Der Gegenstand langfristiger Beschäftigung der Bauin-
dustrie sollte der Ausbau der Infra-Struktur, vor allem
der öffentlich geförderte "soziale Wohnbau" sein.
Am Wohnungsbau zeigt sich die Schranke, auf die die
Forderung nach Ausdehnung der Surplusabsorption stößt:
auf die Schranke der vereinigten Interessen von Indu-
striekapital und Grundbesitz, die darauf drängen, die
Surplusabsorption gesellschaftlich unproduktiv durch-
zuführen, dies, um die Stabilität der Klassenstruktur,
unter der produziert wird, zu erhalten. Investitionen,
durch die die massenhafte Befriedigung kollektiver Be-
dürfnisse realisiert werden könnte, unterbleiben. Die
Surplusverwertung wird auf Gebiete verlagert, wo das
Bedürfnis der beiden Kapitalklassen nach gesellschaft-
lich unproduktiver, das heißt, nur für sie produktiver
Verwendung der Investitionen zusammentrifft, mit der
Chance, durch sie ursprünglich kollektive Bedürfnisse
als individuelle zu produzieren und als individuelle
befriedigen zu können. Das Feld geplanter Vergeudung
ist zur Zeit in der BRD der Autobahnbau (18).
Die langfristig organisierte Surplusabsorption auf dem
Gebiet des "sozialen" Wohnungswesens bedroht das
Sonderinteresse des Grundeigentums, ein großes Ange-
bot von Wohnungen mit niedrigen Mieten brächte den
Markt, an dem sie als Ware gehandelt werden, ins
Wanken. Die Produktion von Wohnbauten basiert unter
dem Einfluß des Grundkapitals auf der Konstanz der
Summe aller Wohnungen unter Ausschluß der je unren-
tierlichsten, womit das Motiv zur kontinuierlichen
Slumsanierung gefunden ist.
Die Konstruktion der Miete liefert für das städtische
Grundeigentum die Basis für sein "Recht", die Grund-
rente einzutreiben. Die Grundrente ist das eigentliche
Geheimnis der Versteinerung des als Ware gehandelten
Wohnungsbaues; Moment dieser Versteinerung ist die
technologische Rückständigkeit der Bauindustrie, welche
dem Grundeigentum die Grundrente zu realisieren hel-
fen muß. Für das Grundeigentum erscheint es als unab-
dingbare Voraussetzung seiner Rentier-Existenz, die
Legitimation für das Eintreiben der Miete bzw. der
Grundrente darzustellen: es gilt, die Annexion der Woh-
nung durch den Boden und den mit ihm verbrieften
Rechte bautechnisch nach außen auszudrücken. Die
Ideologie des Grundeigentums fordert demnach eine
Produktionsweise, die auf die Fertigung immobiler
Bauten und deren Individualisierung nach Parzellen aus
gerichtet ist. Die Bauindustrie wird durch Erfüllung
dieser Forderung gezwungen, von einer Parzelle zur
anderen zu wechseln und bleibt dadurch auf der Stufe
eines abhängigen Subunternehmens oder Reparaturbetrie-
bes stehen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Rückstän-
digkeit der Bauindustrie als der unmittelbare Ausdruck
der antagonistischen Interessen von Boden- und Industrie-
kapital sich darstellt. Eine Rationalisierung, die an die
in Verkrüppelung gehaltene Struktur des Baugewerbes
anknüpft, kann keine qualitativ veränderte Produktions-
weise und können keine qualitativ veränderten Produkte
- Wohnungen - hervorbringen (19). Da die Rückständig-
keit der Bauindustrie integrales Moment staatlicher
Politik ist, diese selbst nur der Ausdruck divergierender
Kapitalinteressen sein kann, ist die Forderung nach ver-
mehrter staatlicher Subventionierung oder Verstaatli-
chung der Bauindustrie falsch gestellt.
