Umorientierung der Kriegs-Maschinenbauproduktion
auf landwirtschaftliches Gerät und Exportmaschinen
(8); letzteres - die Enteignung des Großgrundbesitzes -
ist notwendige Voraussetzung, um die Bauern für den
sozialistischen Weg zu gewinnen. Es ist das kleinbäuer-
liche Bewußtsein, das die Phase des isolierten Arbeits-
kräfteeinsatzes unterhalb der gesellschaftlichen Durch-
schnittsproduktivität vor den Übergang in die Kollekti-
vierung setzt.
Der Aufbau einer nationalen Wirtschaft war von der
Notwendigkeit äußerster Sparsamkeit getragen: "So
betrug der Zerstórungsgrad der Industrie ... 45 %,
wührend er in den Westzonen nur 20 % ausmachte. 70 %
der Betriebe des Maschinenbaus waren von Kriegsein-
wirkungen betroffen und 30 % aller Energieanlagen
total vernichtet ... Die Industrieproduktion war 1945
auf etwa 277 % des Vorkriegsstandes von 1936 abgesun-
ken" (9).
Der hohe Zerstörungsgrad wie auch die Abdrosselung
des Interzonenhandels 1948 verursachten extreme Knapp-
heit an Energie, Rohstoffen und Arbeitsmaschinen. Die
Unbeweglichkeit der Arbeitskrüfte und der Mangel so-
wohl an nutzbarer Bausubstanz wie an Baustoffen taten
das ihre dazu.
Die der Notdurft gehorchende spontane Nutzung der be-
stehenden Substanz war die erste notwendige Reaktion.
Auch das erste Aufstellen von Wirtschaftsplänen 1946 |
für jeweils ein Vierteljahr unter der Kontrolle der SMAD-
in denen die mengenmiBige Produktion und die Material-
versorgung festgelegt wurden, mußten vom überhaupt
Nutzbaren ausgehen (10).
Aus der vollkommen neuen Organisation der nationalen
und internationalen Arbeitsteilung aber ergab sich von
Anfang an die Notwendigkeit, den Begriff Sparsam-
keit in umfassenderen Zusammenhängen zu sehen.
Sie war nicht die einfache Verwertung aller bestehenden
strukturellen Elemente wie Transportwege, Produktions-
einheiten und Siedlungsschwerpunkte. Ganz im Gegenteil
konnte Sparsamkeit nur volle Entfaltung der Überlegen-
heit der sozialistischen Produktionsverhältnisse zur
Durchsetzung der auf die Fernziele gerichteten Perspek-
tiven sein. Die Beseitigung aller Hindernisse, die aus
der kapitalistischen Produktionsorganisation herrührten,
war die eine Forderung: die Neuorientierung auf eine
internationale Arbeitsteilung zwischen Ländern, die
untereinander durch das gemeinsame Ziel, dem Sozia-
lismus im Weltmaßstab zum Sieg zu verhelfen, konkur-
renzlos verbunden waren, die andere Forderung.
A. 4 Das Erfordernis, eine den neuen politischen Ver-
hältnissen adäquate materielle Struktur zu schaffen
Zunächst mag es müßig erscheinen, die Verwirklichung
der organisatorischen Form des demokratischen Zentralis-
mus in irgendeinem Zusammenhang mit der materiellen
Struktur des Landes zu sehen. Da aber die Disproportio-
nen der monopolkapitalistischen materiell-strukturellen
Organisation auch von der Konzentration der Admini-
stration und der politischen Macht geprägt sind, scheint
uns die Frage nach ihrer politischen Aufhebung sogar
Sowjetische Militäradministration (SMAD)
von erstrangiger Bedeutung. Dabei geht es keinesfalls
um den Nachweis, daß sich der demokratische Zentra-
lismus erst dann entwickeln kann, wenn alle materiellen
Vorbedingungen geschaffen sind. Diese Frage verbietet
sich, weil mit dem Sturz der alten Machtverhältnisse
die Arbeiterklasse gerade die Aufgabe der radikalen Um-
gestaltung der Produktionsverhältnisse hat, was auch
heißt, die entsprechenden materiellen Bedingungen auf
allen Ebenen zu schaffen. Es kann hier also nur darum
gehen, die schrittweise Umformung der materiellen
Strukturverhältnisse nachzuvollziehen und danach zu
fragen, ob die Umwälzung dieser Strukturen weniger
radikal geschehen kann als der politisch-organisatori-
Sche Neuaufbau.
Es liegt nahe, die Frage rein abstrakt zu stellen -
etwa: wie muß die Gebietsstruktur einer nach dem de-
mokratischen Zentralismus organisierten Gesellschaft
mit hochentwickelten Produktivkräften aussehen? Nur
führt diese Frage zu nichts, da wir es mit einer realen
Gesellschaft zu tun haben, die sich zurecht als histo-
risch legitimiert ansieht und die bestmögliche Weiter-
entwicklung ihrer historischen Voraussetzungen an-
strebt.
Aus dem angerissenen Problem ergeben sich mit Vor-
rang drei Fragen, die bei allen im folgenden behandel-
ten materiellen Erscheinungsformen gestellt werden
müssen:
1. Welches sind die charakteristischen Merkmale der
ererbten materiellen Gegebenheiten, die sich auf
dem Gebiet der DDR noch auswirken?
Wie bestimmt sich in der Phase äußerster ökonomi-
scher Beschränkung der gesellschaftliche Wert der
kapitalistischen Produktions- u. Reproduktionsan-
lagen und ihrer Verflechtungen?
3 Wie beeinflußt die Arbeiterklasse als bestimmende
gesellschaftliche Kraft die Umwälzung dieser Grund-
struktur?
A. 5 Das Postulat der Beseitigung des Stadt/Land-
Gegensatzes
Anhand der Eingliederung der Arbeitskräfte zeigte sich
schon, daß auch nach 1949 - dem Geburtsjahr der
DDR - der Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwi-
schen Mehrwert akkumulierenden wachsenden und wirt-
schaftlich regressiven. Gebieten wiedererstand. Da dies
eindeutig auf die erschwerten, aus der kapitalistischen
Vergangenheit herrührenden Voraussetzungen zurück-
zuführen ist, müssen wir vom "Fortbestehen des
Stadt/Land-Gegensatzes unter Planverhültnissen' in
dieser Phase ausgehen.
Die Überwindung des Widerspruchs zwischen Stadt und
Land ist im Gegenteil eine der grundlegenden Erforder-
nisse der DDR: die Anhebung der Produktivität auf dem
Lande verbunden mit der Mobilisierung der ländlichen
Bevölkerung für die industrielle Produktion steht und
fällt mit der Überwindung der Rückschrittlichkeit auf
dem Dorfe. Die Kausalzusammenhünge zwischen un-
entwickelten Produktivkräften und zurückgebliebenem
Bewußtsein, von doppelter Ausbeutung durch Stadt und
Großgrundbesitz und existentieller Hörigkeit sind ein
Erbe, das nur im gezielten, schonungslosen Kampf zu
ARCH+ 15 (1971-3)