Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1969, Jg. 2, H. 5-8)

die ständige Tätigkeit des Managements erweist. Diese 
Aktivität des Managements äußert sich nämlich erstens 
im Bereich der Organısierung der internen Produktion 
und Distribution des eigenen Wirtschaftskombinates; 
zweitens in der (formell noch marktvermittelten) Aus- 
einandersetzung mit anderen Wirtschaftsgebilden, die 
aber immer erneut zeigt, daß ihr Feld nur noch cum 
grano salis im alten Sinne "Markt" ist, weil sie kaum 
noch auf echter Konkurrenz beruht. Denn deren Grund 
lage wird häufig die Vertragsunterwerfung kleiner und 
mittlerer Produktions-, Distributions- und Kreditunter- 
nehmungen, die, wenn sie auch formell-juristisch selb- 
ständig bleiben, die Möglichkeit eigener Disposition 
und freier Willensbildung ökonomisch verlieren; daneben 
tritt die Machtverständigung mit anderen Großgebilden, 
die nur im Falle der Zwischenstufe des Machtkampfes 
einmal zur Verwendung des Motors des früheren Marktes, 
der echten Konkurrenz, überleitet. Drittens endlich ist 
das Management immer wieder zur Auseinandersetzung 
mit dem Staat, den Kommunen und den Organen der 
politischen Willensbildung genötigt, sowohl um mögliche 
und unzuträgliche Entscheidungen der öffentlichen Ge- 
walt zu verhüten wie um die öffentliche Gewalt im 
eigenen Interesse einsetzen zu können (33). Aber alle 
drei Betätigungsbereiche haben offenkundig mit "freier 
Unternehmerinitiative" im Sinne der liberalkapitalisti- 
schen Welt nur noch sehr wenig gemein. Sie sind der 
Methode nach auf geistige Vorwegnahme des makro- 
ökonomischen Prozesses der Gesamtwirtschaft, nicht nur 
der kombinierten eigenen Unternehmen, und dessen Be- 
einflussung durch Machtmittel, nicht durch bloße Kon- 
kurrenz, gerichtet. 
Das geschieht jedoch nicht im Interesse der Gesamtge- 
sellschaft oder eines "Gemeinwohls" irgendwelcher Art 
(wobei dessen einzig rationale Definition die der opti- 
malen Bedürfnisbefriedigung der durch den Gesamtpro- 
zeß der Produktion verbundenen assoziierten Individuen 
wäre), sondern ausschließlich im Interesse der Machter- 
weiterung der einzelnen, nebeneinander stehenden 
Unternehmungsgruppen des organisierten Kapitalismus, 
und also der Erzielung von Sonderprofiten. Dieser innere 
Widerspruch ihrer Situation wird dadurch verschärft, daß 
ihre Planung sich erstens nach wie vor nur auf den durch 
sie jeweils organisierten Teil der Wirtschaft als Aus- 
gangspunkt stützt und dabei trotz der Internationalisie- 
rung der Produktion meist bestimmt wird durch die Be- 
grenzung auf die Staaten (oder Staatenkombinationen, 
wie z.B. die EWG), deren öffentliche Gewalt sie be- 
einflussen können. Weiterhin dadurch, daß sich ihre 
gegenseitigen Wirtschaftsbereiche vielfältig überschnei- 
den, also auch ihre Planungsziele sich gegenseitig scharf 
widersprechen, und daß ihre gegenseitigen Abkommen 
(z.B. über künstliche Beschränkung der Produktion oder 
die Teilung von Märkten oder Kapitalanlage-Bereichen 
unter ihnen) höchst labil sind, weil sie jeweils durch das 
Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung gesprengt 
werden können, wie Ernest Mandel in eingehender em- 
pirisch-historischer Untersuchung an zahlreichen Bei- 
spielen der Planungspolitik (und ihrer Ergebnisse) einer 
großen Anzahl europäischer und amerikanischer Kon- 
zerne und Kartelle zwischen beiden Weltkriegen und 
nach dem zweiten Weltkrieg gezeigt hat (34). Sie min- 
dern deshalb (auf längere Zeit und international be- 
trachtet) keineswegs die inneren Widersprüche (und da- 
mit die Krisengefahr) der kapitalistischen Produktions- 
weise, sondern verschieben deren Äußerungsformen. Da 
