Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

ihren Interessen entsprechend auf solche partiellen 
Interventionen beschränken. 
Eine wirkliche Planwirtschaft lehnt diese Argumenta- 
tion ab mit dem Hinweis darauf, daß man sich nur bei 
einem freien Kräftespiel auf einem Wettbewerbsmarkt 
ein ‘klares Bild’ über die Werte der Waren machen 
könne, die sie entsprechend der subjektiven Wert- 
theorie nur für in Marktpreisen messbar hält. (9) 
(Aus der Abwesenheit von Marktpreisen in der Plan- 
wirtschaft wurde 1920 aufgrund der Prämissen der 
subjektiven Werttheorie die völlige Irrationalität und 
Unwirtschaftlichkeit der Planwirtschaft “bewiesen” .) 
(10) 
Diese Methode der bürgerlichen Ökonomie, Werte aus- 
schließlich in Marktpreisen zu messen, bereitet der 
Planung der Monopole jedoch tatsächlich erhebliche 
Schwierigkeiten, denn grössere Planungen haben ge- 
wöhnlich eine Veränderung der Einkommensstruktur zur 
Folge, so daß. die davon direkt abhängigen Konsumen- 
tenpräferenzen vor und nach der Planungsmaßnahme 
durchaus nicht mehr vergleichbare Märkte bestimmen. 
So sind dann die ex-ante Marktpreise mit denen ex- 
post nicht mehr zu vergleichen. Dieses Dilemma 
setzt rationaler Planung in Teilbereichen eines kapi- 
talistischen Systems enge Grenzen. Entweder wagt 
man es, sich auf Spekulationen zu verlassen, oder 
man Überläßt als notwendig erkannte, jedoch für das 
private Profitinteresse zu risikoreiche Planungsvorha- 
ben dem Staat, der dadurch eine wichtige Aufgabe er- 
hält für die Sozialisierung möglicher Verluste. 
5. Zyklen 
Die Schwierigkeiten mit den Gleichgewichtstheorien 
ebenso wie die Absurdität der subjektiven Werttheorie 
zwangen die bürgerlichen Ökonomen spätestens nach 
der Weltwirtschaftskrise , sich stärker mit dem Marx’schen 
Modell der erweiterten Reproduktion (11) auseinander- 
zusetzen und dynamische Wirtschaftsmodelle zu ent- 
wickeln. 
So sieht z.B. Schumpeter (12) im Gegensatz zu Wal- 
ras gerade erst in der Aufhebung des wirtschaftlichen 
Gleichgewichts die Möglichkeit zu wirtschaftlichem 
Wachstum. Besonders die Annahme der gleichbleiben- 
den Produktionstechniken scheint ihm einem Erkennen 
wirtschaftlicher Entwicklungen entgegenzustehen, die 
er gerade auf ’Innovationsschübe’ zurückführt. Diese 
Innovationen geschehen nicht naturhaft, sondern sind 
ihm Ergebnis ’unternehmerischer Leistungen’, die 
entsprechend durch den Profit honoriert werden - der 
in einem stationären Wirtschaftskreislauf überhaupt 
unerklärlich bleibt. 
Der Profit einer Innovation sinkt in dem Maße, in 
demsie auf dem Wettbewerbsmarkt wirtschaftliches 
Allgemeingut wird, so daß der Unternehmer nach neuen 
Innovationsmöglichkeiten suchen muß, um erneut in 
den Genuß von Profiten zu kommen. Der Versuch, 
diese Verallgemeinerungen aufzuhalten, führt zur Bil- 
dung der Monopole. Die periodisch einsetzenden 
Innovationen scheinen Schumpeter die Ursache des 
zyklischen Verlaufs der kapitalistischen Wirtschaft zu 
sein. Er erkennt nicht, daß die Innovationsschübe al- 
lenfalls Folgen und kaum Ursache der Zyklen sein 
können, weil er die Bewegungsgesetze des Kapitalis- 
mus und die damit verbundenen Implikationen nicht in 
seine Überlegungen einbezieht, sondern im Gegenteil 
Phänomene der Wirtschaft losgelöst aus sich selbst zu 
erklären sucht. 
