mente für eine möglichst rationale Wirtschaftsplanung
zu entwickeln. Für eine Wirtschaftsplanung, deren
wichtigste Aufgabe die Sicherung der Profite der Herr-
schenden ist. Grundlage für diese Funktion ist ebenfalls
die wertfreie Diskussionsebene, aber auch die Bildung
mathematisch exakt formulierter Modelle.
Die ersten Ansätze dazu, die für die kapitalistische
Wirtschaft in ihrer Abstraktheit allerdings noch kaum
praktikabel waren, schuf um die Jahrhundertwende
Walras mit seinem Gleichgewichtstheorem. Dennoch
bildeten die algebraischen Gleichungen seines Modells
eine wesentliche Grundlage für die spätkapitalistische
Wirtschaftsplanung.
2. Wirtschaftliches Gleichgewicht
Walras geht aus von einem Begriff des gesellschaftli-
chen Reichtums, unter dem er "die Gesamtheit aller
materiellen oder immateriellen Güter, die knapp, das
heißt nützlich, aber nicht verfügbar, also nur in be-
grenzter Menge vorhanden sind" (5) versteht. Über
diese Güter verfügen die ’gleichberechtigten Wirt-
schaftssubjekte’, die sich nach den Kapitalien, über
die sie verfügen, in drei Klassen unterteilen (andere
Autoren sprechen nicht von Kapitalien, sondern von
Produktionsfaktoren): nämlich in Grundbesitzer, denen
der Boden gehört, in Arbeiter, deren Arbeitskraft ihr
"persönliches Kapital’ darstellt, und in Kapitalisten
"im engeren Sinne’, die eben über Kapital verfügen.
Die Herkunft und die Verteilung dieser Ressourcen der
Wirtschaftssubjekte haben originären Charakter, sie
werden als naturhaft gegeben angesehen. Da jedes
Wirtschaftssubjekt über mindestens eines der unterschie-
denen Kapitalien verfügt, ist ein Prinzip der Gleich-
heit gegeben, das für den Austausch dieser Kapitalien
einen Markt unter vollkommenen Wettbewerbsbedin-
gungen strukturiert.
In diesen vorausgesetzten Wettbewerbsmarkt bringt je-
des Wirtschaftssubjekt seine ebenfalls als unveränder-
lich vorausgesetzten Präferenzen ein, die es seinem
Einkommen entsprechend optimal auf diesem Markt zu
befriedigen sucht.
Diese Bedingungen: Wettbewerbsmarkt, gegebene
Ressourcen, gegebene Präferenzen, sowie ausserdem
noch eine gegebene und gleichbleibende Produktions-
technik strukturieren einen im Gleichgewicht befind-
lichen Wirtschaftskreislauf. Das Walras’sche Gesetz be-
sagt nun, daß in diesem Gleichgewicht der Wert des
gesamten Angebots gleich dem Wert der gesamten
Nachfrage sei. Sind die Ausgangsbedingungen erfüllt,
so lassen sich Mengen und Preise sämtlicher produzier-
ter und getauschter Güter bestimmen.
Besondere Probleme ergeben sich aus der Zielneutrali-
tät des Walras’schen Modells. Da sich die Wirtschaft
danach schon von Natur aus in einem Gleichgewichts-
zustand befindet, taucht weder die Frage nach den
Zielen, noch nach dem Nutzen der Wirtschaftstätig-
keit auf.
Die generelle Praxisferne aller Gleichgewichtstheorien
wird deutlich in ihrem Festhalten an einem vollkom-
menen Wettbewerbsmarkt, dem auch schon, als sie
entwickelt wurden, in der Wirtschaftswirklichkeit
längst das Oligopol gegenüberstand. Diese Tatsache
setzte der Anwendbarkeit der klar und mathematisch
exakt formulierten Gleichgewichtstheorien von Anfang
an enge Grenzen. Ihrer Anwendung blieb praktisch nur
der mikroökonomische Bereich, sie schafft noch kein
Instrumentarium für die Planung imorganisierten Kapita-
lismus.
Ein weiteres wesentliches Hemmnis für eine Anwendung
auf makroökonomische Planungen bildet die Annahme
der gegebenen Quantität und Qualität der Ressourcen,
sowie die der gegebenen Produktionstechnik. Diese An-
nahmen beschränken die Aussagekraft der auf ihnen auf-
bauenden Modelle auf sehr kurze Planungszeiträume .
Die tatsächliche Weiterentwicklung der Produktions-
techniken und die Zunahme und Verbesserung der Aus-
gangsressourcen wurde von diesen statischen Theorien
geradezu negiert. Deshalb ist es ihnen unmöglich, Aus-
sagen zu machen über die wesentlichen Probleme der
kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung, über Krisen und
Zyklen. Sie reduzieren die dynamische Wirtschaftsent-
wicklung auf einen sich ad infinitum selbst reproduzie-
renden statischen Kreislauf. Diese Theorien fallen da-
mit weit hinter die schon vor ihnen von Marx formu-
lierten Erkenntnisse über die erweiterte Reproduktion
zurück .
3. Wohlfahrtsökonomie
Das oben angeführte Problem der Zielneutralität stellen
die Utilitaristen und die Wohlfahrtsökonomen in den
Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Sie fragen nach einer
eindeutig definierbaren Grösse, an deren Veränderung
das Funktionieren eines jeweiligen gesamtgesellschaft-
lichen Systems sich ablesen läßt, sowie der Erfolg
oder Mißerfolg einer wirtschaftlichen Massnahme sich
messen läßt.
Die Utilitaristen gehen dabei von identischen Nutzen-
vorstellungen der einzelnen Individuen aus, die sich
entsprechend summieren und so auch ein gesamtgesell-
schaftliches Optimum relativ leicht erkennen lassen.
Im Gegensatz dazu schreiben die Wohlfahrtsökonomen
der Pareto-Schule den einzelnen Individuen unter-
schiedliche Nutzenvorstellungen zu, die dann auch
nicht kardinal, sondern nur ordinal begriffen werden
können, also nicht in absoluten Werten, sondern ledig--
lich in Präferenzskalen.
Einen optimalen Wirtschaftszustand bei unterschiedlichen
Präferenzen zu erkennen ist jedoch ohne ein besonders
definiertes Kriterium nicht möglich. Erst ein solches
Kriterium läßt Vergleiche zu über verschiedene Wirt-
schaftszustände und ermöglicht damit die Auswahl unter-
schiedlicher Planungsmaßnahmen .
Die Bedeutung dieser Erkenntnisse für die Wirtschafts-
planung und damit für die Planung überhaupt ist aus-
serordentlich. Gleichzeitig birgt eine solche vom ge-
sellschaftlichen Bezugsrahmen losgelöste Art der Kri-
terienbildung alle Gefahren technokratischer Willkür,
denn in sie gehen genau nur die klassenspezifischen
Präferenzen dessen ein, der die Präferenzskalen auf-
stellt.
Pareto definierte ein solches Kriterium für die optimale
Verfassung eines Wirtschaftszustandes als vektorielles
Maximum, indem er eine Kombination von nicht ver-
gleichbaren Grössen dann für optimal erklärte, wenn
es unmöglich ist, eine dieser Grössen zu vergrössern,
ohne eine andere zu verkleinern.
ARCH+3 (1970) H, 10