Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1969, Jg. 2, H. 5-8)

BERICHTE 
Arbeitskollektiv (Bartning/Mausner) 
DOKUMENTATION ZUR ENTWICKLUNG IN DEN 
ANFANGSSEMESTERN AN DER ARCHITEKTUR- 
ABTEILUNG DER UNIVERSITÄT STUTTGART 
Diese Dokumentation versucht die bisherige Entwicklung 
in ihrem historischen Ablauf festzuhalten und die be- 
stehenden Konflikte in groben Umrissen zu skizzieren. 
Aus dieser Darstellung lassen sich Anlässe zur Kritik 
finden, die nicht nur die bestehenden Verhältnisse an 
der Abteilung charakterisieren, sondern auch die Aktion 
der Studenten. Daraus ergeben sich Konsequenzen und 
Forderungen für die weitere Arbeit der Lehrenden und 
Lernenden. 
Die Studenten des jetzigen 2. Semesters fanden bei 
ihrem Eintritt in die Hochschule folgende Situation vor: 
Im Frühjahr 68 fing das damalige 2. Semester an, die 
Lehre des Lehrstuhls für Gestaltung zu kritisieren. Die 
Studenten mußten starre Übungsaufgaben ausführen, 
durch die jegliche Eigeninitiative unterdrückt wurde. 
Die Lehre für Gestaltung (Debus) orientierte sich im 
Gegensatz zu den anderen technischen Fächern an dem 
Berufsbild des "Künstlerarchitekten". Eine oberfläch- 
liche Betrachtung des Berufsbildes ließ diese künstle- 
rische Ausbildung als nicht adäquat zu den heutigen 
Aufgaben des Architekten erscheinen. Hierbei kristal- 
lisierte sich eine aktive Gruppe heraus, die sich beson- 
ders mit didaktischen Fragen und dem Berufsbild be- 
schäftigte. Diese Arbeit wirkte sich auf die Kritikfähig- 
keit der Studenten in einem anderen Fach (Bauko 1) aus. 
Die erste größere Auseinandersetzung zwischen Studenten 
und Professoren war der spontane Boykott der Bauko- 
Prüfung. Die meisten Studenten hatten Prüfungsangst 
und waren leicht für eine solche Aktion zu gewinnen. 
Fundierte Kritik brachte nur eine kleine Gruppe vor. 
Sie bemängelte die unzeitgemäße Stoffauswahl und 
forderte eine Objektivierung der Lehre und Prüfung. Als 
Folge dieser Aktion ergab sich der vorzeitige Rücktritt 
der Professoren Brüllmann und Debus. An Stelle der 
Prüfung sollte für die neuen Semester eine Jahresarbeit 
durchgeführt werden. Es wurde eine Basisgruppe Hoch- 
schuldidaktik gegründet, die eigene Seminare veranstal- 
tete. Intensives Literaturstudium brachte es mit sich, 
daß diese Basisgruppe sich von ihrem Semester isolierte. 
Diese Isolation verstärkte sich noch dadurch, daß das 
Wissen nicht unmittelbar an die Basis vermittelt wurde. 
Im Herbst 68 trat ein neues Semester in die Architektur- 
abteilung ein, das gleich mit dieser Übergangssituation 
konfrontiert wurde, ohne die nötige Einsicht in die Hin- 
tergründe und vorausgegangenen Aktionen zu haben. Die 
Neuankömmlinge, die von der Schule scharfe diszipli- 
nierende Lehrformen gewohnt waren, fanden in der Hoch- 
schule einen genau so straffen Studienplan yor. Ihre 
Erwartungen, die aus Idealvorstellungen der akademischen 
Ausbildung resultierten, wurden enttäuscht. Durch elter- 
liche und schulische Erziehung auf Anpassung ausgerich- 
tet, stürzten sie sich mehr oder weniger kritiklos in den 
Lehrbetrieb, der wenig Eigeninitiative und daher keine 
eigene Lernmotivation zuließ. Der Student fixierte sich 
genauso wie in der Schule an eine Lehrperson. Für dieses 
neue Semester entstand an Stelle der Lehre Debus ein 
Freiraum, der vorläufig nicht ausgefüllt wurde. Auf Ini- 
tiative der Studenten in Zusammenarbeit mit der Studien- 
kommission konnte ein Kursprogramm mit verschiedenen 
Wahlmöglichkeiten eingeführt werden. Bei den Professo- 
ren und Studenten bestand eine große Unsicherheit be- 
züglich des Berufsbildes, was natürlich seine Auswirkung 
auf die Lehre hatte. Trotz dieser Unsicherheit wurde die 
alte Brüllmannlehre beim ersten Semester weiterhin 
durchgeführt. 
Bei den Architekten besteht eine engere Verbindung der 
Lehre zur Berufspraxis. Änderungen im Berufsbild sind 
durch die unmittelbare Sichtbarkeit der Arbeit eines 
Architekten leichter ersichtlich. Durch die Umorganisa- 
tion der soziologischen Struktur eines Stadtteiles infolge 
des Gebauten läßt sich sofort die gesellschaftliche Rele- 
vanz der Architektur ablesen, und seine Fehler wirken 
sich beträchtlich aus. Aufgrund dieser besonderen Situa- 
tion bei den Architekten konnte eine Kritik anhand der 
Brüllmannlehre leichter aufkommen. Es entstand eine 
allgemeine Unzufriedenheit unter den Studenten, die 
eine Neuorganisation in diesem Fach forderten. Die 
Studienkommission schaltete sich ein und beauftragte eine 
Architektengruppe, in Zusammenarbeit mit den Assisten- 
ten des alten Lehrstuhls die Lehre in einer praxisbezoge- 
neren Weise zu übernehmen. Dem Semester wurde von 
der Gruppe der Lehrpersonen ein fixes, schon fertig 
ausgearbeitetes und detailliertes Programm vorgelegt. 
ARCH+ 2 (1969) H.7
	        
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