die Problematik, Planung - Politik auf die Frage des
Verhältnisses von Sachkompetenz und politischer Ver-
antwortung (5) oder die Frage der "Móglichkeit kollek-
tiven Handelns bei nicht vorauszusetzendem Konsens"
{6) reduzieren läßt. Analytische und formal logische
Explikationen des Planungsbegriffs werden darum nicht
irrelevant (7). Sie sind notwendige Prämissen, jedoch
nicht erste Phasen der Theoriebildung, die ansetzt bei
der Kritik der konkreten geschichtlichen Entwicklung
der - in diesem Fall - kapitalistischen Gesellschaft der
BRD (8).
"Die veründerte Stellung der Staatsbürokratien in den
spätkapitalistischen Industriegesellschaften ist (.. .)
vor allem dadurch charakterisiert, daß sie nicht mehr
von Fall zu Fall und unter dem Druck wechselnder In-
teressengruppierungen in die Wirtschafts- und Sozial-
prozesse eingreifen, sondern immer mehr in eine Po-
sition zentraler, gesellschaftlicher Planungs- und
Steuerungsinstanzen einrücken, deren fortlaufende Ak-
tivität zur grundlegenden Voraussetzung für das Funk-
tionieren des Kapitalverwertungsprozesses geworden
ist" (9).
Die fortschreitende Vergesellschaftung der Produktion
und der Zwang zur Steigerung von Produktivität und
wirtschaftlichem Wachstum haben Staat und Wirtschaft
in ein neues Verhältnis zueinander gebracht. Beide sind
nicht mehr als zwei getrennte Sphären zu begreifen
("Nachtwüchterstaat"). Mit dem "Übergang zur wachs-
tumsorientierten technologischen Entwicklungsfórderung
ist die Trennungslinie zwischen privatem und offentli-
chem Sektor weder funktional noch organisatorisch
scharf auszumachen" (10).
Das Kapitalverhältnis jedoch ist nicht aufgehoben.
Staatliche Planung konstituiert nicht eo ipso ein neues
"Gemeinwohl', bedeutet nicht die zentrale politische
Bestimmung und Durchsetzung gesellschaftlicher Ent-
5) Vgl. z.B. Thomas Ellwein, Politik und Planung,
Stuttgart/Berlin/Kóln/Mainz o.J. (1968).
6) F.W. Scharpi, Planung als politischer Prozeß, Die
Verwaltung, 4. Bd., 1971, H. 1, S. 1.
7) Vgl. etwa die "Vorstudien zu einer Theorie kommu-
nikativer Planung" von M. Fester (Berlin 1970).
3) Jene analytischen und damit notwendig ahistorischen
Explitationen bereits als Theorie zu begreifen und
ihnen Erklirungswert beizumessen, heift, ihren
instrumentellen Charakter zu verkennen, über die
Ontologisierung analytischer Konstrukte historische
(politische) Probleme zu generalisieren und die ge-
gebenen politischen Randbedingungen für invariabel
zu erklären. Dies aber bedeutet praktisch den durch-
aus interessierten Versuch, den Status quo zu erhal-
ten und die gesellschaftliche Wirklichkeit nach dem
Muster der immanenten (technischen) Rationalitát je-
ner Konstrukte einzurichten. Zu einigen Versuchen
einer Überführung formaler Modelle der bürgerlichen
Nationalökonomie in eine "Theorie der Politik" vgl.
B.S. Frey, Die ökonomische Theorie der Politik oder
Die neue politische Ökonomie, Zeitschrift für die
gesamte Staatswissenschaft, Bd. 126, 1970, S. 1-23.
9) J. Hirsch, Wissenschaftlich-technischer Fortschritt
und politisches System, Frankfurt 1970, S. 55
10)J. Hirsch, a.a.0., S. 64.
wicklungsziele. Staatliche Planung im organisierten
Kapitalismus muß als der historisch notwendige und
zugleich in sich widersprüchliche Versuch gelten, die
Mehrwertproduktion langfristig und systematisch zu
sichern.
Die zunehmende Abhängigkeit privatwirtschaftlicher
Profitchancen wie der Lebenschancen jedes einzelnen
von der Strukturierung auch des räumlichen Gesamt-
systems bzw. seiner Teile verlangt zur Erhaltung des
Status quo und der Garantie wirtschaftlichen Wachs-
tums die Planung und Organisation jener Systeme durch
den Staat. Es geht nicht mehr lediglich um die Siche-
rung von Raumansprüchen sozialstaatlicher Teilpla-
nungen oder die staatliche Beihilfe zur Realisierung
privatwirtschaftlicher Grundstücksinteressen. Mit dem
Praktischwerden differenzierter sogenannter "raum-
orientierter Entwicklungsplanung" gerit ein neuer Sek-
tor des gesellschaftlichen Gesamtsystems in den Ak-
tionsradius staatlicher Planung, die den Entwicklungs-
bedingungen des organisierten Kapitalismus unterliegt.
3.
Kommunale Planung - funktionale Diffe-
renzierung
Die Vergesellschaftung der Arbeit macht Planung als
dem Modus der Rationalisierung gesellschaftlicher
Strukturen und Prozesse zur historischen Notwendig-
keit. Die Funktionsbedingungen der staatlichen Admini-
stration und mit ihnen die Regierungs- und Verwal-
tungstätigkeit, die Struktur politischer Entscheidungs-
prozesse haben sich im Vergleich zur interventionisti-
schen Phase des Kapitalismus nochmals grundsätzlich
gewandelt und konstituieren zugleich den neuen Wider-
spruch von staatsmonopolistischem System und gesell-
schaftlicher Rationalisierung durch Planung (11).
Mit den veränderten Funktionsbedingungen des kapita-
listischen Systems hat die liberalistische Planungs-
feindlichkeit Sinn und Motivation verloren. Auf allen
Ebenen der Verwaltung ist eine Ausweitung der Pla-
nungsfunktionen und eine "schleichende Anpassung der
Organisationsstruktur an (die) veründerten Aufgaben-
stellungen" (12) zu beobachten. Auch die Kommunen
sind bemüht, die Konsensbildung den neuen Bedingungen
entsprechend zu organisieren. Die Anpassungsstrate-
gien auch auf dieser Ebene lassen die immanent tech-
nischen Schwierigkeiten der übexkommenen und den
neuen Anforderungen nicht mehr entsprechenden Ver-
waltungsbürokratie erkennen: hierarchische Organisa-
tion, informationelle Überlastung der Entschei-
dungskapazität der Verwaltungsspitze, mangelnde bzw
zu späte Koordination der Fachplanungen, Qualifika-
11) Von der Kritik der politischen Ökonomie her wird
darum die Möglichkeit rationaler Planung zu be-
stimmen und zu prüfen sein, inwiefern die Steige-
rung "praktischer Kontingenz der gesellschaftlichen
Strukturen und Prozesse! zum allgemeinen Mafi-
stab der Rationalitit von Planung gemacht werden
kann. Vgl. M. Fester, Vorstudien zu einer Theorie
kommunikativer Planung, Bln. 1970.
12)
Vgl. R. Dilcher u.a., Planende Verwaltung und Qua-
lifikation von Planern, Stadtbauwelt 29, 1971, S. 56.
ARCH+ 15 (1971-3)