die ständige Tätigkeit des Managements erweist. Diese
Aktivität des Managements äußert sich nämlich erstens
im Bereich der Organısierung der internen Produktion
und Distribution des eigenen Wirtschaftskombinates;
zweitens in der (formell noch marktvermittelten) Aus-
einandersetzung mit anderen Wirtschaftsgebilden, die
aber immer erneut zeigt, daß ihr Feld nur noch cum
grano salis im alten Sinne "Markt" ist, weil sie kaum
noch auf echter Konkurrenz beruht. Denn deren Grund
lage wird häufig die Vertragsunterwerfung kleiner und
mittlerer Produktions-, Distributions- und Kreditunter-
nehmungen, die, wenn sie auch formell-juristisch selb-
ständig bleiben, die Möglichkeit eigener Disposition
und freier Willensbildung ökonomisch verlieren; daneben
tritt die Machtverständigung mit anderen Großgebilden,
die nur im Falle der Zwischenstufe des Machtkampfes
einmal zur Verwendung des Motors des früheren Marktes,
der echten Konkurrenz, überleitet. Drittens endlich ist
das Management immer wieder zur Auseinandersetzung
mit dem Staat, den Kommunen und den Organen der
politischen Willensbildung genötigt, sowohl um mögliche
und unzuträgliche Entscheidungen der öffentlichen Ge-
walt zu verhüten wie um die öffentliche Gewalt im
eigenen Interesse einsetzen zu können (33). Aber alle
drei Betätigungsbereiche haben offenkundig mit "freier
Unternehmerinitiative" im Sinne der liberalkapitalisti-
schen Welt nur noch sehr wenig gemein. Sie sind der
Methode nach auf geistige Vorwegnahme des makro-
ökonomischen Prozesses der Gesamtwirtschaft, nicht nur
der kombinierten eigenen Unternehmen, und dessen Be-
einflussung durch Machtmittel, nicht durch bloße Kon-
kurrenz, gerichtet.
Das geschieht jedoch nicht im Interesse der Gesamtge-
sellschaft oder eines "Gemeinwohls" irgendwelcher Art
(wobei dessen einzig rationale Definition die der opti-
malen Bedürfnisbefriedigung der durch den Gesamtpro-
zeß der Produktion verbundenen assoziierten Individuen
wäre), sondern ausschließlich im Interesse der Machter-
weiterung der einzelnen, nebeneinander stehenden
Unternehmungsgruppen des organisierten Kapitalismus,
und also der Erzielung von Sonderprofiten. Dieser innere
Widerspruch ihrer Situation wird dadurch verschärft, daß
ihre Planung sich erstens nach wie vor nur auf den durch
sie jeweils organisierten Teil der Wirtschaft als Aus-
gangspunkt stützt und dabei trotz der Internationalisie-
rung der Produktion meist bestimmt wird durch die Be-
grenzung auf die Staaten (oder Staatenkombinationen,
wie z.B. die EWG), deren öffentliche Gewalt sie be-
einflussen können. Weiterhin dadurch, daß sich ihre
gegenseitigen Wirtschaftsbereiche vielfältig überschnei-
den, also auch ihre Planungsziele sich gegenseitig scharf
widersprechen, und daß ihre gegenseitigen Abkommen
(z.B. über künstliche Beschränkung der Produktion oder
die Teilung von Märkten oder Kapitalanlage-Bereichen
unter ihnen) höchst labil sind, weil sie jeweils durch das
Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung gesprengt
werden können, wie Ernest Mandel in eingehender em-
pirisch-historischer Untersuchung an zahlreichen Bei-
spielen der Planungspolitik (und ihrer Ergebnisse) einer
großen Anzahl europäischer und amerikanischer Kon-
zerne und Kartelle zwischen beiden Weltkriegen und
nach dem zweiten Weltkrieg gezeigt hat (34). Sie min-
dern deshalb (auf längere Zeit und international be-
trachtet) keineswegs die inneren Widersprüche (und da-
mit die Krisengefahr) der kapitalistischen Produktions-
weise, sondern verschieben deren Äußerungsformen. Da
56
sie den Marktkampf durch Machtkampf entscheiden,
