1941 r
setzung der Privilegierten der 2. in die 1. Kammer und durch Er-
weiterung ihres Budgetrechtes. Die 2. Kammer sollte darnach bestehen
aus 3 Abgeordneten Stuttgarts und je \1 der übrigen 6 guten Städte
und der 63 Oberamtsbezirke, ferner aber aus 21 Abgeordneten, welche
durch Verhältniswahl von den vier Ureiſen gewählt werden ſollten;
die Stichwahlen sollten fallen, die verhältnismäßige Mehrheit schon
im erſten Wahlgang entscheiden. In die 1. Kammer berief er neben
den Prinzen, den Standesherren und den erblichen Mitgliedern 10 lebens-
länglich ernannte Mitglieder, ferner von den ausſcheidenden 21 Privi-
legierten der 2. Kammer 8 Abgeordnete der Ritterschaft, 2 Vertreter
der evangelischen Kirche, den katholischen Biſchof und je 1 Vertreter
der Universität und der Technischen Hochſchule. Vertreter von Er-
werbsständen waren nicht vorgeſehen. Die Geisterſtimmen wurden
beseitigt; das Recht der Standesherren zur Stimmübertragung be-
schränkt auf einen Agnaten. Ausgedehnt dagegen wurden nach dem
Verlangen der |. Kammer deren Rechte bei der Abgabenbewilligung.
Die Württembergiſche Volkszeitung, das Blatt der National-
liberalen, warf Mittnacht vor, er wolle mit seiner Vorlage, in der
reaktionäre Trümpfe mit liberalen Karten so schön gemiſcht seien,
der Regierung es ermöglichen, mit der 1. Kammer und dem Zentrum
der 2. Kammer gegen jede liberale Mehrheit der 2. Kammer zu re-
gieren. Das ging zu weit. Aber den Eindruck hatten auch andere,
daß die Regierung mit ihrem Entwurf für die 1. Kammer besser ge-
sorgt habe, als für die 2. Kammer, und daß das Schwergewicht der
1. Kammer zunehmen, das der 2. Kammer abnehmen werde. Die
reine Volkskammer wollte die Regierung ja einräumen, um der
2. Kammer die Speise schmackhaft zu machen, aber die Mitglieder-
zahl der 1. Kammer sollte erheblich vermehrt, ihr ein großes Maß
an Einsicht und Arbeitskraft zugeführt, ihr Budgetrecht erweitert werden.
Dabei wurde das Übergewicht der Standesherren sorgfältig geschont
und sichergestellt; während die Regierung in den erſten Jahrzehnten
der Verfaſſung auf Verminderung der Standesherren mit großem
Erfolg hingearbeitet hatte, machte sie jetzt Vorschläge zur dauernden
Erhaltung ihres bisherigen Beſtandes durch das seit 1820 nie mehr
geübte, 1894 preisgegebene, jetzt i. I. 1897 wieder aufgenommene
Recht der Urone zur Ernennung erblicher Mitglieder; der Eintritt
der Standesherren mit 21 Jahren sollte erhalten werden, während
für alle Gewählten das 30. Lebensjahr gefordert wurde; die Geiſter-
stimmen wurden zwar abgeschafft, aber Stimmübertragung an Agnaten
tatsächlich unbeschränkt zugelassen, ein Wohnsitz in Württemberg oder
doch im Deutschen Reich bei den Standesherren und Rittern nicht ver-
langt. Alles im Unterschied von dem als reaktionär verachteten
Preußen und seinem Herrenhaus. So ist nicht zu verwundern, daß
auch jetzt sich Stimmen fanden, die nach wie vor das Einkammer-
system vorzogen und dazu dadurch zu gelangen vorſchlugen, daß man
die 1. Kammer unverändert und ungestärkt ihrem Verfall entgegen-