Die Zyklen als strukturierendes Kennzeichen der kapi- 
talistischen Wirtschaftsentwicklung mußten zwangs- 
läufig zu einem wesentlichen Forschungsbereich der 
bürgerlichen Ökonomie werden. Die darauf aufbauen- 
den Konjunkturtheorien sind inzwischen zum wichtig- 
sten Werkzeug der Wirtschafts- und Strukturpolitik und 
damit auch der Planung geworden. Die Investitions- 
schübe blieben deshalb auch nicht die einzige Erklärung 
der Zyklen. Die wesentlich bedeutungsvolleren unter- 
suchen die Abhängigkeiten des Wirtschaftswachstums 
von der Konsumtion, vom Sparen und von den Investi- 
tionen. 
7. Neue Ökonomie 
Da im entwickelten Monopolkapitalismus der Wider- 
spruch zwischen Wirtschaftswirklichkeit und dem von 
den Theoretikern postulierten Ideal des Wettbewerbs 
immer deutlicher wird und gleichzeitig selbst im Boom 
Arbeitslosigkeit, ungenutzte Kapitalien und brachlie- 
gender Boden nicht zu verhindern sind, suchten Theo- 
retiker wie Keynes Mittel, diese ’Produktionsfaktoren‘ 
zu beschäftigen, ohne gleichzeitig die Grundwider- 
sprüche der kapitalistischen Produktionsweise verändern 
zu müssen. Er sieht "keinen Grund zu der Annahme, 
das bestehende System setze seine Produktionsfaktoren, 
die in Gebrauch sind, nicht richtig ein." (13) 
Im Gegensatz zu den älteren Theoretikern, die auch 
die Vollbeschäftigung als automatische Folge des funk- 
tionierenden Wettbewerbs sahen, versuchten die Theo- 
retiker der Neuen Ökonomie, über die Konstituierung 
der Vollbeschäftigung erst den Wettbewerb funktions- 
fähig zu machen. Sie lassen in einer Zeit höchst ent- 
wickelter Produktionsmittel in den Metropolen die 
Prämisse der Knappheit zugunsten der des Überflusses 
fallen und setzen sich die Vollbeschäftigung bei aus- 
reichender Menge vorhandener Ressourcen zum Ziel. 
Dazu wird es notwendig, ein bestimmtes Investitions- 
volumen zu sichern. Die von den Liberalen geforder- 
te laissez-faire-Politik garantiert ein solches Volumen 
nicht unbedingt, besonders nicht in Rezessionen, wes- 
halb die Keynes-Schule zur wesentlichen Aufgabe der 
öffentlichen Haushalte erklärt, durch ihre Ausgaben 
hier steuernd einzugreifen. Diese Ausgaben sollen die 
Zyklen ausgleichen und ein ’stabiles Wirtschafts- 
wachstum” sichern. 
Grundvoraussetzung einer solchen Wirtschaftspolitik ist 
die genaue Kenntnis des Konjunkturverlaufes und eine 
darauf basierende flexible Planung. Die Möglichkeit 
zur Voraussage der Konjunktur glaubt Keynes gefunden 
zu haben in seiner Analyse der Spartätigkeiten. 
Die orthodoxen Ökonomen sahen eine direkte Abhän- 
gigkeit der Investitionen vom Sparen über den Zins. 
Diese Aussage modifizierte Keynes. Nach seiner Theo- 
rie wachsen mit steigendem Einkommen die Ersparnisse 
schneller als die Investitionen. 
Er definiert die Krise als Missverhältnis zwischen Inve- 
stitionen, Ersparnissen und Beschäftigung. Deshalb 
fordert er für den Fall einer grösseren Arbeitslosigkeit 
erhöhte Ausgaben der öffentlichen Hand, ja sogar 
ausdrücklich die Verschuldung der Staatshaushalte. 
ARCH+3 (1970) H. 10
	        

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