c) Eine weitere nützliche Aufgabe ist es, den Entscheidungs-
spielraum, die Variationsbreite des Planers zu analysieren.
Wo liegen seine jeweiligen Grenzen? Wo scheitert er bei
der Realisierung seiner Entwürfe?
Der Student lernt also auch an historischen Beispielen, das
komplexe Gefüge, aus dem Formen entstanden sind, zu
durchleuchten, seine Faktoren zu untersuchen und ihre
Beziehungen festzustellen, schließlich aber wieder das
Ganzheitliche zu beachten.
5. Selbstverständlich liegt in einer so ausgreifenden
Fragestellung, wie sie die neue Konzeption des Faches
Baugeschichte fordert, die Gefahr des Dilettierens beim
Ansprechen vieler Wissensgebiete nahe. Ich sehe dies aber
auch positiv. Es führt den Studenten frühzeitig dazu, selbst-
kritisch Erkenntnisarenzen zu sehen.
6. In der Baugeschichte sollte die methodische Ausbildung
den Vorrang vor der Information haben. Denn ein Rand-
fach mit Information zu überladen, wäre unfair gegenüber
anderen Fächern. Es kommt hier mehr auf das Sichtbar-
machen von Vorgängen an als auf das Präsentieren von
Ergebnissen.
7. Praktische und methodische Gründe sprechen dafür, den
Stoff in exemplarischen Modellen zu bieten.
8. Ihre Auswahl erfolgt im Hinblick auf das, was für den
Planer relevant wird. Man sollte die Gewichtigkeit einzelner
Themen überprüfen, um ahderen etwas mehr Raum geben oder
sie überhaupt berücksichtigen zu können. Ich denke hier
an Produktionsstätten, Industrie-Architektur, an Fragen wie
die Bezogenheit des Hauses zum Stadtorganismus oder der
Stadt in der Region. Provoziert durch das ausgreifende
Stichwort "soziologische Baugeschichte" sollten wir die
Untersuchung des Städtebaues kein Randthema bleiben
lassen, sondern zu einem der Hauptthemen machen.
Hier liegen auch für die wissenschaftliche Forschung
fruchtbare Arbeitsfelder.
Den verschiedenen Berufszielen entsprechend könnte man
den Stoff nach Diskussion mit den einzelnen Fachkollegen
entsprechend variieren oder anteilig abstimmen.
9. Unter dem Gesichtspufkt der Berufsnähe halte ich es
ferner für sinnvoll, neben beispielhaftem Hervorragendem,
an dem man sich orientiert, auch Durchschnittliches zu
analysieren, um Kritik und Verbesserungsfähigkeit zu
trainieren.
10. Nützlich ist es auch, möglichst Modelle am Ort mit-
zuberücksichtigen, um ständig Anschauungsobjekte parat
zu haben. Auch dies würde die pädagogische Effektivität
vergrößern.
11. Der topographische Umkreis sollte auch auf außer-
europäische Modelle erweitert werden.
Die Stoffwahl sollte nicht zeitlich eingeschränkt
werden. Denn die Baugeschichte endet nicht im 19. Jahr-
hundert, sondern gestern.
Die beiden letzten Jahrhunderte müßten sogar anteilig
stärker berücksichtigt werden, um an ihren Beispielen
herauszuarbeiten, wo, warum und wie unsere gegenwärti-
gen Probleme entstanden.
12. Wie kann man historische Tatbestände so fruchtbar
wie möglich für die Gegenwart machen? Vorschlag:
Historische Bauten im Unterricht mit modernen Bauten
konfrontieren. Begründung:
a) Der Student lernt, Allgemeingültiges und Hic-et-nunc-
Determiniertes zu unterscheiden. Dies wird ihm helfen,
der Gefahr des Historismus zu entgehen.
b) Die Konfrontationsmethode entspricht auch einem be-
ruflichen Bedürfnis. Der Architekt setzt seine Bauten häufig
neben historische. Er wird lernen zu integrieren, ohne
seine schöpferischen Kräfte zurückzustellen.
c) Die Konfrontationsmethode gibt weiterhin die ständige
Selbstkontrolle, ob die Lehre integriert oder isoliert,
nützlich oder abseitig ist.
13. Es ist hier nicht möglich, einen Studiengang heraus-
zustellen. Ich gebe nur Anhaltspunkte. Vorbemerkung: eine
Anordnung nach Themen scheint mir rationeller, zielge-
richteter und didaktisch wirksamer als die chronologische
Abfolge.
ARCH +2 (1969) H.5