von Lehrenden und Lernenden vertieft wird: Es werden ja
verschiedene Tätigkeitsmerkmale unterschiedlicher Per-
sonengruppen kontrolliert. Vielleicht wird die Zukunft
erweisen, daß das kurzsichtig wäre.
Es bleibt zu zeigen, daß in den Teilen "Die Prüfungs-
situation", "Die Funktion des Abgangszeugnisses' und
schließlich in den "positiven Thesen" die Konsequenzen
aus der technokratischen Position der Einleitung sich
widerspiegeln.
Es ist notwendig, einige Zitate der drei mittleren Ab-
schnitte aus dem verschleiernden Kontext herauszulösen,
um sie miteinander in Beziehung zu bringen.
A) Prüfung und Berufspraxis:
1. "So überwiegen heute die wissenschaftsfremden Mo-
mente das, was Prüfung sein sollte und könnte."
In diesem Satz finden wir die Bestätigung, daß für die
Autoren Prüfungen eine wie auch immer geartete Funk-
tion haben.
2. "...; beim Prüfling erzeugt sie eine eigentümliche,
der späteren Berufspraxis fremde Lernmotivation:..."
Prüfungen sollen also eine Lernmotivation erzeugen,
die der späteren Berufspraxis nicht fremd ist?
3. Die Autoren machen zu dieser Berufspraxis folgende
Aussagen: Wenn auch "einheitliche Berufsbilder in der
Architektur" in Zweifel gezogen werden, bleiben "die
Adressaten eines Zeugnisses" "für Architekten" "Archi-
tekturbüros, die Bauabteilungen der Industrie- und der
Wohnungsunternehmen und die öffentliche Bauverwaltung."
"Einsinnvolles Studium geht auf deren Anforderungen
ein, wenngleich es keineswegs davon festgelegt sein
darf, ..." (wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht
naß).
4. "Haben nun für diese Stellen Diplomzeugnisse mit
Einzelnoten und Gesamtnote einen Wert?"
Der Wert von Gesamtnoten wird von den Autoren aus
pragmatischen Gründen bestritten. Selbst "Einzelnoten"
sollen entfallen, an ihre Stelle tritt die "Aussage" (?-!)-
"ausreichend" oder "nicht ausreichend".
5. Die anfangs nicht spezifizierte Funktion der Prüfung
wird präzisiert: Das Abgangszertifikat dient (natürlich
u.a.) dazu, "die qualifizierte menschliche Arbeitskraft
in den Produktionsprozeß einzuführen". (Die "neue
Form des Lernens" hat eine ähnliche Funktion. Sie er-
zeugt die "primäre Lernmotivation": "Die umfassende
versönliche Identifikation mit dem Arbeitsbereich".)
als Ideologie entlarvt ist, treffen sich die Autoren mit
ihrer eigenen Kritik; sie verlagern individuelle Konkur-
renz auf das Konkurrenzstreben solidarisch handelnder
Gruppen.
2. Als primäre Lernmotivation wird angegeben: "Die
umfassende persönliche Identifikation mit dem Arbeits-
bereich". Es wird wenig darüber gesagt, wie diese Iden-
tifikation entstehen soll.
3. Der Arbeitsbereich wird bestimmt durch die "gemein-
same Wahl" der Objekte, an denen Arbeit vollzogen
wird.
Eine vertikale autoritäre Struktur wird in der Notwen-
digkeit gemeinsamer Wahl durch ein horizontales Be-
zugssystem gegenseitiger Verpflichtung zur Rechenschaft
ersetzt; die umfassende persönliche Identifikation mit
einem Arbeitsbereich, der so zustande kommt, ist geeig-
net, die Behauptung der Autoren ad absurdum zu führen,
daß der Grad der Selbständigkeit der Lernenden zunimmt:
Die Identifikation, die unter diesen Bedingungen einen
Anpassungsprozeß erfordert, läuft der Entwicklung eman-
zipatorischer Fähigkeiten zuwider.
ad B)
Mit wohlmeinenden Proklamationen lassen sich die Kon-
sequenzen liberaler Ideologie bestenfalls auf eine Ebene
verlagern, auf der sich Neoliberalismus und Technokra-
tie solicdarisieren.
Warum ist der kritikfeindliche Effekt von Leistungskon-
trollen nicht zum zentralen Gegenstand der Auseinan-
dersetzung mit der Prüfungsproblematik gemacht worden?
Warum wird die Freisetzung persönlicher Motivation
unter Berufung auf die öffentliche Meinung und eine
fragwürdige Solidarität in Zucht genommen durch An-
forderungen eines zum Selbstzweck gewordenen techni-
schen und industriellen Prozesses?
Wenn es die Absicht der Autoren gewesen ist, den Ana-
chronismus der Prüfung in einem System zu zeigen, das
sie an sich schon ablehnen und für entwicklungsfeind-
lich und dehumanisierend halten: Was hat sie daran
gehindert, ihre Kritik daran, und wenn auch nur mit
einem Satz, zum Ausdruck zu bringen?
Bei Licht besehen, liest sich der Artikel, den wir kriti-
siert haben, als Kritik an sich selbst.
ad A)
Aus der so gekennzeichneten Funktion der Prüfung und
dem Werturteil, das durch die Aussage "ausreichend"-
"nicht ausreichend" gefällt wird, kann man schließen:
Der Standard, was "nicht ausreichend" ist, wird aus der
Berufspraxis der Gruppe aufgezwungen werden. (Wir
vermuten außerdem: Wenn eine Gruppe Standard und
Arbeitszeit selbst bestimmen könnte, würde sie so lange
arbeiten, bis sie sich das Zertifikat "ausreichend" zu-
billigen könnte.)
B) Soziale Massendemokratie?
1. Sinngemäß wird gesagt: Das Konkurrenzstreben wurzelt
im liberalen Denken des Konkurrenzkapitalismus und
entlarvt sich - im Zeitalter der sozialen Massendemo-
kratie - als Ideologie.
Uns scheint, daß das Konkurrenzdenken nur ein Aspekt
der liberalen Denkweise ist. Wenn liberales Denken
ARCH+ 2 (1969) H.7