des dienstleistenden Kleinbürgertums gebracht hat (3).
Die Verschlechterung der materiellen Lage des Klein-
bürgertums durch seine Vermassung hat bei technologisch
notwendiger, extensiver Vergesellschaftung des Bil-
dungsprivilegs eine Reservearmee auch des qualifizierten
Teils des Kleinbürgertums, der technischen und bürokra-
tischen Intelligenz geschaffen. Damit hat sich unter
ihnen die Konkurrenz vergrößert und die Ausbeutung
durch das Kapital verschärft, der aus mangelnder Selbst-
organisation keine Schranken gesetzt sind. "Der kom-
merzielle Arbeiter produziert nicht direkt Mehrwert.
Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Wert seiner
Arbeitskraft bestimmt, während die Ausübung dieser
Arbeitskraft als eine Anspannung, Kraftäußerung und
Abnutzung keineswegs durch den Wert seiner Arbeits-
kraft begrenzt ist (4)."
In ihrer Funktion, die Exploitation der menschlichen
Arbeitskraft zu optimieren und die von ihr zu diesem
Zweck verbesserten Produktionsmittel für die Kapital-
verwertung einzusetzen, erfährt die Intelligenz gleich-
zeitig die eigene, zunehmende Ausbeutung und Trennung
von den Produktionsmitteln. Damit sind die objektiven
Bedingungen eines mit dem Proletariat gemeinsamen
Interesses zur Aufhebung der Ausbeutung hergestellt.
Durch die Nebel ihrer Ideologie, die sie bisher als Ideo-
log des Kapitals auftreten ließ, wird sie, wie die Uni-
versitätsrevolte beweist, ihrer Klassenlage, die sie mit
dem Proletariat teilt, zunehmend inne.
Damit beginnt sich Benjamins Forderung, der Intellektu-
elle solle seine Technik für den Klassenkampf einsetzen.
heute in einem anderen Sinne zu verifizieren, als sie
vielleicht von ihm gestellt war: die Intelligenz als
eine dem Proletariat gegenüberstehende, revolutionäre
Avantgarde zu verstehen, die sich für dessen Interessen
und Nutzen im Klassenkampf einsetzt, ist, von der re-
volutionären Effektivität her gesehen, schon immer frag-
würdig gewesen. Sie muß heute als appelative Forderung
verstanden werden, aus der Erkenntnis der mit dem Pro-
letariat gemeinsamen Klassenlage die eigene Ausbeu-
tung als Moment der allgemeinen zu bekämpfen. Weniger
denn je ist heute die Forderung als eine intellektuelle
Teilnahme am Klassenkampf interpretierbar, sondern sie
knüpft materialistisch an die eigene Position im Produk-
tionsprozeß an: die Intelligenz muß sich selbst als Sub-
jekt der Revolution begreifen.
Die Darstellung der konkreten Funktion des Architekten
im Klassenkampf, den er, wie allgemein an der Lage der
Intelligenz umschrieben wurde, zur Durchsetzung seiner
eigenen unterdrückten Bedürfnisse führen muß, setzt die
Reflexion seiner konkreten Funktion im gegenwärtigen
Produktionsverhältnis voraus. Sie wird definiert durch
sein Verhältnis zu den Produktionsmitteln, mit deren
Hilfe er produziert bzw. produzieren wird,
Die vulgäre Auffassung bringt den Begriff der architekto-
nischen Produktionsmittel mit der Technologie der
Bauindustrie zur Deckung. Sie unterschlägt das
neben der Industrie konstituierende Moment architektoni-
scher Produktion: das primäre Produktionsmittel in der
Form des Naturelementes Boden. Die Erweiterung
des Begriffes bringt die Anerkennung der geistigen Pro-
duktionsmittel, die Mittel zur Planung in Form erarbeite-
ter Methoden und Konstruktionsschemata und Baugesetzen,
als ein die materiellen Produktionsmittel ergänzendes
Moment. Von allen dreien kann der Architekt nur über
eines wirklich verfügen: über die geistigen Produktions-
mittel, über seine Ideologie.
