DISKUSSION
Christoph Feldtkeller, Dietrich Keil
ALLE MAL PATTERN!
oder
ZUR IDIOTIEKRITIK
Anmerkungen zu Chr. Alexander: "MAYOR CHANGES
IN ENVIRONMENTAL FORM REQUIRED BY SOCIAL
AND PSYCHOLOGICAL DEMANDS" (ARCH+ 7, S.29)
1. Wie angekündigt, hatten wir vor, die Entwicklung
der theoretischen Schriften von Chr. Alexander, der,
jedenfalls hierzulande, als "wohl einer der wichtigsten
Architektur-Theoretiker unserer Zeit" (Baumeister 12/68)
gilt, bis hin zum o.g. Artikel zu analysieren, weil die-
se Schriften eine wichtige Rolle gespielt haben bei der
Beschäftigung mit methodologischen Aspekten des Ent-
wurfs, um die Unzufriedenheit mit rein intuitiven Ent-
wurfsverfahren zu überwinden. Indes, wir waren nicht
motiviert. Die Spannweite von Alexanders Schriften
läßt sich abschätzen an dem Vergleich des o.g. Artikels
mit dem im gleichen Heft abgedruckten Artikel von
Bereg/Krampen, einer kontextfreien, mechanistischen
Adaption früherer Ansätze des Autors. Der o.g. Artikel
scheint uns interessant für eine Analyse vor allem des-
nalb, weil er innerhalb der amerikanischen Planungslite-
ratur insofern eine Sonderstellung einnimmt, als er nicht
unabhängig von konkreten Planungsaufgaben Methoden
entwickelt noch eine bloße Dokumentation konkreter
Planungen darstellt, deren Zielvorstellung im vornherein
durch vermeintliche Sachzwänge beschränkt war. Viel-
mehr macht Alexander mit diesem Text den Versuch, von
den menschlichen Bedürfnissen ausgehend, unabhängig
von speziellen Situationen, sich mit der "construction
of serious utopias" zu beschäftigen. Die Allgemeingül-
tigkeit dieser Utopien, die die Form von "patterns" der
Umwelt annehmen, wird allerdings eingeschränkt durch
ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur
Wir werden jedoch nicht kritisieren, wozu Alexander
uns einlädt, nämlich diese vorgeschlagenen patterns,
sondern das Verfahren, das er anwendet und als allge-
meines Planungsverfahren vorschlägt, da wir schon die-
ses Verfahren nicht akzeptieren, was immer die Ergeb-
nisse im einzelnen sein mögen.
Dabei werden wir uns notwendig auf ausgewählte Stel-
en des Textes beziehen, die wir, da sich im Text keine
gegensätzlich interpretierbaren Äußerungen finden, als
symptomatisch für Alexanders Ideologie erkennen müssen.
Der Leser muß aufgrund seiner Kenntnis des gesamten
Textes entscheiden, ob wir damit dem Text gerecht wer-
den oder nicht. Die zitierten Stellen wurden nicht über-
setzt, da auch Alexanders Artikel nur im Original ab-
gedruckt war. Die Übersetzung wäre zudem in vielen
Fällen bedenklich wegen der Verwaschenheit seiner Aus-
drucksweise.
2. Ausgangspunkt für Alexanders Arbeit ist die Annahme,
daß wichtige Bedürfnisse ’des Menschen’ in unseren
Städten und in der Stadtplanung nicht in ausreichendem
Maße berücksichtigt werden und daß die Individuen
heute Konflikten ausgesetzt sind "which they cannot
resolve within the framework of the cultural institutions
and situations that the culture normally makes available
to them". Der Vergleich der Forschungsergebnisse von
Erikson u.a. mit den existierenden Städten bestätigt
ihm die geringe Chance einer "healthy" Entwicklung der
Individuen. Seine Intention ist es nun, die Ergebnisse
vor allem der psychologischen Forschung zu berücksichti-
gen, damit dieser Mangel beseitigt wird.
3. Das Verfahren, mit dem Alexander dieses Ziel er-
reichen möchte, stellt sich uns‘ wie folgt dar:
a) Die zuständigen Wissenschaften stellen Aussagen über
die "really deep forces=in a man’s life" aufgrund von
empirischen Untersuchungen zur Verfügung.
b) Analog Alexanders Auffassung, daß in einer Kultur
eine Wechselwirkung bestehe zwischen Rollenverhalten
und physischen patterns, fungieren die "really deep
forces" als soziologische und psychologische "demands",
d.h. Forderungen an die Stadtplanung, und zwar ohne
Hinweis auf mögliche Widersprüche zwischen verschiede-
nen "really deep forces" eines Individuums der Indivi-
duen oder verschiedener Klassen der Gesellschaft. Auf-
grund dieser Forderungen ’erfindet’ der Planer physische
patterns (oder ’neve kulturelle Institutionen’ oder
”institutionelle Situationen’) anhand von "common sen-
se discussion", wobei aber nicht klar ist, wer daran
teilnimmt.
c) Diese physischen patterns sollen durch experimentelle
Tests auf ihre "validity" überprüft werden, und zwar
anhand von Hypothesen über das erwartete Verhalten
der von den patterns Betroffenen. Die Validität soll als
bestätigt oder nicht bestätigt gelten, wenn ein "agree-
ment" darüber zustande kommt. Alexander sieht in dem
Zustandekommen des agreement kein Problem, da nach
seiner Auffassung die Wissenschaften - trotz der "stets
subjektiven Interpretierbarkeit von sozialpsychologischen
Experimenten" - in der Lage sind, die Kriterien dafür
zu liefern, zu entscheiden, ob die patterns "firmly ba-
sed on the ‘demands of human nature" sind oder nicht.
Es gibt widersprüchliche Aussagen darüber, zwischen
welchen Personen die Übereinstimmung erzielt werden
soll -
4. Wir werden nun versuchen ausfindig zu machen, was
es eigentlich ist, das in den Tests der patterns "vali-
diert" wird. Dazu müssen wir den Test (c) in Beziehung
setzen zur Ermittlung der psychologischen Daten (a).
Bei den "really deep forces", auf denen die patterns
ARCH+ 2 (1969) H.8