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widerſprechende Vorgehen für ungerechtfertigt, begnügte sich aber mit
einer Verwahrung ohne die Frage weiter zu verfolgen. Aber der
peinliche Eindruck im ganzen Lande blieb. Und da die Regierung
beim Haushaltplan 1858/61 ihr Vorgehen wiederholte, wiederholte
auch die 2. Kammer ihre Verwahrung. :
Daß unter ſolchen Umständen schwere Zuſammenstöße mit Cinden
nicht ausblieben, ist nicht zu verwundern. Beſonders ſchwer gestaltete
sich der am 23. November 1854, wo die 2. Kammer die Bitte an
. die Regierung beschloß, die vorgelegten vielen Geſsetzgebungsarbeiten,
die die Kammer als rückſchritilich, ja als „empsrend“ empfand, im
Hinblick auf die große, auch von Linden anerkannte materielle Not
des Landes und auf die allgemeine politische Lage (Krimkrieg) auf
einen geeigneteren Zeitpunkt zu verſchieben. Die Regierung ſchlug aber
nicht nur dieſe Bitte schroff ab, sondern sprach zugleich die „zuversſicht-
liche Erwartung“ aus, dgß die bei der Beratung in der Kammer
gefallenen befremdlichen Äußerungen sich nicht wiederholen werden.
Moriz Mohl wies diese ungehsrige Uritik der Regierung zurück; die
Kammer legte das Reſkript unbeantwortet zu den Akten.
Besonders widerwärtig war der 2. Kammer der Verſuch der
Regierung die Ablssungsgesete von 1848/49 zwar nicht rückgängig
zu machen, aber den Berechtigten eine größere Entschädigung zu ver-
schaffen. Daß jene Gesetze die Entschädigung sehr nieder feſtgeſetzt
alten, iſt ſchon bemerkt. Für Kirchen- und Schulſtellen mußte der
taat, bei wohltätigen Stiftungen die Gemeinde in die Lücke treten,
und die „Entschädigungen für Einkommensverluſte infolge der Ab-
lösungen“ bildeten von jetzt an eine ständige Etatsrubrik. Dem Adel
aber wollte Linden auf Wunſch des Königs helfen durch einen Geſetz-
entwurf, der dem Adel eine Üachentschädigung durch den Staat von
über 5 Millionen Gulden gebracht hätte; 31. Oktober 1854. Dagegen
erhob sich lauter Widerspruch. Der Staat und der Mehrteil des
Volkes hatten von jenen Ablsſungsgeſetzen keinen Vorteil gehabt. Der
Adel ſelbſt war es gewesen, der i. I. 1848 mit anerkennenswerter
Hingabe die Ablssung gefordert, den vorgelegten Grundzügen zuge-
stimmt, den Gesetzesentwurf einstimmig angenommen hatte (S. 85);
von Vergewaltigung und Raub konnte alſo beim Ablssungsgeseiz von
1848 jedenfalls keine Rede sein. Zudem war der Adel nur allzu lang
im ungeſstsrten Genuß überlebter Nutzungen geblieben, hatte auch in
den Gesetzen von 1836 eine mehr als reichliche Entſchädigung ertrottt,
so daß nur eingetroffen war, was i. IJ. 1836 der Abgeordnete Wieſt
vorausgeſagt hatte: „wenn wir nun auch etwas zuviel geben, ſo kann
doch eine Zeit kommen, wo wir sagen können, wir wollen es wieder
in Abrechnung bringen“. Die Kommission der 2. Kammer war da-
her mit allen gegen 1 Stimme gegen den Entwurf. Auch die Re-
gierung erklärte dem Bundestag, daß die Standesherren in Württem-
berg durch die Ablsſung nicht ſtärker benachteiligt worden seien als
in anderen deutschen Staaten. Denn die .Standesherren hatten fich zu