Full text: Ein Jahrhundert Württembergischer Verfassung

  
  
  
den Strömungen entziehen, die in den stärkeren herrschen“; auch wenn I 
ſie von dem Bewußtsein ihrer Suveränität so stark durchdrungen sind, 
wie König Wilhelm es war. König Wilhelm wünſchte nämlich ein | 
einiges und mächtiges Deutschland; aber er wollte darin ſelbſt eme 
maßgebende Rolle spielen. Dieses Ziel hoffte er zu erreichen mit der 
von Wangenheim vertretenen Triasidee; d. h. die Mittelſtaaten, das so- 
genannte reine Deutſchland, sollten sich zusammenſchließen und ſo als dritte 
Macht neben den Großmächten Öſterreich und Preußen ihr Gewicht 
in die Wagſchale werfen. Diese Triasidee war eine Wahnidee. Der | 
Bund der Mittelſtaaten bestand nicht; seine Anregung in dem vom 
Usnig eingegebenen „Manuſkript aus Süddeutſchland" war verhallt 
ohne irgendwo Anklang zu finden; es ging mit der Trias, wie es 
zwiſchen 1866 und 1870 mit dem Südbund gegangen iſt. Da aber 
UKsönig Wilhelm gleichwohl eifrig bedacht war seine Selbständigkeit 
trotz der Schwäche seiner Mittel zwischen den Großmächten zu behaupten, 
so ſchwankte er zwiſchen beiden; bald fchloß er sich Preußen an, von 
dem er das Heil für Deutſchland erwartete, bald hat er an Öſterreichs 
Seite Preußen befehdet, um ihm die Wage und ſich ſelbſt oben zu . 
halten. Das Ergebnis war, daß beide ihm mißtrauten. ] 
Eigentümlich der württembergiſchen Verfaſſung von 1819 ind 
die gemeinſchaftlichen Sitzungen beider Kammern. Es sollte dadurch 
dem bei den Verhandlungen von 1817 und 1819 von den Ständen 
so dringend gewünſchten Einkammerſystem eine kleine Einräumung 
gemacht, eine Annäherung der Pairs an das Volkshaus erzielt, Mei- 
nungsverſchiedenheiten durch mündliche Besprechungen ausgeglichen 
werden. Aber ſchon in der ersten Tagung des erſten Landtags wollte 
sich die 1. Uammer zu der in der Verfassung vorgesehenen vertraulichen 
Sitzung durchaus nicht hergeben. Auch in der Folge wurden die ge- 
meinſchaftlichen Sitzungen umgangen, wo dies möglich war, und wo 
ſie stattfinden mußten, boten ſie mehr ein buntes Schauſpiel der mancher- 
lei Standestrachten, zumal der Herren aus der 1. Kammer, als be- 
merkenswerte Verhandlungen, weil man ſich aufs Abstimmen zu be- 
beschränken pflegte. Much von geselligen Veranstaltungen hielten fich 
die Pairs fern. Zum gemeinſamen Eröffnungseſſen im Dezember 1 820 
exſchien von der 1. Kammer nur der Präſident, Fürſt v. Hohenlohe- 
Öhringen, Graf Waldeck und „der geſtrenge Herr räſident v. Mohl“ 
(Vater von Robert und Moritz Mohl).') Die Landesverſammlung 
von 1819 hatte auf das Einkammerſyſtem nur ungern und nur dem 
unerſchütterlichen Willen des UKsnigs gegenüber verzichtet. Auch der 
König hielt an sich das Einkammersſyſtem für richtig; aber er glaubte, 
die Standesherren in einer besonderen Kammer abſperren und ſo un- 
schädlich machen zu müſſen, weil er befürchtete, daß sie, mit den übrigen 
in einer Uammer vereinigt, dieſe unwiderstehlich beeinflußten; denn 
er hielt Bürger und Bauern für ſo eitel, daß sie es sich zur Ehre 
) Weber 1, 15. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.