steckt unter dem Glanz der Kunst. Das Kapital, das
über sie verfügt, zeigt sich hier nicht nur als Kenner und
Verehrer der hohen Kultur, sondern es setzt sich deren
über die Sonderinteressen erhabenen Schein auf, als
wäre nicht der Profit, sondern als wären die höchsten
Hervorbringungen des menschlichen Geistes sein bestim-
mender Zweck. So scheint alles Gute, Edle, Schöne,
gewaltlos Hohe fürs Kapital zu sprechen. Die Kunst
wird in Dienst genommen als Blendwerk zur Erzeugung
des Scheins, die Herrschaft des Kapitals sei legitim und
sei gleichbedeutend mit der Herrschaft des Guten,
Wahren. Schönen.“ 6)
Der Einbruch der Warenproduktion in den Tätig-
keitsbereich der Architekten und deren bewußt-
seinsmäßige Verarbeitung
Sobald jedoch der Bauherr geradeso wie der Automobil-
fabrikant seine Gebäude als Waren produzieren läßt,
nämlich zum stückweisen Verkauf durch Vermietung,
geht es dem Architekten nicht besser als dem Fahrzeug-
konstrukteur: seine Arbeit dient der Verwertung eines
eingesetzten Kapitals. Dem Architekten allerdings ver-
schließt sich die Einsicht in den Tauschwertcharakter
der Häuserproduktion weitgehend. Er entwirft immer
noch, wenn nicht für einen ihm bekannten Nutzer, so
doch für einen ihm bekannten Auftraggeber. Die formale
Nähe zur vorher geschilderten Situation, die formelle
Selbständigkeit gegenüber dem produzierenden Kapita-
listen verschleiert für ihn, daß das. Ziel der Produktion
eben nicht mehr die Befriedigung von Bedürfnissen des
Käufers, sondern der Verkauf des Produkts und damit die
Verwertung des angelegten Kapitals, d.h. die Realisation
von möglichst viel Profit ist.
In dem Maße jedoch, wie die Arbeit des Architekten nicht
mehr vorrangig ausgerichtet war auf die Repräsentation
der Bourgeoisie, sondern die Architekten den Bau von Häu-
sern übernahmen, die vom Bauherrn nicht selbst genutzt,
sondern vermietet wurden, trat gegenüber dem humanistisch-
künstlerischen Anspruch „Architekt als Träger des abend-
ländischen Kulturgutes‘“ der humanistisch-sozialkritische
Anspruch “Architekt als Sozialanwalt der Mieter“ in den
Vordergrund. Dieser sozialreformerische Anspruch blieb
jedoch befangen in der idealistischen Gebrauchswertfixie-
rung, die unterstellt, es wäre prinzipiell möglich, nach einer
entsprechenden Aufklärung eine inhumane Wohnsiedlung
durch eine humane zu ersetzen. Im Gegensatz beispiels-
weise zum Fahrzeugkonstrukteur ist der Architekt durch-
aus in der Lage, einen Teil der sozialen Implikationen sei-
ner Tätigkeit und der Bauproduktion insgesamt zu erkennen
da er eine unmittelbare Anschauung vom Wohnwert eines
hafte Summe von 900 000 Mark. Das Borsigsche Wohnhaus
wurde 1875 begonnen (Berlin, Wilhelmstr. Ecke Voßstraße),
Architekt Lucae, Vgl. Berlin und seine Bauten. 1966.
6) Wilhelm Fritz Haug: Kritik der Warenästhetik, Frankfurt 1971
S. 167.
unter seiner Aufsicht erstellten Gebäudes hat und sich auch
in gewisser Weise verantwortlich fühlt. Der Fahrzeugkon-
strukteur hingegen wird sich — eingespannt in die Waren-
produktion seines Betriebes — primär der Steigerung des
Marktanteils des von ihm entworfenen Produkts verpflich-
tet fühlen und auf Gedanken über die sozialen Implikatio-
nen seiner Tätigkeit nicht kommen. Sie sind ihm durch
das Marktgeschehen weitgehend verschleiert. Dem Archi-
tekten jedoch ist in seiner Gebrauchswertfixierung verschlei-
ert, daß seinem sozialen Engagement durch die Verwertungs:
interessen der kapitalistischen Bauproduktion eindeutige
Grenzen gesetzt sind. Auf eine ausführlichere Kritik dieser
Illusionen der Sozialanwaltschaft soll hier jedoch verzich-
tet werden. Sie ergibt sich im Grunde implizit aus den
folgenden Ausführungen über die Entwicklung der Bau-
produktion und der dadurch veränderten Architektentätig-
keit.
Die zunehmende Komplexität der Planungs-
aufgaben im entwickelten Kapitalismus
Wir haben bisher darauf abgehoben, daß diejenige Archi-
tektentätigkeit, die dem Architekten-Image entspricht,
Realität eines noch geringen Grades der ökonomischen
Konzentration ist. Es wäre jedoch falsch — und der Augen-
schein widerlegt dies auch —, daraus den Schluß zu ziehen,
daß die oben beschriebene Form der Architektenarbeit
mit der zunehmenden Konzentration des Kapitals sich
lediglich arbeitsteilig auflöst. Ebenso verändert, erweitert
und verlagert sich der gesamte Arbeitsbereich, und dies
aufgrund spezifischer Bedingungen der BRD-Entwicklung
geradezu durchbruchartig.
Man muß sich ins Bewußtsein rufen, daß ökonomische Ge-
setze sich zwar als langfristige Tendenz durchsetzen, jedoch
nicht gradlinig, sondern in widersprüchlicher Bewegung.
Ältere, feudale oder frühkapitalistische, nationale und loka-
le politische Besonderheiten und Verfestigungen können
zeitweilig entgegen der allgemeinen Tendenz die Oberhand
behalten und oft erst aufgrund drohender chaotischer Zu-
spitzung der Widersprüche weggefegt werden. Dies läßt sich
auch an der Bauplanung verfolgen und zeigt sich besonders
kraß in der Entwicklung der 50er Jahre in der BRD: Wäh-
rend bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts der
von Marx erwähnte, in großem Maßstab betriebene,
spekulative Wohnungsbau für den anonymen Markt in den
europäischen Großstädten keine Seltenheit war, ging noch
ein 3/4Jahrhundert später aufgrund besonderer politischer
Konstellationen der Wiederaufbau der deutschen Städte
nach dem 2. Weltkrieg auf den alten Kleinparzellen in
kleingewerblicher Einzelobjektplanung vonstatten. Die
kriegsorientierte, überentwickelte Infrastruktur der Natio-
nalsozialisten, die ohne grundlegende Umstrukturierung
auch noch für die intensivierte Belastung der 50er Jahre
hinreichte, hatte die materielle Basis dafür abgegeben, das
politisch notwendige Bündnis des geschwächten Großka-
pitals mit dem Mittelstand durch Konzessionen an die
Unantastbarkeit des städtischen Grundeigentums herzu-
stellen. Erst die Zuspitzung in der Krise 66/67 verbreitete
die Einsicht, daß durch die Vernachlässigung der Entwick-
lung räumlicher Strukturen, entsprechend der allgemeinen