drängen sie dahin, drohenden ökonomischen Krisen die
Form politischer Krisen zu geben. So hat sich auch ihre
einst (1910) von Rudolf Hilferding theoretisch beschrie-
bene (35), dann durch Georg W.F. Hallgarten (36) an
Hand breiten empirischen Materials genau belegte Ten-
denz nicht verändert, die Staaten zu imperialistischer
Außenpolitik (und dadurch zur Gefahr kriegerischer
Auseinandersetzung) zu drängen, besonders dann, wenn
ihnen sonst Rezessions- oder Krisengefahren drohen
könnten, die sie durch hohe Rüstungsaufträge, die ihnen
sichere Beschäftigung und risikofreie Profite garantieren
(37), balancieren wollen. Dabei entstehen wegen der
Unproduktivität dieser öffentlichen Ausgaben, die der
organisierte Kapitalismus herbeiführt, starke inflationi-
stische Tendenzen (38), die ihrerseits die Instabilitäts-
momente erhöhen und den modernen Staat, der auf der
Grundlage einer spätkapitalistischen Gesellschaft exi-
stiert, geradezu vor die Wahl stellen, zwischen perma-
nentem Absinken des Geldwertes (und damit immer wie-
derholter Enteignung der Sparkapitalien seiner Unter-
und Mittelschichten) und ökonomischen Krisen zu wählen
(39). Die Begründung, die der vorige amerikanische
Präsident Kennedy zur Vorlage seines letzten (bewußt
nicht voll gedeckten) Haushaltsvorschlages gegeben hat,
ist bekannt: Der ungedeckte Staatshaushalt sei wegen des
(trotz der Hochaufrüstung) hohen Prozentsatzes der Ar-
beitslosen (1963: 5,9 Prozent) erforderlich (39a).
Bei der geschilderten Sachlage wird der unvermeidliche
und vom Management des organisierten Kapitalismus -
schon im eigenen Interesse - gebilligte Übergang von
bloß gelegentlichen Interventionen der öffentlichen Ge-
walt in den sozialökonomischen Bereich zu einem System
des Dirigismus gleichzeitig in eine Chance gewandelt,
einen großen, tendenziell wachsenden Teil des Sozial-
produkts durch die öffentliche Hand umzuverteilen (40) .
Zwar ist bei Rüstungskapitalismus der Hauptnutznießer
dieser Umverteilung praktisch die Gruppe der wichtigsten
Konzerne des organisierten Kapitalismus selbst. Aber
gerade diese Situation der Sicherung von Sondervorteilen
durch die öffentliche Hand, die um ihrer Langfristigkeit
willen relativ stabil sind, macht es möglich, auch ande-
ren Tendenzen wohlfahrtsstaatlicher Art je nach der
Stärke des Drucks, den andere auf Konzessionen drän-
gende soziale Gruppen ausüben können, Zugeständnisse
zu machen. So werden auch den Arbeitnehmern in lohn-
politischen Auseinandersetzungen (oder hinsichtlich
anderer Arbeitsbedingungen, z.B. der Arbeitszeit) und
in Sozialgesetzgebungsproblemen relativ günstige Kom-
promisse gewährt, falls deren Druck ohne solche Kon-
zessionen zu stark wachsen würde (41). Allerdings findet
diese Kompromißneigung (die nur auf der Basis stabili-
sierter bevorzugter Beeinflussung der Staatsgewalt durch
das Management und in der Situation noch erhaltenen
gesamtökonomischen Gleichgewichts besteht) ihre Gren-
zen in ernstlichen Rezessionslagen: Dann wird sie rück-
läufig und kann andererseits zum raschen Umschlag von
bloßem Rüstungsdirigismus in unmittelbare Kriegsplanung
führen (42). Denn das Tabu der Planungsverneinungs-
ideologie des liberalen Kapitalismus ist für das Manage-
ment des organisierten Kapitalismus entfallen, so daß
es die historische Erfahrung, daß der moderne Krieg nur
durch sorgfältige Totalplanung, kombiniert mit Mangel-
wirtschaft und Konsum-Rationierung, bewältigt und un-
mittelbar vorbereitet werden kann (selbst wenn er nicht
Atomkrieg wäre (43)), nicht mehr schreckt. Kommt es
ARCH+ 2 (1969) H. 7