Full text: Ein Jahrhundert Württembergischer Verfassung

  
  
. 46 -r 
getrotzt..) Um \o mehr glaubten sie einschreiten zu sollen, wenn nun 
wirklich Dinge vorfielen, die in Meiternichs Augen als Demagogen- 
tum erſcheinen mußten. Das traf auf Liſts Eingabe zu. Die Ab- 
weiſung seines ersten Begnadigungsgeſuches i. I. 1824 wurde aus- | 
drücklich damit begründet, daß durch Liſt nicht nur die innere, ſondern 
auch die äußere Ruhe des Staates gefährdet worden ſei und bereits | 
Unannehmlichkeiten mit dem Ausland die Folge des Cisſtiſchen Ver- 
brechens gewesen ſeien. 
Daß die Regierung. sich gedrungen fühlte, durch Ciſts Ausſchluß 
aus der Kammer den Großmächten ihren guten Willen und die Macht 
zur Unterdrückung wirklicher Ausschreitungen zu zeigen und einem An- 
ſinnen Metternichs zuvorzukommen, ist sonach verständlich. Unver- 
ſtändlich aber bleibt und nicht zu rechtfertigen, daß darauf auch das 
Gericht glaubte, Liſt nicht bloß zu zehnmonatiger einfacher Festungs- 
ſtrafe verurteilen zu sollen, sondern zu Feſtungsstrafe „ mit angemessener 
Beſchäftigung“. Das war eine, von dem Geſetz über Staats- und 
Majeſtätsverbrechen nicht gebotene Strafschärfung, und ſie erſt hat 
' 
] 
| 
| 
| 
Liſts bedingten Ausschluß zu einem unbedingten gemacht und damit 
die Kammer der unſchätzbaren Mitarbeit Liſts für immer beraubt. 
Auch der Riß innerhalb der Kammer blieb. Die Flitterwochen 
des Verfaſſungslebens waren zu Ende. 
Am 26. Juni 1821, anderhalb Jahre nach der Eröffnung, 
konnte der erſte Landtag geſchloſſen werden. König Wilhelm tat dies 
ſelbſt mit einer Thronrede, worin er sich allen äußeren Anfeindungen 
zum Trotz aufs neue offen zur Verfassung bekannte, indem er den Tag 
ſegnete, „an dem durch freien Vertrag unsere Verfassung in das Leben 
getreten“, und indem er es mit Vergnügen und Dank anerkannte, daß 
vieles erreicht, vieles in die Wege geleitet worden und daß bei mehr 
als einem der Beratungsgegenslände die Einsichten und patriotischen 
Gesinnungen der Stände der Regierung von großem Nuyten gewesen 
fen: Daß dieser erſte Candtag faſt ganz glatt verlaufen iſt und viel 
nützliche Arbeit geleistet Hat im Unterſchied von denen der Nachbar- 
staaten, verdankte Württemberg auch dem Umstand, daß die Erinne- 
rung an ein Zuſammenarbeiten von Regierung und Volksvertretung 
trotz Aufhebung der alten Verfaſſung i. I. 1806 nicht erloſchen war 
noch in den Verſammlungen von 1815bis 21 saßen mehrere Mitglieder, 
die den alten Ausſchuß- und Landtagen vor 1 806 angewohnt hatten 
und daß sich in den Verfaſſungskämpfen von 1815 bis „1819 eine 
Gewshnung an konstitutionelle Regierungsweise und eine Ubung nin 
der Handhabung ihrer Formen auf Seiten der Regierung wie der 
Stände gebildet hatte. 
1) UK. J. Weber a. a. O. 1, 16. 19. 24/25. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.