samtgesellschaftliche Bewegung; (3) der von einer sol-
chen "sozialistischen Wissenschaftlichkeit" mitlegiti-
mierten zentralistischen Organisation und Bestimmung
des politischen und gesellschaftlichen Kampfes.
In einer Phase des westeuropäischen Spätkapitalismus
also, in der 1. durch die Ungleichzeitigkeit der beste-
henden Strukturen die Fortgeschrittenheit ihrer Kon-
fliktpotentialität verschieden ist, 2. innerhalb neuen
Erscheinungsformen kapitalistischer Krise (Struktur-
probleme, Arbeitsorganisation) die Irrationalitüt des
Gesamtsystems in den Blick gerit und also nicht ''von
außen'' hereingeholt werden muß, 3. der relevante
demokratische Kampf selbst (sei es im Produktions-
oder Reproduktionsbereich) zunehmend nur in direkten,
flexiblen Widerstandsformen geführt werden kann, die
sich zum Teil schon außerhalb etablierter Legalität
befinden, 4. die breiten gesellschaftlichen Konflikte eine
eindeutige Priorität haben, da systementscheidende
politische Konflikte (für die eine Straffung und Zentrali-
sierung notwendig wäre) nicht in Sicht sind, in dieser
Phase trägt der skizzierte ideologische Komplex ent-
scheidend dazu bei, daß innerhalb der KP-Strategien
die Fortschrittlichkeit der Konflikte auf ihren kleinsten
gemeinsamen Nenner herabgedrückt werden, daß die
Radikalität der demokratischen Kämpfe durch das Lega-
litätsbedürfnis des zentralisierten politischen Apparates
herabgedrückt wird in die Nähe der pseudodemokrati-
schen Forderungen, die den Konsensus für 'Sachent-
scheidungen" des Monopolkapitals institutionalisieren
wollen ("Mitbestimmung!'). Dadurch gewinnt auch die
Demokratisierungsstrategie der DKP im Reproduktions-
bereich (Kommunen) die Ambivalenz reformistischer
Konzeptionen.
Ein weiteres reformistisches Konzept zur Arbeit im
Reproduktionsbereich entwickelten die Jungsozialisten
in der SPD. In den "Materialien zur kommunalpoliti-
schen Konferenz" werden die auf der Ebene der Kom-
mune auftretenden Konflikte vor dem Hintergrund des
Zentralisierungsprozesses des Kapitals und der staat-
lichen Gewalt untersucht. Vermag die dort erarbeitete
Analyse die Plausibilititsebene noch nicht zu verlassen
was hier nicht Gegenstand der Kritik ist, so wird doch
aus ihr selbst schon deutlich, in welchem Dilemma
eine reformistische Strategie, die Selbstorganisation
an die Hoffnung unmittelbaren Erfolgs qua schrittwei-
ser institutionalisierter Veründerung bindet, sich be-
findet. Im Rahmen der formulierten ""Doppelstrategie"
von "Aktivierung der Wohnbevölkerung" und '"Ver-
änderung der kommunalpolitischen Institutionen" erhebt
sie den Anspruch, auf Kommunalebene auftretende
Konflikte dort auch wieder zu beseitigen. Dabei wird
verkannt, daB die einzelne Gemeinde oder Stadt zwar
Erscheinungsort von Konflikten im Reproduktionsbe-
reich, nicht jedoch auch zugleich der Ort ihrer Lósung
ist. Wie wir nachwiesen, werden die kommunalen Insti-
tutionen in demselben MafBe, wie sich dort die Konflikte
verschärfen, zunehmend unfähig, zu ihrer Lösung ihnen
initiativ zu begegnen. Dies macht deutlich, daß vor
dem Hintergrund zunehmender Machtkonzentration die
Fixierung auf lokale Institutionen und unmittelbaren
Erfolg durch deren Veränderung mittels lokaler ad hoc
Organisation perspektivlos ist.
Daß die Jungsozialisten dies mittlerweile eingesehen
haben, geht aus dem Artikel K.D. Voigts in "express
international'' vom 1.10.1971 hervor, wo er bemerkt.
