welche die Grundlage für Theorien bilden;
- instrumentell (wie das Ingenieurwesen), indem sie die
Mittel und Methoden für die Anwendung in konkreten
Situationen entwickelt;
- pragmatisch, indem sie diese Anwendbarkeit ständig
berücksichtigt und bei der Anwendung selbst beteiligt
ist (wie die Medizin) (12)."
Dieser Wissenschaftsbegriff und damit der erweiterte
Planungsbegriff der Definition (d) liegt auch der opera-
tionalen Forschung zugrunde (operations research).
Bei der operationalen Forschung geht es um die "Lösung
operationaler Probleme mit Hilfe der Wissenschaft
schlechthin" (13), wobei Churchman, Ackoff und
Arnoff folgende Planungsphasen unterscheiden: Formu-
lierung des Problems, Modellkonstruktion, Ableitung
einer Lösung aus dem Modell, Test des Modells und der
Lösung, Vorsorge für eine Überwachung und Anpassung
der Lösung und deren praktische Verwirklichung.
Es soll hier nicht weiter auf die operationale Forschung
eingegangen werden; in diesem Zusammenhang ist vor
allem die Tatsache bedeutsam, daß der Planungsbegriff
des operations research auch auf die Regelung (Steue-
rung), d.h. auf die Stabilisierung verwirklichter
Lösungen erweitert wird (14).
Wenn wir davon ausgehen, daß ein solcher Planungsbe-
griff in zunehmendem Maße aus dem Bereich der Unter-
nehmensführung zur Grundlage behördlicher Planung
avanciert, dann läßt sich aus diesem Umstand die Ver-
mutung bekräftigen, daß vor dem Hintergrund
der bestehenden gesellschaftlichen Ver-
hältnisse mit den neuen technischen Möglichkeiten
der (zweck-)rationalen Organisierung der soziotechni-
schen Umwelt die Gefahr heraufzieht, Planungsimpera-
tive aus vermeintlichen technologischen "Sachzwängen"
abzuleiten mit dem Ziel einer konfliktvermeidenden
Stabilisierung (Steuerung und Regelung) soziotechnischer
Prozesse; kurz: die Gefahr der Verselbständigung des
Subsystems zweckrationalen Handelns zu einem techno-
kratischen Verwaltunasapparat
1.2 Das "technokratische Modell"
Die vorgestellte Vermutung soll zunächst gesellschafts-
politisch untermauert werden; auf ihre psychologischen
Aspekte wird unter Punkt 1.5 dieses Teils kurz einge-
gangen.
Habermas erklärt, daß sich heute die Frage stelle, ob
das dezisionistische Modell ("in letzter Instanz kann
sich das politische Handeln nicht rational begründen")
einem technokratischen weicht, in dem sich der "Sach-
zwang" der Spezialisten gegenüber der Dezision der
Führer (durchsetzt). Der Staat "...scheint nicht länger
ein Apparat zur gewaltsamen Durchsetzung prinzipiell
unbegründbarer, nur’dezisionistisch vertretener (Eigen-)
Interessen zu bleiben, sondern Organ einer durchgängig
rationalen Verwaltung zu werden".
Systemforschung, Entscheidungstheorie und operationale
Forschung stellen nicht neue Technologien bereit und
verbessern damit die herkömmlichen Instrumente, "...
sondern rationalisieren durch berechnete Strategien und
Entscheidungsautomatiken die Wahl als solche" (15). Der
Auffassung der Volkswirtschaft als "zweckorientierte
Maschine" (social engineering) liegt eine tendenzielle
und strukturelle Gleichsetzung der staatlichen Verwal-
tung mit dem Management von privaten Wirtschaftsun-
ternehmen zugrunde. Das bedeutet also, daß in der
Planung der Einsatz von Mitteln allein nach Kosten
optimiert wird. Es muß dann versucht werden, gesell-
schaftlichen Nutzen und Wert in Kostendimensionen zu
quantifizieren.
Wenn die Kostenminimierung bzw. die Profitmaximierung
als diskutable subjektive Wertsetzungen im Dienste der
herrschenden Klasse der Kapitalisten zugunsten quasi
naturgesetzlicher Sachzwänge aus dem Bewußtsein der
Planer und Politiker verdrängt werden, können erst
Sachzwänge als Ausdruck technischer (a priori) Notwen-
digkeiten die Leistung eines Systems definieren und
zur Legitimation politisch-technokratischer Entscheidun-
gen herangezogen werden. "Wertneutralität'" verwandelt
sich. in "Wertfreiheit".
Eine derart quantifizierbare Leistung kann dann den
"Sollwert" zur Steuerung und Regelung (kybernetischer)
Systeme abgeben. Das soziotechnische System "Gesell-
schaft" wird dann als äußerst komplexes System (black
box) (16) definiert. Dabei soll über die analytische Er-
fahrungsgewinnung hinaus das System mit Hilfe des
Prinzips der "Eingangsmanipulation und Ausgangsklassifi-
kation" (17) gemäß eines solchen Sollwertes stabilisiert
werden, d.h. potentielle Konflikte sollen frühzeitig er-
kannt und eliminiert werden. Wenn wir davon ausgehen,
daß die Methoden des operations research zunehmend
auch zur Grundlage behördlicher Planungen werden, so
wird die Möglichkeit des Einsatzes "lernfähiger" Auto-
maten oder Automaten mit "Bewußtseinsmechanismen"
(18) zur Stabilisierung bestehender Verhältnisse zur
"realen Utopie".
Bezeichnend ist das Emanzipationsverständnis technokra-
tischer Ideologiekritik: Wenn eine sinnvolle Gestaltung
der Umwelt einen wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß
voraussetzt, so kann argumentiert werden, daß dieser in
der Geschichte durch "Ideologien", durch Transzendie-
rung auf einen wissenschaftliche Erkenntnis übersteigen-
den Wert hin immer wieder korrumpiert wurde; und diese
Transzendierungen geben die Basis für die inhumansten
Gesellschaftssysteme ab. Jede Ideologie wird daher als
inhuman begriffen; d.h. aber, daß die Frage nach dem
"Sinn des Lebens" nicht Gegenstand ideologiekritischen
Erkenntnisinteresses sein kann.
Am Verhältnis der Geistes- zu den Naturwissenschaften
wird dieses Dilemma besonders deutlich: so bei H.P.
Barth, H. Krauch und H. Rittel unter dem Thema "Die
Technik der wissenschaftlichen Arbeit in Gruppen":
"Anerkennung ’ wissenschaftlicher” Methoden: Die
Mitglieder eines Kooperativs müssen sich über die Be-
nutzung ’wissenschaftlicher” Methoden und deren Not-
wendigkeit einig sein. Diese Tatsache schafft einen
objektiven Arbeitsstil, der in der Lage ist, innenpoliti-
sche Rücksichten und persönliche Argumente weitgehend
zu relativieren und auszuschalten. Er ist durch strenge
Sachbezogenheit und Folgerichtigkeit ausgezeichnet.
Behauptungen sind zu begründen, Gegenargumente zu
prüfen. So selbstverständlich diese Forderung zu sein
scheint, so schwer ist sie zu realisieren. Insbesondere
Teams, ‚die sich aus Natur- und Geisteswissenschaftlern
zusammensetzen, drohen ständig im ” Methodenkrieg‘
auseinanderzubrechen. Die verständliche Tendenz der
Geisteswissenschaftler zur Erörterung der ’ Sinnfrage’
ARCH+3 (1970) H. 9