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sie den Marktkampf durch Machtkampf entscheiden, 
drängen sie dahin, drohenden ökonomischen Krisen die 
Form politischer Krisen zu geben. So hat sich auch ihre 
einst (1910) von Rudolf Hilferding theoretisch beschrie- 
bene (35), dann durch Georg W.F. Hallgarten (36) an 
Hand breiten empirischen Materials genau belegte Ten- 
denz nicht verändert, die Staaten zu imperialistischer 
Außenpolitik (und dadurch zur Gefahr kriegerischer 
Auseinandersetzung) zu drängen, besonders dann, wenn 
ihnen sonst Rezessions- oder Krisengefahren drohen 
könnten, die sie durch hohe Rüstungsaufträge, die ihnen 
sichere Beschäftigung und risikofreie Profite garantieren 
(37), balancieren wollen. Dabei entstehen wegen der 
Unproduktivität dieser öffentlichen Ausgaben, die der 
organisierte Kapitalismus herbeiführt, starke inflationi- 
stische Tendenzen (38), die ihrerseits die Instabilitäts- 
momente erhöhen und den modernen Staat, der auf der 
Grundlage einer spätkapitalistischen Gesellschaft exi- 
stiert, geradezu vor die Wahl stellen, zwischen perma- 
nentem Absinken des Geldwertes (und damit immer wie- 
derholter Enteignung der Sparkapitalien seiner Unter- 
und Mittelschichten) und ökonomischen Krisen zu wählen 
(39). Die Begründung, die der vorige amerikanische 
Präsident Kennedy zur Vorlage seines letzten (bewußt 
nicht voll gedeckten) Haushaltsvorschlages gegeben hat, 
ist bekannt: Der ungedeckte Staatshaushalt sei wegen des 
(trotz der Hochaufrüstung) hohen Prozentsatzes der Ar- 
beitslosen (1963: 5,9 Prozent) erforderlich (39a). 
Bei der geschilderten Sachlage wird der unvermeidliche 
und vom Management des organisierten Kapitalismus - 
schon im eigenen Interesse - gebilligte Übergang von 
bloß gelegentlichen Interventionen der öffentlichen Ge- 
walt in den sozialökonomischen Bereich zu einem System 
des Dirigismus gleichzeitig in eine Chance gewandelt, 
einen großen, tendenziell wachsenden Teil des Sozial- 
produkts durch die öffentliche Hand umzuverteilen (40) . 
Zwar ist bei Rüstungskapitalismus der Hauptnutznießer 
dieser Umverteilung praktisch die Gruppe der wichtigsten 
Konzerne des organisierten Kapitalismus selbst. Aber 
gerade diese Situation der Sicherung von Sondervorteilen 
durch die öffentliche Hand, die um ihrer Langfristigkeit 
willen relativ stabil sind, macht es möglich, auch ande- 
ren Tendenzen wohlfahrtsstaatlicher Art je nach der 
Stärke des Drucks, den andere auf Konzessionen drän- 
gende soziale Gruppen ausüben können, Zugeständnisse 
zu machen. So werden auch den Arbeitnehmern in lohn- 
politischen Auseinandersetzungen (oder hinsichtlich 
anderer Arbeitsbedingungen, z.B. der Arbeitszeit) und 
in Sozialgesetzgebungsproblemen relativ günstige Kom- 
promisse gewährt, falls deren Druck ohne solche Kon- 
zessionen zu stark wachsen würde (41). Allerdings findet 
diese Kompromißneigung (die nur auf der Basis stabili- 
sierter bevorzugter Beeinflussung der Staatsgewalt durch 
das Management und in der Situation noch erhaltenen 
gesamtökonomischen Gleichgewichts besteht) ihre Gren- 
zen in ernstlichen Rezessionslagen: Dann wird sie rück- 
läufig und kann andererseits zum raschen Umschlag von 
bloßem Rüstungsdirigismus in unmittelbare Kriegsplanung 
führen (42). Denn das Tabu der Planungsverneinungs- 
ideologie des liberalen Kapitalismus ist für das Manage- 
ment des organisierten Kapitalismus entfallen, so daß 
es die historische Erfahrung, daß der moderne Krieg nur 
durch sorgfältige Totalplanung, kombiniert mit Mangel- 
wirtschaft und Konsum-Rationierung, bewältigt und un- 
mittelbar vorbereitet werden kann (selbst wenn er nicht 
Atomkrieg wäre (43)), nicht mehr schreckt. Kommt es 
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