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in Frage gestellt wäre; an sich hätte die Regierung keinen Anlaß auf
die Mitwirkung der 24 Standesherren bei der Gesetzgebung Wert zu
legen, zumal 15 davon durch ihre beständige Abwesenheit ihre mangelnde
Teilnahme genügend bekundeten. Auch die Prinzen sollten ihren Sitz
in der ]. Kammer behalten, Prinzen und Standesherren aber dadurch
tatsächlich auf wenige Stimmen beſchränkt werden, daß die Stimmüber-
tragung an andere Mitglieder abgeschafft und nur an einen Agnaten
als beſonderen Vertreter zugelaſſen werden sollte; denn zu letzteren
würden sich wohl die wenigsten Standesherren entſchließen. Die
vom König zu ernennenden Mitglieder sollten auf Lebenszeit ernannt
werden, nachdem die letztmals vorgeſchlagene Ernennung auf eine
Wahlperiode in der 2. Kammer keinen Beifall gefunden hatte.
Die Vertreter der. Kirche wurden jetzt alle, aber in der bisherigen
Anzahl, aus der 2. in die 1. Kammer versetzt; der Vertreter der
Universität wurde ausgemerzt, da UKultminiſter Golther dies der ge-
planten Wahl durch den akademiſchen Senat vorzog und der Kanzker
ja als lebenslängliches Mitglied berufen werden könne. Auch die
letztmals vorgesehenen, aber angefochtenen 8 Abgeordneten der Ureisſe
und 7 der Gemeindevertretungen in der 1. Kammer wurden fallen
gelassen, da der damit verfolgte Aweck, ein belebendes Element in die
1. Kammer zu bringen, auch anders zu erreichen ſei. Die Ritter
nämlich, die der Entwurf von 1867 hatte verſchwinden laſſen, wollte
der neue Entwurf in die 1. Uammer verſeßen. Beſprechungen der
Regierung mit der Ritterschaft hatten diesen Vorſchlag gezeitigt, nach-
dem die Ritter zur Einsicht gekommen, daß ihre Stellung in der
2. Kammer ,im Geiste der jetzigen Zeit eine nicht mchr halibare ge-
worden“. Die Ritterſchaft hatte aber auf 13 Sitzen auch in der
|. Uammer beharrt, weil ihr Steuerbetreff den der Standesherren
überstieg, alſo 13 Ritter gegenüber 24 Standesherren gewiß nicht zu-
viel seien. Doch fürchteten die Minister hier einen Widerspruch
der Standesherren. Im Durchſchnitt betrug freilich die Steuerſumme
eines Standesherren das Zehnfache der eines der weit zahlreicheren
Ritter. Im einzelnen waren große Unterschiede. Während die 14
größten Standesherrſchaften zwischen 1000 und 5000 fl., Thurn und
Taxis sogar über 12 000 fl. Staatssteuer bezahlten, sank der Steuer-
betreff bei anderen bis auf 157 fl., ja Öttingen-Spielberg zahlte gar nur
1 fl. 18 kr., d. h. weniger als manches Bauerlein, durfte ſich aber gleichwohl
als geborener Geſetzgeber in der 1. Kammer breit machen! Dem weiteren
Wunſch der Ritter, auch gewählte Vertreter der Landwirtſchaft, der
Gewerbe und des Handels in die 1. Iammer zu setzen, glaubte die
Regierung zur Zeit nicht entsprechen zu können, weil es dieſen Ständen
an Männern genügender Bildung fehle; entgegen dem Wunſche des
Usnigs, Angehsrige der genannten Stände zu lebenslänglichen Mit-
gliedern zu ernennen, sei es trotz allen Nachforſchungen bisher nicht
gelungen, geeignete Perſonen dem König vorzuſchlagen. Fänden ſich
aber ſolche, so könnten fie bei den lebenslänglichen Mitgliedern berück-