Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1968, Jg. 1, H. 1-4)

ein, wem er schreibt: "Ich selbst möchte mich auf 
einen weiteren Versuch zur Definition verzichten, da 
ich der Überzeugung bin, daß wir den Begriff Archi- 
tektur eher in den Griff bekommen, wenn wir ihn 
seinem Inhalt und Umfang nach schrittweise erar- 
beitet haben. Und das kann nur durch Forschung 
geschehen. '' 
Diese Überlegung mündet sicherlich nicht in die Be- 
quemlichkeit, jedes und alles der Forschung zuzu- 
weisen und es beim Deligieren bewenden zu lassen. 
Der Sinn unserer Veröffentlichungen liegt ja gerade 
in dem Abtasten der Bereiche, welche das Arbeits- 
gebiet des Architekten ausmachen; wir können selber 
nicht forschend tätig sein, wir können aber For- 
schungsergebnisse publizieren und Diskussionen anre- 
gen. Um von dem Vorwurf der eigenen "unaussteh- 
lichen fruchtlosen Nabelschau'' (Peschken) loszukom- 
men, haben wir Heide Berndt und Hans Gerd Schüt- 
te - beide Soziologen - gebeten, unsere Umfrage 
mit ihrer Lupe zu betrachten. 
U. B:; 
An 74 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Le- 
Leben hatten wir unsere Fragen gerichtet; 49 
Antworten trafen ein, darunter Absagen wegen 
Terminschwierigkeiten oder Inkompetenz, mit 
Verlagerungen des Themas und Ansätzen zu wei- 
teren Themen: 19 Beiträge wurden veröffentlicht. 
Heide Berndt 
AUSBLICK AUF EINE NEUE ARCHITEKTUR ? 
Unter den 19 Antworten auf die Frage, was Architektur 
heute umfassen soll, sind nur 4, die die Architektur 
noch mit Baukunst oder Kunst gleichsetzen. Die Archi- 
tekten scheinen zu ihrem alten Anspruch, Künstler zu 
sein, nicht mehr recht stehen zu wollen. Die Defini- 
tionen für Architektur werden blaß und ratlos: "Ich 
weiß nicht, was der Begriff Architektur heute umfassen 
soll. Sicherlich vieles" (Claude Schnaidt) und aus die- 
ser Verlegenheit folgt dann rasch die "Flucht in formale 
Bestimmung wie: Architektur ist '"Gebautes als Resul- 
tat'' (J. Janssen) oder die "Summe alles Gebauten (Gru- 
ben) oder hochtönend "externe Organik" (Doernach). 
Daneben taucht eine pragmatische Auffassung von Ar- 
chitektur auf, die vom künstlerischen Selbstverständ- 
nis absieht und eine sozialwissenschaftliche Definition 
anbietet: Architektur ist "das Kleid einer Gesellschaft' 
(Dahinden), "das Gehäuse, das die Gesellschaft ihrem 
Leben und Treiben gibt" (Seitz), "hergestellter Teil 
der Umwelt'' (Laage) oder wie H. Henselmann in einer 
schönen Formulierung sagt: "die räumliche Organisa- 
tion der Lebensweise der Menschen" - "Sie ist sowohl 
passives wie auch aktives Mittel der materiellen und 
geistigen Kommunikation. '' 
Vielfältiger und präziser sind die Antworten zum The- 
ma Forschung. Sie rangieren von der Forderung nach 
einer biologischen Forschungsabteilung als einzig 
sinnvoller Forschung (Finsterlin) zu bautechnischer 
Forschung (Leonhardt, Laage), Systementwürfen und 
alternativen Programmen (Dittrich) über '"Gesellschafts- 
politik" allgemein (Dittrich, Laage) bis zum "Nachden- 
ken über die Gesamtheit der Ziele unserer Gesellschaft" 
(Peschken) und schließlich nach Erforschung des Beson- 
deren der Architektur selbst. Hier liegen meines Er- 
achtens die interessantesten Vorschläge; denn Archi- 
tektur ist weder bloß mit "Gebautem' identisch noch 
als ein Zweig der Sozialwissenschaften zu verstehen. 
Die Tatsache, daß die Architektur durch die Entwick- 
lung neuer Produktivkräfte (neue Informationsspeiche- 
rungen und Kommunikationstechniken) immer mehr 
ihren gesellschaftlichen Charakter zeigt, spiegelt sich 
in fast allen Antworten wider, freilich in sehr unter- 
schiedlicher Verarbeitung. Wenn Architektur im Zuge 
dieser Entwicklung Städtebau und nicht mehr nur Häu- 
serbau bedeutet, dann ist sie auf die Forschung, die 
im Bereich der Sozialwissenschaften vorangetrieben 
wird, in der Tat angewiesen. Diese Abhängigkeit von 
anderen Disziplinen wird auch kaum mehr verleugnet 
und der Ruf nach interdisziplinärer Zusammenarbeit 
ist allgemein und ehrlich. Nur selten wird die Reali- 
sierung von Architektur von der Qualifikation einzelner 
Bauherren abhängig gemacht (Deilmann). 
ARCH + 1(1968) H.4
	        
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