Sie wird von ihrer aus der vorindustriellen Zeit in die
Gegenwart herübergeretteten, vorwiegend ständischen
Struktur bestimmt. Diese figuriert in der Neigung der
Bauindustrie zur Organisation der Arbeit in Klein- bzw
Mittelbetrieben auf der Grundlage handwerklicher Tra-
dition (5). Die Zersplitterung des mit Recht sogenannten
Baugewerbes in lokal gebundene, in lokaler Konkurrenz
zueinander stehende Betriebe wird verstärkt durch die
Gewohnheit, für jedes Produkt eine eigene Baustelle
einzurichten und nach der willkürlichen Reihenfolge der
eintreffenden Bauaufträge eine unzusammenhängende
Kette von Produktionsstätten zu durchlaufen. Die vor-
industrielle Organisation der Arbeit verzögert die Ein-
führung industrieller Fertigungsmethoden, die zu ihrem
Ziel die Verlegung der "Baustelle" in die Fabrik hätten
Der Anteil der Fertigteil-Produktion an der Gesamtpro-
duktion mit 5,6 Prozent ist weit geringer als in der
Großindustrie (6). Der geringe Industrialisierungsgrad
schlägt sich in den Produktionskosten nieder, die durch
das Verhältnis von hohen Lohnkosten und geringem
"fixen" Kapital bestimmt werden, ein Verhältnis, das
beim Ausgleich der Durchschnittsprofitrate zwischen den
einzelnen Industriezweigen nur relativ geringe Gewinne
ermöglicht. "Die Bauwirtschaft liegt mit ihren Gewinnen
am Ende der Skala aller Branchen (7).'" Die niedrige
Rentabilität wird mitbedingt durch die Rancune des Bau-
gewerbes gegen Planung der Arbeitsorganisation (8) und
durch die geringe Auslastung des in viele Bauparzellen
zersplitterten Maschinenparkes. Die Vielzahl von Spe-
zialgeräten, die infolge kleiner Bauaufgaben und der
wechselnden Wetterverhältnisse nicht kontinuierlich
eingesetzt werden können, verursachen hohe "tote
Kosten". "Das Bauhauptgewerbe (Anm.: im Unterschied
zur Zulieferungsindustrie) ist als Bereitschaftsgewerbe
gezwungen... den Maschinenpark auf Beschäftigungs-
spitzen auszulegen. Das bedeutet hohe Fixkostenbela-
stung (9). " Infolge der diskontinuierlichen Auslastung
ihrer Produktionskapazität krankt das Baugewerbe an
gleichzeitiger Über- und Unterkapazität. Der Mangel
an Kapital und die daraus resultierende Unmöglichkeit,
die Investitionen selbst zu finanzieren, hat die Kapital-
struktur in Relation zur Großindustrie weiter verschlech-
tert.
Im Versuch der Bauindustrie, ihre Produktion zu ratio-
nalisieren, um über neu zu erobernde Exklusivmärkte den
Anschluß an die hohen Profite der Großindustrie zu
finden, zeichnet sich die Funktion des Architekten ab:
In einer Sphäre, in der die Buchführung noch durch
Handschlag ersetzt, Bauaufträge durch Bestechung in
Form von Naturalrente erlangt werden, erscheint die
Konzentration des Baugewerbes zu einer kapitalintensi-
ven Großindustrie als ein ungeheuverlicher Schritt. Das
Baugewerbe erwartet daher vom Architekten Vorschläge
die die Spezialisierung der nach wie vor ständisch or-
ganisierten Baubetriebe vorantreiben und ihre Koopera-
tion innerhalb von Preiskartellen und Syndikaten einlei-
ten sollen (10). Dadurch soll das schwankende Gewinn-
risiko beseitigt und die noch vorhandene regionale
Konkurrenz abgebaut werden. Die Gewinnung never
Märkte wird von der Bauindustrie nicht als geographische
Ausweitung, sondern als intensive Nutzung des nationa-
len Marktes aufgefaßt, der "durch Forschung, durch
Deckung von Bedarfslücken, durch Ausspähung von An-
gebotsnischen erobert werden kann (11)".
