Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1969, Jg. 2, H. 5-8)

c) Eine weitere nützliche Aufgabe ist es, den Entscheidungs- 
spielraum, die Variationsbreite des Planers zu analysieren. 
Wo liegen seine jeweiligen Grenzen? Wo scheitert er bei 
der Realisierung seiner Entwürfe? 
Der Student lernt also auch an historischen Beispielen, das 
komplexe Gefüge, aus dem Formen entstanden sind, zu 
durchleuchten, seine Faktoren zu untersuchen und ihre 
Beziehungen festzustellen, schließlich aber wieder das 
Ganzheitliche zu beachten. 
5. Selbstverständlich liegt in einer so ausgreifenden 
Fragestellung, wie sie die neue Konzeption des Faches 
Baugeschichte fordert, die Gefahr des Dilettierens beim 
Ansprechen vieler Wissensgebiete nahe. Ich sehe dies aber 
auch positiv. Es führt den Studenten frühzeitig dazu, selbst- 
kritisch Erkenntnisarenzen zu sehen. 
6. In der Baugeschichte sollte die methodische Ausbildung 
den Vorrang vor der Information haben. Denn ein Rand- 
fach mit Information zu überladen, wäre unfair gegenüber 
anderen Fächern. Es kommt hier mehr auf das Sichtbar- 
machen von Vorgängen an als auf das Präsentieren von 
Ergebnissen. 
7. Praktische und methodische Gründe sprechen dafür, den 
Stoff in exemplarischen Modellen zu bieten. 
8. Ihre Auswahl erfolgt im Hinblick auf das, was für den 
Planer relevant wird. Man sollte die Gewichtigkeit einzelner 
Themen überprüfen, um ahderen etwas mehr Raum geben oder 
sie überhaupt berücksichtigen zu können. Ich denke hier 
an Produktionsstätten, Industrie-Architektur, an Fragen wie 
die Bezogenheit des Hauses zum Stadtorganismus oder der 
Stadt in der Region. Provoziert durch das ausgreifende 
Stichwort "soziologische Baugeschichte" sollten wir die 
Untersuchung des Städtebaues kein Randthema bleiben 
lassen, sondern zu einem der Hauptthemen machen. 
Hier liegen auch für die wissenschaftliche Forschung 
fruchtbare Arbeitsfelder. 
Den verschiedenen Berufszielen entsprechend könnte man 
den Stoff nach Diskussion mit den einzelnen Fachkollegen 
entsprechend variieren oder anteilig abstimmen. 
9. Unter dem Gesichtspufkt der Berufsnähe halte ich es 
ferner für sinnvoll, neben beispielhaftem Hervorragendem, 
an dem man sich orientiert, auch Durchschnittliches zu 
analysieren, um Kritik und Verbesserungsfähigkeit zu 
trainieren. 
10. Nützlich ist es auch, möglichst Modelle am Ort mit- 
zuberücksichtigen, um ständig Anschauungsobjekte parat 
zu haben. Auch dies würde die pädagogische Effektivität 
vergrößern. 
11. Der topographische Umkreis sollte auch auf außer- 
europäische Modelle erweitert werden. 
Die Stoffwahl sollte nicht zeitlich eingeschränkt 
werden. Denn die Baugeschichte endet nicht im 19. Jahr- 
hundert, sondern gestern. 
Die beiden letzten Jahrhunderte müßten sogar anteilig 
stärker berücksichtigt werden, um an ihren Beispielen 
herauszuarbeiten, wo, warum und wie unsere gegenwärti- 
gen Probleme entstanden. 
12. Wie kann man historische Tatbestände so fruchtbar 
wie möglich für die Gegenwart machen? Vorschlag: 
Historische Bauten im Unterricht mit modernen Bauten 
konfrontieren. Begründung: 
a) Der Student lernt, Allgemeingültiges und Hic-et-nunc- 
Determiniertes zu unterscheiden. Dies wird ihm helfen, 
der Gefahr des Historismus zu entgehen. 
b) Die Konfrontationsmethode entspricht auch einem be- 
ruflichen Bedürfnis. Der Architekt setzt seine Bauten häufig 
neben historische. Er wird lernen zu integrieren, ohne 
seine schöpferischen Kräfte zurückzustellen. 
c) Die Konfrontationsmethode gibt weiterhin die ständige 
Selbstkontrolle, ob die Lehre integriert oder isoliert, 
nützlich oder abseitig ist. 
13. Es ist hier nicht möglich, einen Studiengang heraus- 
zustellen. Ich gebe nur Anhaltspunkte. Vorbemerkung: eine 
Anordnung nach Themen scheint mir rationeller, zielge- 
richteter und didaktisch wirksamer als die chronologische 
Abfolge. 
ARCH +2 (1969) H.5
	        

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