ein, wem er schreibt: "Ich selbst möchte mich auf
einen weiteren Versuch zur Definition verzichten, da
ich der Überzeugung bin, daß wir den Begriff Archi-
tektur eher in den Griff bekommen, wenn wir ihn
seinem Inhalt und Umfang nach schrittweise erar-
beitet haben. Und das kann nur durch Forschung
geschehen. ''
Diese Überlegung mündet sicherlich nicht in die Be-
quemlichkeit, jedes und alles der Forschung zuzu-
weisen und es beim Deligieren bewenden zu lassen.
Der Sinn unserer Veröffentlichungen liegt ja gerade
in dem Abtasten der Bereiche, welche das Arbeits-
gebiet des Architekten ausmachen; wir können selber
nicht forschend tätig sein, wir können aber For-
schungsergebnisse publizieren und Diskussionen anre-
gen. Um von dem Vorwurf der eigenen "unaussteh-
lichen fruchtlosen Nabelschau'' (Peschken) loszukom-
men, haben wir Heide Berndt und Hans Gerd Schüt-
te - beide Soziologen - gebeten, unsere Umfrage
mit ihrer Lupe zu betrachten.
U. B:;
An 74 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Le-
Leben hatten wir unsere Fragen gerichtet; 49
Antworten trafen ein, darunter Absagen wegen
Terminschwierigkeiten oder Inkompetenz, mit
Verlagerungen des Themas und Ansätzen zu wei-
teren Themen: 19 Beiträge wurden veröffentlicht.
Heide Berndt
AUSBLICK AUF EINE NEUE ARCHITEKTUR ?
Unter den 19 Antworten auf die Frage, was Architektur
heute umfassen soll, sind nur 4, die die Architektur
noch mit Baukunst oder Kunst gleichsetzen. Die Archi-
tekten scheinen zu ihrem alten Anspruch, Künstler zu
sein, nicht mehr recht stehen zu wollen. Die Defini-
tionen für Architektur werden blaß und ratlos: "Ich
weiß nicht, was der Begriff Architektur heute umfassen
soll. Sicherlich vieles" (Claude Schnaidt) und aus die-
ser Verlegenheit folgt dann rasch die "Flucht in formale
Bestimmung wie: Architektur ist '"Gebautes als Resul-
tat'' (J. Janssen) oder die "Summe alles Gebauten (Gru-
ben) oder hochtönend "externe Organik" (Doernach).
Daneben taucht eine pragmatische Auffassung von Ar-
chitektur auf, die vom künstlerischen Selbstverständ-
nis absieht und eine sozialwissenschaftliche Definition
anbietet: Architektur ist "das Kleid einer Gesellschaft'
(Dahinden), "das Gehäuse, das die Gesellschaft ihrem
Leben und Treiben gibt" (Seitz), "hergestellter Teil
der Umwelt'' (Laage) oder wie H. Henselmann in einer
schönen Formulierung sagt: "die räumliche Organisa-
tion der Lebensweise der Menschen" - "Sie ist sowohl
passives wie auch aktives Mittel der materiellen und
geistigen Kommunikation. ''
Vielfältiger und präziser sind die Antworten zum The-
ma Forschung. Sie rangieren von der Forderung nach
einer biologischen Forschungsabteilung als einzig
sinnvoller Forschung (Finsterlin) zu bautechnischer
Forschung (Leonhardt, Laage), Systementwürfen und
alternativen Programmen (Dittrich) über '"Gesellschafts-
politik" allgemein (Dittrich, Laage) bis zum "Nachden-
ken über die Gesamtheit der Ziele unserer Gesellschaft"
(Peschken) und schließlich nach Erforschung des Beson-
deren der Architektur selbst. Hier liegen meines Er-
achtens die interessantesten Vorschläge; denn Archi-
tektur ist weder bloß mit "Gebautem' identisch noch
als ein Zweig der Sozialwissenschaften zu verstehen.
Die Tatsache, daß die Architektur durch die Entwick-
lung neuer Produktivkräfte (neue Informationsspeiche-
rungen und Kommunikationstechniken) immer mehr
ihren gesellschaftlichen Charakter zeigt, spiegelt sich
in fast allen Antworten wider, freilich in sehr unter-
schiedlicher Verarbeitung. Wenn Architektur im Zuge
dieser Entwicklung Städtebau und nicht mehr nur Häu-
serbau bedeutet, dann ist sie auf die Forschung, die
im Bereich der Sozialwissenschaften vorangetrieben
wird, in der Tat angewiesen. Diese Abhängigkeit von
anderen Disziplinen wird auch kaum mehr verleugnet
und der Ruf nach interdisziplinärer Zusammenarbeit
ist allgemein und ehrlich. Nur selten wird die Reali-
sierung von Architektur von der Qualifikation einzelner
Bauherren abhängig gemacht (Deilmann).
ARCH + 1(1968) H.4