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beſchlosſenes Gesetz vom 6. März 1919 über die vorläufige Ausübung
der Staatsgewalt bezeichnete als ihre eigene Aufgabe, die künftige
Verfassung zu beschließen, sowie dringliche Gesetze zu geben und Staats-
verträge zu bestätigen; bezüglich der rechtlichen Stellung ihrer Mit-
glieder wurden ausdrücklich die Verfaſſungsgesetze von 1874 und 1906
ft; maßgebend erklärt. Zugleich wurde durch dieses Gesetz die vor-
läufige Staatsregierung, die auf, erstatteten 2 Wechenschaftsbericht schon
am 29. Januar von der Landesversammlung das Vertrauen ausge-
sprochen erhalten hatte und mit Fortführung der Regierung beauftragt
worden war, zur endgültigen gemacht. Sie sollte aus einem von
der Landesverſammlung gewählten Staatspräsidenten und sieben vom
Staatspräsidenten ernannten Ministern bestehen und das Vertrauen
der Landes sverſammlung besitzen. Die Wahl des Staatspräfidenten
fiel auf den bisherigen vorläufigen Ministerpräsidenten Blos, und dieser
bestätigte cbenſo die bisherigen vorläufigen Minister Baumann, Herr-
mann, Heymann, Kiene, Lieſching, Lindemann, Schlicke in ihren
Ümtern.
Inzwiſchen hatte den Entwurf einer neuen Verfassung Universi-
täts professor Dr. v. Blume ausgearbeitet, ein von der vorläufigen Re-
gierung berufener Ausſchuß vorberaten, die Regierung selbst nochmals
überarbeitet und am 23. Januar der verfasſſunggebenden Landesver-
sammlung vorgelegt. Sie beriet ihn in drei Lesungen. Die von der
Landesverſammlung am 206. April mit 128 gegen 9 Stimmen (6 der
Rechten, 3 der iL ü ünstzenz beſchloſſene neue Verfassungsurkunde
des freien Volksſtaates Württemberg wurde am 20. Mai verkündet.
Sie ist aufgebaut auf dem Grundsatz, daß alle Staatsgewalt vom
Volk ausgeht. Das Volk äußert seinen Willen teils unmittelbar durch
Abstimmung (. u.), teils mittelbar durch den von ihm gewählten Land-
tag. Der Landtag ist berufen, Gesetze zu geben, die Staatsleitung zu
bestellen und die Ausführung der Geſetze zu überwachen, von der
Regierung Rechenschaft und Aktenvorlage zu verlangen; er hat auch
das Recht der Tatsachenermittlung durch seine eigenen Untersuchungs-
ausschüſſe; ebenſo das Recht des Geſsetzesvorſchlages. Der Landtag
besteht aus einer einzigen Kammer. Seine Mitglieder, auf je
20 000 Einwohner 1,. (d. h. im ganzen etwa 120) werden von allen über
20 Jahre alten, im Lande wohnenden Staatsbürgern beiderlei Geschlechts
in gleicher, geheimer, unmittelbarer Verhältniswahl auf 4 Jahre gewählt.
Die Machtfülle des Landtages wird indes einigermaßen beſchränkt
durch die unmittelbaren Rechte des Volkes : durch M z!t54\s ug kann
der Landtag aufgelöst, kann ein Geſse tzesvorſchl ag zur Abstimmung
vorgelegt verlangt (Volksbegehren, Initiative), können die vom Land-
tag beschlossenen Gesetze verworfen werden (Referendum), letzteres mit
Ausnahme der Abgabengesetze, des jährlichen Staatshaushaltgesetzes und
aller derjenigen Geſetze, deren Dringlichkeit vom Landtag beſchlossen
worden ist. Die Fol ziehende Gewalt, die Regierung, liegt beim Staats-
ministerium. Es besteht aus dem Staatspräsidenten und den Ministern.