‘. Die Programmforderungen sind hinsichtlich der Grundriss-
entwickelung und der Fassadengestaltung im wesentlichen erfüllt, der beigegebenen Variante
muss der Vorrang zuerkannt werden. Leicht verbesserungsfähig ist hier die Grundrisslösung
hinsichtlich der notwendigen Beschränkung der zu den Geschäftsräumen führenden Eingangs-
halle, während der Gebäudeeingang an der Haupttreppe unschwer durch etwas reichlichere
Raumentwickelung zweckmäfsiger und würdiger ausgestaltet werden kann. Das Sitzungs-
zimmer des Kreisausschusses und das Botenzimmer müssen und können bessere Lagen er-
halten. Auch sind im Mittelbau die Zimmertiefen unter gleichzeitiger Vergrösserung der
Fensteraxen etwas einzuschränken. Die aus dem Grundriss richtig entwickelte Fassade kann
wegen ihrer charakteristischen Ruhe und Einfachheit den für die Ausführung bestimmten
Bauplänen zu Grunde gelegt werden.
Aus den vorstehend besprochenen Entwürfen wurden nunmehr wiederum mit Stimmen-
einhelligkeit die folgenden für die Zuteilung der Preise ausgewählt und zwar wurde
I. der erste Preis dem Entwurf mit dem Kennwort „Laurentius“,
2. der zweite Preis dem Entwurf mit dem Kennwort „Gute Aussichten‘,
3. der dritte Preis dem Entwurf mit dem Kennwort „Malerzisch‘‘ Ö
zugeteilt. Die Arbeiten mit dem Motto „„Ur6r et orbi‘ und „Zr Grünen“ wurden zum
Ankauf empfohlen.
Die Eröffnung der Umschläge ergab als Verfasser:
ad. 1. die Architekten Wz/h. Lübke, Charlottenburg und Robert Becker, Berlin,
ad. 2. den Architekten Paul Baumgarten in Berlin,
ad. 3. den Lehrer an der Baugewerkenschule zu Zittau, Architekt Arthur Krutsch.
Bauausführung.
Es ist beschlossen, den mit dem I. Preis ausgestatteten Entwurf mit dem Kennwort
„Laurentzus“ der Architekten Zwb%e und Becker in Berlin auszuführen und zwar mit der
Grundriss - Variante. AHNerdings sind noch Aenderungen im Grundriss vorgenommen. Diese
bestehen erstens in einer Verminderung der Zimmertiefen der Westfront auf 6.25 m, sowie
unten (Erdgeschoss) in einer aus geschäftlichen Gründen gebotenen gegenseitigen Verlegung
einiger Räume, desgl. auch der Klosettanlage und im Obergeschoss in einer zweckmäfsigeren
Raumverteilung, namentlich um grössere, wenn auch weniger Räume zu erhalten.‘ In die
Seit Oktober 1900 begonnene Bauausführung teilen sich die Architekten Z%6%e und Becker und
ein vom Kreise angenemmener Architekt in der Weise, dass erstere die architektonische
Leitung und letzterer die geschäftliche Leitung übernommen hat. Als Zeitpunkt der
Vollendung (d. h. der Bewohnbarkeit) ist der 1. Juli, spätestens 1. Oktober 1902 in Aus-
sicht genommen.