Die dem Architekten heute zugewiesene Funktion, die
Gewinne der Bauindustrie und die Miete zu maximieren.
wäre unverändert. Die Forderung nach Aufhebung des
Privateigentums am Produktionsmittel Boden und damit
der kapitalistischen Form der Grundrente erscheint als
der richtige politische Ansatz zur Lösung der "Wohnungs-
frage", die in der Verwandlung der Wohnung in ein
Produktionsmittel für die Arbeiterklasse besteht.
Die dafür grundlegende Strategie des Architekten; der
die gesellschaftliche Aneignung der architektonischen
Produktionsmittel vorzubereiten sich zur Aufgabe macht,
kann nur aus der konkreten Analyse des konkreten histo-
rischen Verhältnisses des Bodenkapitals innerhalb des
gesellschaftlichen Gesamtprozesses gewonnen werden.
IV
Das Bodeneigentum als Form der privaten Aneignung von
Mehrwert beschäftigt die Nationalökonomie nur am
Rande, sehr im Widerspruch zu seiner realen Bedeutung
für die agrikole und industrielle Produktion. Sie bleibt
die Erklärung über die bewegliche Natur, des Bodens als
Ware, als Kapital, das die Grundrente produziert, schul-
dig. Die Unfähigkeit der bürgerlichen Ökonomen - zu
diesen zählt auch der "betriebswirtschaftlich" kalkulie-
rende Architekt -, diese Frage zu beantworten, resultier!
aus ihrer gesellschaftlichen Position, die sie nach Marx
"als Wortführer des industriellen Kapitals" auftreten
läßt. Der frühbürgerlichen Ökonomie war der Konflikt
von industriellem Kapital und Bodeneigentum noch Ge-
genstand einer breit ausgelegten Diskussion. "Die ganze
Frage des Freihandels ist ein Streit um die Höhe des Brot
preises und damit um die Höhe der Löhne gewesen (20). "
Die Grundrente in ihrer Verwandlung zum Moment der
Miete kann nur aus der Dialektik, in der sie zu den
Löhnen steht, -also auf der Basis des Verhältnisses von
Kapital-Lohnarbeit, entwickelt werden. Wesentlich für
die Rekonstruktion der Grundrente ist es, den Sprung
aufzusuchen, mit welchem sich der durch die kapitali-
stische Produktion produzierte Mehrwert in Rente und
Profit aufspaltet.
"Zentral (ist)... die Frage, woher nach Angleichung
des Mehrwertes unter den verschiedenen Kapitalien...
der überschüssige Teil dieses Mehrwertes stammt, den das
im Boden angelegte Kapital in der Form der Grundrente
an den Grundeigentümer zahlt (21)."
Die einfachste und ursprünglichste Form der Rente ist die
Arbeitsrente, die in der direkten Aneignung der Ar-
beitskraft durch den Grundeigentümer qua Feudalherrn
besteht. Mehrarbeit, Mehrwert und Rente fallen hier
noch zusammen. Mit der Abgabe von agrikolen Produkten
anstatt unmittelbarer Arbeit verwandelt sich die Arbeits-
rente in Produktrente. Der qualitative Umschlag von
Produktrente, die Arbeitsrente war, in Grundrente, die
eine Geldrente ist, entsteht mit der Zwischenschaltung
des Pächters zwischen Grundeigentümer und
Arbeiter.
Die Rente sinkt von der normalen Form des Mehrwertes
herab zum Überschuß des Mehrwertes über den Teil, der
vom Pächter in der Form des Profites angeeignet wird.
Der Pächter-Kapitalist gibt nur einen Teil des exploitier-
ten Mehwwertes an den Grundeigentümer weiter. Mit
Unterscheidung von Profit und Grundrente wird von Marx
das Verhältnis von Kapitalist-Grundeigentümer definiert
als ein Verhältnis, das antagonistische Interessen be-
ARCH+ 3 (1970) H. 9