Full text: Ein Jahrhundert Württembergischer Verfassung

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überdies iſt es einer, wenn auch im großen ohnmächtigen Partei doch 
möglich, im kleinen zu nützen und ihren Grundsätzen wenigstens in 
einzelnen Punkten zum Durchbruch zu verhelfen. Um so verkehrter 
war bei dem freiwilligen Verzicht der Oppoſitionsführer die ebenso 
unnötige als unwürdige Wahlbeeinflußung der Regierung, ihre Be- 
günstigung von landkundig unfähigen, ja von mißachteten, aber ihr 
ergebenen Bewerbern.!) Die Wahlen von 1838 lieferten überwiegend 
Beamte, vornehmlich Gemeindebeamte aus dem Schreiberſtand d. h. 
Geſchäfismänner aus beſchränkteren Verhältniſſen. Die neue Kammer 
zeigte wohl viel guten Willen in den inneren Angelegenheiten, aber 
Gleichgültigkeit in höheren politischen Fragen, faſt gänzlichen Mangek 
an Charakter.?) „Figuren aus Pappelholz“ höhnte sie der Beobachter ; 
„Amtsverſammlung“ spottete der Volkswitz. Gefördert wurden die 
Geſchäfte beſſer als auf den letzten Landtagen, dank der Geſchäfts- 
kenntnis der Kammermitglieder und der festen Leitung des neuen 
Präsidenten, des Univerſitätskanzlers Wächter. Aber ,auch die Mo- 
narchiſch-Konstitutionellen beklagten, den für die gesetzliche Freiheit wie 
für die dauernde Befestigung des Rechtes und der Gefſsellſchaft so un- 
erläßlichen Ausbau der Verfaſſung lediglich nirgends gefördert zu sehen, 
und sie konnten daraus nur Unglück und verspätete Reue in einer un- 
bestimmten Zeit erblicken.“ ?? Wer aber zunächst nur nach wirtſchaft- 
licher Förderung verlangte, für den geſchah auch nicht genug. Denn 
sogar die bereits verabſchiedeten Ablöſungsgeſetze stießen in ihrer Aus- 
führung auf standesherrlichen Widerſtand, so daß die Entſcheidung 
des Bundestages abgewartet werden mußte. Die Ablösung der Haupt- 
laſten, der grundherrlichen, vorzuſchlagen, wagte die Regierung gar 
nicht aus Rücksicht auf ihre lieben Standesherren, ihre Schutztruppe 
gegen jeden freiheitlichen Drang der Volkskammer. Auch hier ward 
ein zy. ausgeſtreut, und er ließ nach einem Jahrzehnt Sturm 
aufgehen. 
Vom Landtag 1839 iſt das Strafpolizeigeſez von 1839 nur 
darum zu erwähnen, weil es dabei den Standesherren gelang, ſelbſt 
in Polizeiſachen einen befreiten Gerichtsstand von der Schwäche der 
Regierung und der 2. Kammer sich zu ertrotzen, ein Vorrecht, das 
ebenſo gegen die Verfaſſung verstieß, als gegen eine zweckmäßige Ver- 
waltung. 
; Auch von dem im Oktober 1841 eröffneten, im April 1843 
entlaſſenen zweiten Candtag dieser Wahlperiode ist wenig zu bemerken 
im Unterschied von der Rührigkeit der badischen Nachbarn in der 
Kammer und nach deren Auflssung im Wahlkampf. Das vom Land- 
tag erledigte Hauptgeſetz war eine Strafprozeßordnung. Aber sie war 
wohl das mißglückieſte Erzeugnis der ganzen konſtitutionellen Gesetz- 
  
1 . 
s s; mei: tus §r 12t f rugsfteunttiche Gmelin. 
3) Mohl a. a. M. 
  
  
  
  
 
	        
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