Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1968, Jg. 1, H. 1-4)

ich glaube, ändern. Vor dem Entwerfen steht das 
Programmieren, eine Tätigkeit, von der bei der 
Architektenarbeit offiziell nicht gesprochen wird, 
weil stillschweigend unterstellt zu werden scheint. 
als wäre sie schon geschehen, und als würde auf 
ihr fußend mit dem Entwerfen begonnen. Tatsäch- 
lich programmiert der Architekt gemeinsam mit 
dem Bauherrn, und hier tun sich völlig neue Ar- 
beitsgebiete auf, da immer noch beide, Architekt 
und Bauherr, dieses Programmieren als bemühte 
Dilettanten betreiben. 
Autlegen einer industriellen Serie richtig ist. Es 
kommt nicht darauf an, daß man eine Sache tau- 
sendmal ausführt und womöglich tausendmal falsch; 
wichtig ist vielmehr, an einem Stück zu probieren, 
ob es sich tausendmal ausführen läßt, und diesen 
Versuch so oft zu wiederholen, bis man sicher ist. 
daß tausendmal gefertigt werden kann. Also For- 
schung auf allen Gebieten, um den Architekten tä- 
tig werden lassen zu können, und zwar mit gutem 
Gewissen und nicht in einer Verteidigungsstellung 
gegenüber einer Gesellschaft, die glaubt, den Ar- 
chitekten nicht zu brauchen. 
Um den Entwurf mit baulichen Mitteln in Materie 
umzusetzen, bedarf es der Konstruktion, die sich 
heute noch meist in handgestrickten Methoden für 
den einmaligen Bedarf erschöpft, wobei jeder schon 
weiß, daß die Zukunft des industriellen Bauens be- 
gonnen hat. Wird diese Zukunft zur Gegenwart, hat 
der am Bau improvisierende Bauleiter ausgespielt. 
Die Planung der Konstruktion ersetzt den Bauleiter. 
Anerkennt man für den Entwurf die Einführung von 
Planungsmethoden, ergeben sich für die Entwick- 
lung der Baukunst längst erkannte, aber selten zu- 
gegebene Problemstellungen dadurch, daß die künst- 
lerische subjektive Konzeption des einmaligen Bau- 
werks abgelöst wird durch das Aufzeigen von Alter- 
nativen, für die - auch im Bereich der Baukunst - 
objektive Bewertungsmaßstäbe gesucht werden, um 
Bauten erzeugen zu können, die reproduzierbar 
sind; also die vielfache Wiederholung anstelle der 
Einmaligkeit. 
Der Architekt, der nicht mehr Allerweltskünstler 
ist, wird bekennen müssen, daß es Architekten ver- 
schiedener Begabung und verschiedener Tätigkeits- 
merkmale geben wird, etwa den Architekturtheore- 
tiker, den Planer, den Konstrukteur. Diese ver- 
schiedenen Begabungszweige integrieren im Begriff 
Architekt. Diese Architekten verschiedener Art 
müssen untereinander im Kontakt stehen, wobei der 
Dirigent derjenige der größeren Kraft ist und nicht 
der, der einen Dirigentenstab als Abzeichen sei- 
ner Würde trägt. Dirigent kann also nur der Archi- 
tekt sein, der die Proportionen der Wertigkeiten 
erkennt und sichtbar machen kann. Er koordiniert 
im engeren Kreise verschiedener Architekten, ver- 
schiedener Tätigkeitsgebiete und koordiniert dann 
weiter interdisziplinär mit Ingenieuren, Sonderfach- 
leuten. Städtebauern, Planern. 
Zu Frage 2) 
Nach all dem halte ich selbstverständlich Forschung 
für notwendig. Denn all das, was ich zur ersten 
Frage gesagt habe, sind keine Antworten, sondern 
Vorstellungen einer mutmaßlichen Zukunft. Der For- 
schung bedarf es, um Programme für das Bauen 
aufzustellen. Der Forschung bedarf es, um Planungs- 
methoden zu erarbeiten. Die angewandte Architek- 
turtheorie, die im engsten Kontakt mit der Politik 
steht, ist eine wissenschaftliche Arbeit, für die 
Grundlagen erst zu schaffen sind. Die künstleri- 
schen Fragen der Reproduzierbarkeit von Bauwer- 
ken erfordern wissenschaftliche Forschung auf dem 
Gebiet der Baukunst. Neue Konstruktionsweisen des 
industrialisierten Bauens erfordern praktische Ex- 
nerimente, um sicherzustellen, daß überhaupt das 
Hans Wolfram Theil 
Zu Frage 1 
fragte ich mich zunächst, ob wohl auch - beispiels- 
weise - ein Mediziner einen Mediziner fragen könn- 
te, was er unter Medizin versteht. Nun, in unserem 
Fach ist ein solches Infragestellen seiner selbst 
nicht außergewöhnlich und zudem, mit sorgenvollem 
Blick auf die Zukunft eines traditionsreichen Berufs- 
standes, sehr zeitgemäß. 
Verlegen um eine "eigene'' Antwort, die noch etwas 
Neues bringen könnte, möchte ich den Schwerpunkt 
der Fragestellung darin sehen, was der Begriff 
Architektur umfaßt. - und was nicht. Dabei kann man 
wohl der Einfachheit halber davon ausgehen, daß Ar- 
chitektur alles das bedeutet, womit sich ein Archi- 
tekt dank seiner Ausbildung und kraft seines Man- 
dats im Dienste der Gesellschaft verantwortlich zu 
befassen hat. 
Ich halte den von vielen Kollegen - vielleicht aus 
Existenzsorge - zunehmend erhobenen Alleinvertre- 
tungsanspruch in Sachen Umweltgestaltung für be- 
denklich. Lucius Burckhardt spricht davon, daß die 
Umwelt der Zukunft vorrangig durch "Strategien", 
nicht durch Plan- und Bauvorgänge, zu gestalten 
sei. Das bedeutet, daß dafür noch mancherlei ande 
re Fakultäten zuständig sind. Aber selbst bei Be- 
scheidung auf die gebaute Umwelt frage ich mich, 
ob die Totalität auf dem Gebiet baubezogenen Pla- 
nens, vom Konstruktionsdetail bis zum Programmie 
ren ganzer Regionen, billigerweise von einem Ein- 
zelnen beansprucht werden kann. So scheint es mir 
grundsätzlich einmal sinnvoll und praktisch zu sein, 
dieses nach der Größe der jeweiligen Gesichtsfelder 
aufzugliedern (was keinerlei Rangstufung bedeutet) 
und etwa von Innenraum-, Gebäude-, Stadt- und 
Landesplanung zu sprechen. 
Dabei möchte ich allerdings im Sinne der Frage- 
stellung etwas einschränken, selbst auf die Gefahr 
des Protestes vonseiten aller Architekten, die heute 
das betreffende Ressort in Amt oder Lehre vertreten: 
Architektur umfaßt nicht, oder mindestens nicht not- 
wendig, die beiden letztgenannten Gebiete. Wer 
"Stadt- und Landschaftsorganismen kooperativ lenkt'' 
ARCH + 1(1968)H3
	        
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