Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

zepte und Forderungen durchzudrücken und die weniger 
Einzelergebnisse im Auge haben. 
Diese Organisationen müssen dauernd versuchen, ihre 
Mitglieder zu engagieren, um trotz der unterschiedli- 
chen Aktualität der Konflikte die Wirksamkeit dieser 
Strategie über einen längeren Zeitraum zu garantieren. 
Es handelt sich bei dieser Strategie um den umfassenden 
Versuch, gesellschaftliche Gruppen syndikalistisch auf 
technokratische Progressivität zu verpflichten gegen die 
reaktionär-feudalistische Irrationalität der herrschenden 
Stadtplanung. 
Zusammenfassend 
Die Konfliktstrategie kommt nach Burke weniger zur 
Förderung des Emanzipationsprozesses in der Planung 
in Frage, sondern eher für umfassende soziale Reform- 
bestrebungen. Die Tatsache, daß die behavioral change 
Strategie den meisten Erfolg verspricht, wenn alle Be- 
troffenen am Problemfindungsprozeß beteiligt werden, 
macht diese Strategie möglicherweise für systemimma- 
nente öffentliche Planungsaufgaben interessant. Staff 
supplement und cooptation eignen sich dagegen kaum als 
Partizipationsstrategien, da die Bevölkerung vorwiegend 
zur Legitimation administrativer reaktionärer Organisa- 
tionen und Entscheidungen herangezogen wird: 
"Selbst die totalitärste technokratisch-politische Ver- 
waltung bedarf, um reibungslos zu funktionieren,dessen, 
was gewöhnlich ’moralisches Rückgrat” genannt wird: 
einer (relativ) ’ positiven’ Einstellung der ihr unterwor- 
fenen Bevölkerung zur Nützlichkeit ihrer Arbeit und zur 
Notwendigkeit der Repression, wie die gesellschaftliche 
Organisation der Arbeit sie ausübt (44). 
1.2 Advocacy and Pluralism in Planning (Davidoff) (45) 
Davidoff beschreibt die Aufgaben des Planers im Parti- 
zipationsprozeß, Die Bezeichnung advocate (planner) 
ist der Rechtspflege entlehnt: Politische Prozesse dienen 
nach Davidoff im Idealfall der Wahrheitsfindung in ähn- 
licher Weise wie die Rechtssprechung, "d.h. der Findung 
der relativen Wahrheit, der gerechten Entscheidung". 
"Der Anwalt (advocate) vertritt ein Individuum, eine 
Gruppe oder Organisation. Deren Positionen verteidigt 
er in einer Sprache, die sowohl seinem Klienten als 
auch dem Entscheider, den er zu überzeugen sucht, ver- 
ständlich ist." Pluralismus als Grundlage politischer 
Auseinandersetzungen beschreibt den Prozeß der Vertei- 
digung, während Anwaltschaft (advocacy) die Rolle des 
Experten, des "Professional" in diesem Prozeß darstellt. 
Ein entscheidendes Problem der advozierenden Planung 
sieht Davidoff in den unterschiedlichen Wertvorstel- 
lungen und -systemen der Anwälte und ihrer 
Klienten und daraus resultierend in der Suche nach ge- 
eigneten Bewertungsverfahren. 
"Technical devices such as cost-benefit analysis by 
themselves are of little assistance without the use of 
means for appraising the values underlying plans." 
Advocate planning müsse jeweils exakte Definitionen 
von z.B. "sozialen Kosten und Nutzen" angeben, denn 
es gebe nicht ein neutrales Bewertungsverfahren, son- 
dern ebenso viele wie Wertsysteme. Daher betont Da- 
vidoff auch, daß keine wertneutralen Positionen möglich 
seien: 
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"Appropriate planning action cannot be prescribed from 
a position of value neutrality, for prescriptions are based 
on desired objectives." (s. Rittel, Teil C 1.) 
Diese Einsicht müsse den advocate planner veranlassen, 
ständig die Vorurteile aufzudecken, die Informationen 
und deren Interpretationen zugrunde liegen. 
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung 
Davidoffs, daß professionelle Planer sich bisher selten 
als advocate planner betätigen. (Möglicherweise ist 
deren "Akkommodationsprozeß" an die bestehenden Ver- 
hältnisse mit dem Abschluß der Hochschulausbildung 
effizienter im Sinne einer ökonomisch prädeterminierten 
Statuszuweisung vollzogen als dies bei Soziologen und 
Fürsorgern aufgrund ihres diese Statusvorteile ersetzenden 
Idealismus’ der Fall sein kann.) 
Als Informant der verschiedensten Gruppen, vor allem 
seiner Klienten, habe der advocate planner, so Davidoff, 
auch Bildungsaufgaben zu übernehmen. Im Gegensatz zur 
Burkeschen educational-therapy-strategy beschränkt er 
diese Bildungsaufgaben jedoch vornehmlich auf die Auf- 
klärung der Klienten über deren gesetzliche und politi- 
sche Rechte. 
Er weist auch darauf hin, daß nicht der eine Plan 
(als Ergebnis eines frühzeitig herbeigeführten Consensus) 
das Ziel der advocacy planning sein soll: 
"Lively political dispute aided by plural plans could 
do much to improve the level of rationality in the pro- 
cess of preparing the public plan." 
Ein Diskussionsforum für eine Vielzahl alternativer Pläne 
besteht in den USA formal in der Einrichtung der "plan- 
ning commission'"., Davidoff sieht jedoch in der planning 
commission eine "verkümmerte Institution" aus dem An- 
fang dieses Jahrhunderts, als das "dirty business" der 
Politik noch einer "Aristokratie" vorbehalten war, die 
bestimmte, was rechte Politik war. Auch Rittel weist 
darauf hin, daß diese Kommission ein scheindemokrati- 
sches Forum sei, da keine wirklichen Alternativen dis- 
kutiert würden: Eine öffentliche Diskussion über die 
Alternativen verschiedener Experten komme nicht zu- 
stande, weil die allseitige Kommunikation durch die 
Spezialistensprache in den Expertisen und Argumentatio- 
nen verunmöglicht werde und sich daher zur sozialtech- 
nischen Befriedung der Nutzeransprüche als dysfunktional 
erweist. 
1.3 Reflections on Advocacy Planning 
Auch Lisa R. Peattie (46) unterstreicht in ihrem Aufsatz 
die Notwendigkeit, viele alternative Pläne anzufertigen: 
Der advocate planner gehe davon aus, daß jeder Plan die 
Verkörperung bestimmter Gruppeninteressen darstelle. Es 
gebe keine "beste" Lösung und kein "Allgemeinwohl" 
genereller Art in der Planung, daher werde Planung 
"pluralistisch, partisanenhaft, offen, öffentlich und 
politisch" 
Peaitie leitet die Notwendigkeit der citizen participa- 
tion ab aus dem Unbehagen breiter Bevölkerungsschich- 
ten, besonders der Armen, von dem System zweckrationa- 
len Handelns unkontrollierbar überwältigt (oberwhelmed) 
zu werden. Der advocate planner fungiere jedoch nicht 
einfach als "Kanal, durch den die Interessen der Ge- 
meinschaft fließen", diese Interessen müßten vielmehr 
zur Konkretion in einem Plan noch transformiert werden 
ARCH+3 (1970) H. 9
	        

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