Er bemerkt weiter:
"Auf die häufig entstehenden Kosten und die Minderung
des Nutzeffektes bei einer - aus konjunkturellen Grün-
den ratsam erscheinenden - Verlangsamung oder Be-
schleunigung öffentlicher Investitionen sei hier beson-
ders hingewiesen,"
Dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen, wobei wir über
Hankel Fundament-Überbauverstündnis den Mantel der
Nüchstenliebe breiten móchten.
Nun handelt es sich aber nicht einfach um Dehnung und
Komprimierung von Infrastrukturinvestitionen. Mit
einer Politik des restriktiven Kredits zur Boomdámpfung
besteht nun seit jeher die Unmoglichkeit,im Infrastruk-
turbereich den Notwendigkeiten entsprechend zu investie-
ren, Im Finanzbereich 1971 heifit es dazu auf S. 12:
"Nach Ansicht der Bundesregierung ist die "Erfüllung
... zum Teil jahrelang vernachlässigter Staatsaufga-
ben'' bereits durch die restriktive Ausgabenpolitik in
den Jahren 1969 und 1970 geführdet worden."
Zur skizzierten Problematik des Infrastrukturbereichs
als Bereich und Mittel antizyklischer Politik kommt
die Tatsache, da dieses Mittel offenbar am besten
funktioniert, wenn es restriktiv gebraucht wird. In-
vestitionsverzicht im Infrastrukturbereich und mittel-
fristige Krisenvermeidung scheinen einander zu be-
dingen. Damit erzeugt eine Politik, die darauf beschrünkt
ist (die in den zyklischen Krisen erscheinenden), Wi-
dersprüche abzustumpfen, zugleich sich langfristig
verschürfende, so den zwischen zur Entfaltung drüngen-
Jen Kapitalmasse und mangelnden Basiseinrichtungen.
Dieser sonst latente Konflikt brach mit den Mafinahmen
zur Glüttung der Dollarkrise von 1971 offen auf:
Die für InfrastrukturmaBnahmen notwendige Kredit-
beschaffung wird beim Bund um 1 Milliarde, bei den
Ländern um 800 Millionen DM vermindert.
85 5 der aus früheren Haushaltsjahren bestehenden
Kreditermáüchtigungen dürfen nicht mehr in Anspruch
genommen werden.
Auftrüge sollen zeitlich gestreckt und zurückgestellt
werden: Beim Bund im Umfang von 2-3 Milliarden
DM, bei den Lündern von 1,5 - 2 Milliarden DM.
Auch die Gemeinden sollen entsprechend verfahren,
Das Land Hessen muB allein in der Sparte Verkehr
Ausgabenkürzungen um mehr als 50 Millionen vor-
nehmen, in NRW gilt ein Baustopp für einen Großteil
der óffentlichen Bauaufgaben.
[n dieser Situation empfiehlt der Wirtschafts- und
Finanzminister der SPD/FDP-Regierung "gestreckte
Reformen" oder noch besser "Reformen, die kein Geld
kosten" (146). Wir sehen: Da im Zweifelsfalle - so der
Währungskrise 71 - unmittelbare Systemsicherung bei
drohender Krise den Vorrang hat, verbleibt, ja ver-
grófiert sich der "'infrastruktural lag": unmittelbare
Kapitalverwertung wird gesichert um den Preis der
Sich permanent verschürfenden Drohung langfristig
erschwerter Bedingungen.
Wachsende Verwertungsschwierigkeiten aufgrund sich
stetig verschlechternder infrastruktureller Bedingun-
gen ist jedoch noch in anderer Hinsicht das Ergebnis
einer "Politik des Kapitals". War einerseits ein hoher
Exportüberschufi der Rettungsanker der Kapitale in der
Krise von 66/61. bilden sie eine massive Lobby für
ARCH+ 15 (1971-3)
eine Politik, die ihre Exporte mit falschen Wechselkur-
sen subventioniert (147), so halten sie damit eine Politik
aufrecht, die gezwungen ist, einen großen Teil des
Produktivkapitals den ausländischen Kapitalinteressen
und kurzfristigen inländischen Kapitalinteressen, aber
nicht dem Ausbau der eigenen Infrastruktur zugute
kommen zu lassen. Im Jahresgutachten 1968/69 "A1-
ternativen auffenwirtschaftlicher Anpassung" bemerkt
der Sachverstündigenrat unter Ziffer 189:
"Was wir den inländischen Gebietskörperschaften und
Unternehmen an Chancen zum Ausbau unseres Produk-
tionsapparates und unserer Infrastruktur versagt haben,
hat das Ausland real zum Teil erhalten (unser Export-
überschuf) und zum Teil behalten (unser Importdefizit) . '
Auch unter diesem Aspekt ist die Garantie hoher Export-
profite zugleich die Garantie sinkender internationaler
Konkurrenzfühigkeit. Ministerialdirektor Ehrenberg
will es den Konzernen "deutlich machen":
"Vor allem ist deutlich zu machen, daß rund 35 Milliar-
den DM Gold- und Devisenreserven weder die Binnen-
kaufkraft der deutschen Mark sichern noch den "Reich-
tum der Nation'' widerspiegeln, sondern nichts anderes
bedeuten, als dem Ausland zinslos gestundete Güter
und Dienstleistungen und damit Verzicht auf Infrastruk-
turleistungen in dieser Größenordnung. '!'
Die Beantwortung der Frage, ob dies alles im Bereich
manipulativer Beliebigkeit liegt, ob dies alles nur
Finanzprobleme sind, überlassen wir am besten Herrn
Ehrenberg selbst.
Hat sich so die Aufgabenstellung "das Eine durch das
Andere" zur 'das Eine zur gegen das Andere" verscho-
ben, so gilt das zugleich auch für die Frage des Stadt-
Land-Gegensatzes. Jede zyklische Krise verschürft
nicht nur die Konzentration der Kapitale,; sie verschärft
zugleich auch in dem Maße wie sie die Industrie nach
Branchen verschieden trifft, die räumliche Konzentra-
tion. Böventer (149) führt aus, daß die Krise 67/68 -
abgesehen von den ohnehin strukturschwachen Ballun-
gen - die ländlichen Gebiete stärker getroffen hat als
die Ballunesräume.
"Die von 1968 bis 1970 überall auch in den ländlichen
Räumen feststellbare konjunkturelle Aufwärtsentwick-
lung täuscht darüber hinweg, daß trotz der regionalen
Sozialpolitik der Wachstumspfad nach unten verschoben
worden ist.'' Ins deutsche übersetzt heißt das nichts
anderes, als daß die Krise in schwach entwickelten
ländlichen Gebieten die stärksten Spuren hinterläßt und
nicht nur zur Kapitalkonzentration, sondern zugleich
auch zu räumlicher Konzentration führt, ohne sich um
die frommen Sprüche von Chancengleichheit etc. weiter
zu kümmern. Die nach der Krise einsetzende staatliche
Investitionspolitik muß dabei auch nach der Logik des
Kapitals und nicht nach der des guten Willens verfahren.
Es "drohte diese neue Fórderung (die des sich vor dem
Kollaps befindlichen Ruhrkohlebergbaus), insbesondere
an der Ruhr, die die dort ohnehin gegebenen Standort-
vorteile erheblich aufwertete, die Ansiedlungschancen
für die klassischen Fórdergebiete erheblich zu ver-
mindern" (150).
Fassen wir zusammen:
- Staatliche Sekundärverteilung entwickelt auf sich
objektiv verengender Basis, verfügt über einen An-
teil an der Wertsumme, der in degressiver Verlaufs-
RA