Der für den Architekturbetrieb heute verantwortliche
Architekt, von tendenzieller Arbeitslosigkeit bedroht
(
unterwirft sich diesen Forderungen, noch ehe sie ihm
von der Bauindustrie gestellt werden. In dieser Intention
fordert Architekt Jörn Jansen eine Bauplanung, deren
Aufgabe darin besteht, "ein Maximum von Wissen... zur
Lösung der gestellten Aufgaben zu koordinieren, die
Dispositionen und Beschaffungen, die für die gewünschte
Nutzung erforderlich sind, zu leiten... Aufgrund der
Tatsache, daß Forschung, Produktion und Nutzung kon-
tinvierliche Prozesse sind, programmiert die Bauplanung
diese Prozesse." Die personalisierte Bauplanung hat
Selbstbewegung: sie produziert und programmiert ihren
eigenen Prozeß; sie kompiliert "Wissen", um der "ge-
wünschten Nutzung" optimale Voraussetzungen zu schaf-
fen. Wem nützt die Nutzung und wer wünscht sie daher?
Jansen, der einen Graben der Wertfreiheit für seine
Wissenschaft ausgehoben hat, kann von ihm aus "getrost
unterstellen, daß gesellschaftlicher Nutzen individueller
Nutzen einschließt", weshalb Planungsaufgaben "prin-
zipiell anonym" zu interpretieren seien. Weigert sich
Jansen, den Zusammenhang der gewünschten Nutzung
mit ihrem Adressaten herzustellen, so wird dieser Zu-
sammenhang durch die Angabe der Gliederung der Nut-
zung auf den Begriff gebracht: "Nutzungen sind geglie-
dert nach den Regulativen der Arbeitsteilung. . .
Produktion, Verwaltung, Bildung, Wohnen." In der
Gliederung der Nutzung nach "Regulativen" wird die
Personalunion von Auftraggeber und Nutznießer, das an
profitabler Arbeitsteilung existentiell interessierte Ka-
pital der Bauwirtschaft und des Bodeneigentums sichtbar.
Nach der Absprache mit dem Auftraggeber über die
"gewünschte Nutzung" gehört es nunmehr zur nicht un-
billig geforderten Pflicht des Architekten, die Planungs-
aufgabe "prinzipiell anonym" zu interpretieren. Planung
soll, nach Jansen, in den Verwertungsprozeß des Kapi-
tals nur eingreifen, um auftauchende Disparitäten der
Verwertung - ungenügende Nutzung - auszugleichen.
"Jedes System... benutzt Bauten als betriebstechnische
Hilfsmittel. Treten im System Fehler und Mängel auf,
dann entsteht damit ein Planungsproblem (11a).'" Das
System ist das Kapital und das Bauwerk sein Betrieb, der
Planer Erfüllungsgehilfe zur Beseitigung der innerbetrieb-
lichen Mängel. Von den durch die Planung Betroffenen
ist nicht die Rede.
Der Exkurs zur Position des apologetisch argumentieren-
den Architekten erhellt, wie die politische Tendenz, die
Affirmation der bestehenden Produktionsverhältnisse,
seinen Vorschlägen zur Rationalisierung nur eine "sy-
stem'"'-immanente Funktion zukommen kann: die Ratio-
nalisierung der Waren-Qualität, mit der Architektur
gehandelt werden soll, zu betreiben. Mit Hilfe seiner
Technik beliefert der Architekt den Produktionsapparat
der Bauindustrie.
Die Rationalisierungsvorschläge des Architekten erfüllen
sich nach dem im Monopolkapitalismus üblichen Doppel-
sinn eines beschränkt technologischen Fortschrittes bei
gleichzeitiger Optimierung des Mehrwertes. Bei Modi-
fizierung der Struktur der Bauindustrie zur innerbetrieb-
lichen Kooperation, in der die einzelnen Betriebe recht-
lich selbständig und wirtschaftlich unabhängig bleiben,
wird es möglich, eine bewußt partielle Rationali-
sierung durchzuführen: anstatt sie unter dem Aspekt
einer optimalen Industrialisierung des Bauens bei gleich-
zeitiger Reduktion der menschlichen Arbeit zu betreiben,
werden die gängigen, nur schwer industrialisierbaren
Baustoffe, wie Ziegel, Holz und Beton, und die aus ihnen
entwickelten Baukonstruktionen zur Grundlage verbesser-
ARCH+ 3 (1970) H. 9