ARCH+ 15 (1971-3)
daB "lokale Aktionen zentrale Machtpositionen der Ka-
pitalisten nur erschüttern kónnen, wenn sie zunehmend
regional und überregional ausgeweitet und koordiniert
werden. "Von der eigenen Position her kinnen jedoch
keine Schlüsse aus dem erwiesenen Scheitern des Kon-
zepts schrittweiser institutioneller Veränderung auf
Kommunalebene gezogen werden. Erfüllten sich die
Hoffnungen auf eine unmittelbare Verbindung von Kon-
fliktartikulation und Konfliktlösung auf Kommunalebene
nicht, so werden sie auf Bundes- oder Landesebene
reproduziert. Auch hier soll Organisierung wieder hel-
fen, daß "die Ziele der Mobilisierung und Politisierung
institutionell und durch Gesetze und Verwaltungsent-
Scheidungen abgesichert werden kónnen". Anzumerken
bliebe noch, daB auf jeden eventuellen Erfolg einer sol-
chen "Doppelstrategie", also die Institutionalisierung
von gegen die monopolkapitalistische Entwicklung ge-
richteten Strukturreformen, das System mit einer
akuten Krise reagieren würde, bei deren spezieller
Erscheinungsform die Jungsozialisten notwendig kon-
zeptlos, die politisch Rechten als rigide Stabilisatoren
die eigentlichen Gewinner sein würden. Dies zur Strate-
gie der Jungsozialisten.
Ein anderes Konzept der Arbeit im Reproduktionsbe-
reich wurde im Kontext der Studentenbewegung ent-
wickelt, in der in der BRD erstmals nicht-traditionali-
stische sozialistische Forderungen massenhaft artiku-
liert und praktisch zu wenden versucht wurden. Kenn-
zeichnend war, daß hier "Protest" gegen das "System"
niemals nur hochschulbezogen war, daß der Totalitäts-
anspruch sozialistischer Arbeit - eine Begründung für
Ansätze im Reproduktionsbereich - sich in ihr als
Hauptmoment durchzieht.
Sie selbst war unter anderem spontane Reaktion in
einem der von uns angesprochenen Konfliktfelder, dem
Ausbildungsbereich, versuchte als erste sich ver-
schärfende strukturelle gesellschaftliche Konflikte im
Reproduktionsbereich zu artikulieren und auf den Be-
griff zu bringen. Die weitgehende Vernachlässigung
des Produktionsbereiches war dabei durch verschiede-
ne Momente bedingt, von denen wir nur einige nennen
möchten: die klassenbeschränkten Möglichkeiten von
Wirklichkeitserfahrung, den relativ ungestörten Akku-
mulationsprozeß in der ersten Phase der Nachkriegs-
entwicklung, in dem das Problem der Krise praktisch
nicht relevant erschien, der Glaube an die Latenz der
Widersprüche in der kapitalistischen Produktion selbst
Diese Momente verzerrten zugleich die Perspektiven
einer Arbeit in den Stadtteilen, Wohnvierteln, Schulen
und Universitäten, blieben doch die materiellen Ver-
hältnisse selbst undurchdrungen. Dies kommt sowohl
in Marcuses "Apparat"-These wie auch Offes "Dispa-
ritüten'- These - beide bestimmten Arbeitsansütze im
Reproduktionsbereich mit - zum Ausdruck. In seinem
Aufsatz "Politische Herrschaft und Klassenstrukturen"
(192) reflektiert letzterer richtig auf das in den infra-
strukturellen Bereichen (etwa: Wohnung, Verkehr,
Ausbildung) angelegte Konfliktpotential. Da er dort
auftretende Erscheinungen jedoch nur politizistisch,
nicht jedoch politisch-ökonomisch ableitet, vermag er
die auftretenden Probleme weder schlüssig zu erklä-
ren noch einzuordnen. Dort, wo - wie wir heute wissen
die Interessen der großen Kapitale unmittelbar virulent
werden, vermutet er systemferne Randbereiche, dort,
wo es gelten würde, die auftretenden Konflikterschei-
nungen zur Produktion zu vermitteln, schneidet er
d