Die Ideologie des Architekten realisiert sich als ein Be-
wußtsein, das von der Illusion, die er sich über die öko-
nomisch-politische Funktion seiner Tätigkeit macht, aus-
geht und sie auf das architektonische Produkt überträgt,
das als durch den Gedanken hervorgebracht erscheint.
In der Anwendung der bekannten Dialektik, nach der die
Gedanken nichts als die himmlischen Formen der ökono-
mischen Bedingungen sind, hat der Architekt für seinen
Kapitalherrn seine ganz bestimmte Fungibilität. Die
kulturellen Normen, die er mit Hilfe seiner Planungs- und
Kalkulationstechnik als Bauwerk aufrichtet, helfen dem
Auftraggeber, das Bauwerk rentierlich zu verwerten. Es
sind dies Normen, die den Rechts- und Eigentumsvor-
stellungen der vorkapitalistischen Welt angehören, die
Normen für Grundrisse, die vorgeben, es existierten noch
allgemeingültige und als vernünftig anerkannte Bedürf-
nisse, die in solch bestimmten Formen sich eingrenzen
ließen. Im Festhalten vergangener Produktionsverhältnis-
se durch seine Ideologie wird die von ihm vorgeschlagene
Lösung der "Wohnungsfrage" zur radikalen Lösung: Er
trennt im Wohnbereich die Arbeiterklasse von sich selbst
und zwingt sie, nach Zerlegung ihres Lebens in "Funk-
tionen", den Wohnbereich als den einzigen Regenera-
tionsbereich ihrer Physis anzuerkennen, sich individuell,
im Rahmen vereinzelter Familien zu reproduzieren. Das
Subjekt seiner Technik ist nicht der Arbeiter, sondern die
bürgerliche Individualität.
Der in seiner "Wissenschaft" ausgebildete Architekt, der
in den Produktionsprozeß als Verwalter oder Organisator
des Mehrwertes eintritt, findet an seinem Arbeitsplatz,
dem öffentlichen oder privaten Kontor, einen objektiven
Produktionsorganismus als fertige, materielle Produk-
tionsbedingung vor. Zwischen die materiellen Produk-
tionsmittel und ihn haben sich die Institutionen der
Grund- und Kapitalinteressen geschoben, die ihm fest-
gelegte "Programme" zuteilen, zu deren Ausführung er
sich beeilt. Abgetrennt von seinen Verwirklichungsmit-
teln, nur mit seiner Ideologie ausgerüstet, erscheint es
zufällig, ob er vereinzelt oder kooperativ, als "Selb-
ständiger" oder "Angestellter" arbeitet, anders als in
der Groß-Industrie, wo der kooperative Charakter als
durch die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte Not-
wendigkeit erscheint. Es fehlt jeder organisatorische Zu-
sammenhang, der die Architekturproduzenten, das Heer
der Arbeiter in der Baustoffindustrie, der Baumaschinen-
industrie, der Hoch- und Tiefbaubetriebe und der techni-
schen, wie auch verwaltenden Bürokratie, zur Durch-
führung ihrer eigenen, gesellschaftlichen Interessen zu-
sammenschließt. Dieser Zusammenhang ist nur an sich,
als fachliche Interdependenz verschiedener Kapitalgrup-
pen gegeben; der Architekt vermochte bisher nicht, diese
Interdependenz auch für sich durch wissenschaftliche odeı
gar politische Kooperation herzustellen.
Wie stellt sich das Verhältnis des isoliert Programme
verarbeitenden Architekten zu seinem unmittelbaren
Produktionsmittel, zur Bauindustrie dar?
Innerhalb des Universums der monopolkapitalistischen
Produktion findet der Architekt in der Bauindustrie einen
nicht nur relativ, sondern absolut veralteten Apparat vor
ARCH+ 3 (1970) H. 9