Järn Jannsen
kann, in den sozialistischen Staaten herauszubilden,
während in den anderen Ländern diese Bemühungen
mehr oder weniger punktiert einsetzen.
Die Forschung in den sozialistischen Ländern wird be-
günstigt durch die enge Verbindung zwischen den For-
schungsinstituten und der staatlichen Exekutive. Das
ist ein großer Vorteil, aber auch in mancher Beziehung
ein Nachteil, weil das Ziel sehr weit und groß gefaßt
ist und gleichzeitig schnell Resultate geliefert werden
müssen,
Zum Abschluß möchte ich noch einen Gedanken äus-
sern, der mich oft beschäftigt. Bei Lichte besehen hat
die menschliche Gesellschaft noch niemals so unmodern
gebaut wie heute, Selbst der Primitive wendet beim Bau
seiner Hütte alle Kenntnisse an, die er besitzt,
Wir wenden heute weniger Kenntnisse an bei der Umge-
staltung unserer Städte und der Errichtung von Gebäuden
als wir besitzen, Das Forschungspotential, das aufgewen-
det wird, um Städte zu zerstören, ist weitaus größer als
dasjenige, welches sich mit dem Aufbau beschäftigt.
Das ist eine Kernfrage. Wenn die Regierung der DDR
der Regierung der Bundesrepublik die Reduzierung der
Rüstung um 50 % vorschlägt, dann schließt das auch die
Möglichkeit einer intensiveren Forschung auf unserem
Gebiet ein, Die Antwort auf diese Frage schließt in-
folgedessen auch meine Antwort auf Ihre Frage mit ein,
ob Forschung in der Architektur notwendig ist. Ich halte
sie für lebensnotwendia.
Zu Frage 1:
Der Doppelsinn des Begriffes Architektur offenbart seine
ideologische Verirrung: Er bezeichnet zugleich die Tä-
tigkeit der Planung als auch deren gebautes Resultat in
Singular und Plural, Dies alles sei unteilbar und als
Ganzes abgegrenzt, will unterstellen:
1. Die Einheit von Planen und Bauen
2. Die Einheit der Planung
3. Die Einheit des Bauwerks
Dies ist gemessen an der Realität falsch und als Maxime
gesellschaftsfeindlich und faschistoid,.
Zu Frage 2:
Forschung in der Architektur - angenommen es wäre die
Tätigkeit gemeint - ist unmöglich. Der Begriff Archi-
tektur ist im Gegensatz zu Bauingenieurwesen geprägt
und bezeichnet als solcher den antiwissenschaftlichen
Zweig der Bauplanung.
Forschung an der Architektur - angenommen es wäre das
Gebaute gemeint - existiert in Form der Archäologie,
Man kann vielleicht polemisch behaupten, Architektur
- Tätigkeit - sei die Planung von archäologischen und
bauhistorischen Fundstücken und Architektur - Gebau-
tes - der Vorrat archäologischer Funde,
Nein, Planung ist Planung und Forschung ist Forschung.
Es gibt freilich Forschungszweige, die für Bauplanung
besondere Relevanz haben: Bauphysik, Baustatik,
Akustik, Wärmetechnik, Sozialökologie, Verkehrs-
technik, Wirtschaftsgeografie, Geologie, Hydrologie
etc, Es könnten außerdem Forschungsaufgaben auf Grund
von Planungsproblemen gestellt werden, die Bauplanung
könnte sich wissenschaftlicher Methoden bedienen, auch
könnte die Technik der Bauplanung zum Gegenstand
wissenschaftlicher Forschung werden,
Um die Realität zu beschreiben und die Forderungen
präzise zu stellen, muß man etwas wortklauberisch sein,
Einerseits nämlich sind die wissenschaftlichen Voraus-
setzungen für die Bauplanung viel weiter fortgeschritten
als dies den Architekturstudenten von Architekturprofes-
soren verraten wird, andererseits gibt es Probleme in der
Bauplanung, die mit Hilfe wissenschaftlicher Forschung
ARCH + 1(1968)H1